Götterspeisen 16.Januar 2015

Götterspeisen

Seien wir ehrlich: So gut die Kreationen unserer besten Köche auch sind, bleibt das Essen doch ein sehr flüchtiges Vergnügen. Man speist, genießt und begeistert sich – und doch verblasst mit der Zeit die Erinnerung. Manchmal aber, meist völlig unerwartet, bekommt man es mit einem Gericht zu tun, das sich förmlich in jenen noch unerforschten Bereich des Gehirns einbrennt, der für die Speicherung kulinarischer Offenbarungen zuständig ist. Solche Erlebnisse sind es, wonach jeder Gastrosoph sucht: Mit unserer neuen Serie geben wir all jenen Gerichten eine Bühne, an die wir seit Monaten, manchmal gar seit Jahren immer wieder denken müssen. Jene Geniestreiche großer Köche also, bei denen man schon nach dem ersten Bissen weiss, dass man es mit einem Geschmackserlebnis für die Ewigkeit zu tun hat. 

Götterspeise 65

Jakobsmuschel "LBE", Erdbeere, Rhabarber und Waldmeister

Es mag sich dekadent anhören, aber manchmal können wir Jakobsmuscheln nicht mehr sehen! Nur selten gelingt es Chefs, aus diesem inflationär eingesetzten Produkt ein herausragendes Gericht zu kreieren – Kevin Fehling gelang dies jüngst mit seiner Version "La Belle Epoque" (sein ehemaliges Restaurant in Travemünde) im The Table. Die sanft angeröstete Muschel sitzt in einem leichten Waldmeisterfond mit einem Hauch Vanille und wird von säuerlichem Rhabarberkompott und Erdbeercrème begleitet. Man muss hier von einer meisterhaften Feinjustierung sprechen, da diese Kombination nicht einfach nach herbem Dessert, sondern nach hochfeiner Gewürzküche schmeckt. Noch besser wird es aber, wenn man zwischendurch ein Scheibchen der roh marinierten Muscheln nimmt, bei denen die Beigaben noch prononcierter ausfallen. Das Warme und das Kalte, die milden Abstufungen auf dem tiefen Teller und die Aromenkonzentration auf den Scheiben bilden ein famoses Ganzes. Und zum Abschluss sorgt der Zylinder, gefüllt mit Muscheltatar, Rhabarberkompott und Waldmeister-Hollandaise, noch einmal für einen aromatischen Big Bang. Eine Götterspeise mit Ecken und Kanten, die fortgeschrittene Fresser am meisten begeistern dürfte.

Den kompletten Bericht zu unserem Besuch im The Table findet Ihr hier.

Götterspeise 64

WAGYU-SHORT-RIB MIT BBQ-LACK, POMME FRITE, AUBERGINE UND MAIS

Bei Jan Hartwig im Münchner Atelier erreicht uns ein Hauptgang, der endlich mal wieder auch der Höhepunkt des Abends ist: Das Wagyu-Gericht besticht allein schon durch eine wohltuend puristische Anmutung – die wir übrigens im ganzen Menü feststellen konnten. Geschickt spielt Hartwig bei der Zusammenstellung mit den Komponenten eines klassischen Grilltellers, von gegrilltem Mais über die Barbecue-Sauce bis zur Fritte. Von Letzterer hätten es zugegebenermaßen auch zwei sein dürfen, so sensationell kross und fluffig ist sie. Das fantastische Fleisch bekommt vom Lack zusätzlichen Kick, kann aber trotzdem seinen Eigengeschmack bewahren. Der Maisdeckel sogt dafür, dass bei jedem Bissen eine Knackigkeit hinzukommt. Zugleich greift das Auberginenpüree die leichten Rauchnoten der Sauce auf. Das ist alles klug erdacht, perfekt gemacht, schmeckt einfach traumhaft und macht alleine bereits den Besuch in München lohnend.

Den kompletten Bericht zu unserem Besuch im Atelier findet Ihr hier.

GÖTTERSPEISE 63

ALTE MILCHKUH MIT ROTER BETE, KALBSMARK UND SAUERAMPFER (1)

Der erste Fleischgang des Abends bei Jonnie Boer im niederländische De Librije begeistert uns restlos: die Alte Milchkuh wird direkt am Tisch auf heißem Stein gegart und im Anschluss mit Roter Bete, Kalbsmark und Sauerampfer angerichtet. Im Grunde spricht die intensive Marmorierung des Fleischs für sich – butterzart und durch die schmelzenden Fettadern herrlich aromatisch, gehört es zum besten Rindfleisch, das wir bislang verkosten durften. 

ALTE MILCHKUH MIT ROTER BETE, KALBSMARK UND SAUERAMPFER (2)

Dies ist umso bemerkenswerter, da wir Kuh oftmals als furchtbar fade und bisweilen recht zäh empfinden. Das Kalbsmark gibt als i-Tüpfelchen vollmundige Cremigkeit und eleganten Schmelz, Bete und Sauerampfer sorgen mit erdiger Würze für ein komplexes aber dennoch fokussiertes Gesamtbild. Mit anderen Worten: Es handelt sich um die zweite Götterspeise dieses Abends – und wir sind guter Hoffnung, dass es nicht die letzte bleiben wird...

Den kompletten Bericht zu unserem Besuch im De Librije findet Ihr hier.

GÖTTERSPEISE 62

TAUBE MIT LEBER, JUNGEM LAUCH UND WILDKRÄUTERN

Claus-Peter Lumpp servierte uns im Bareiss einen Gang, viele Teller und eine regelrechte Arie an kulinarischer Herrlichkeit. Perfekte Produkte, perfekt behandelt und in eine Dramaturgie geführt, welche ein fasziniertes Raunen über unseren Tisch gehen lässt. Über drei Akte bzw. Teller erstreckt sich dieser Gang, ein veritables Mini-Menü, bei dem Claus-Peter Lumpp in jedem Teil die Kombination der Taube mit der Stopfleber zu aromatischen Superlativen führt! So schmeckt Glückseligkeit.

Hier geht es zum Album unseres À-la-carte-Besuchs im Bareiss.

GÖTTERSPEISE 61

MARINIERTER HAMACHI, CHARENTAIS-MELONE, KOPFSALAT UND MANDEL 

Mit diesem Gericht stiegen wir 2013 in das eigentliche Menü bei Sven Elverfeld im Wolfsburger Aqua ein. Über die Dimension der dieser Kreation zugrundeliegenden kulinarischen Intelligenz könnte Onkel Dollase vermutlich ein komplettes Buch verfassen: Darüber, wie scheinbar simpler Hamachi durch verschiedene Arten des Zuschnitts (klein gewürfelt, als Block und als dünne Scheibe) erstaunlich unterschiedliche Facetten zeigt. Oder über den sensationellen Einsatz der winzigen Melonenstücke, die hier eher als Gewürz denn als fruchtige Komponente fungieren und immer wieder überraschend als Charentais-Sternschnuppen die Papillen in Entzückung versetzen. Vermutlich würde „La Dollase“ auch über die kleinen Tupfen aus Kopfsalat- und Mandelcrème referieren, die grüne und ätherische Nebentöne in die Harmonie einbringen. Wir hingegen jubeln innerlich und attestieren eine reinsortige Götterspeise!

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