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Restaurantkritik 28.Dezember 2018

Ein letztes Hurra am Stachus

Dies ist kein herkömmlicher Bericht, keine Kritik, bei der es um Stärken und Schwächen einer Küche geht. Dies ist eine Hommage, ein Abschied, eine Würdigung... ein Nachruf. Auf ein Restaurant, das sich zu einem unserer liebsten in ganz Deutschland entwickelt hat. Der Königshof schließt. Am 31. Dezember 2018 fällt der Vorhang. Kein Blick vom Tisch auf den Stachus mehr, keine Weinberatung von Stèphane Thuriot, kein eloquentes Gespräch mit Maitre Simon Adam. Und vor allem kein Menü mehr von Martin Fauster, seinem Team und seiner Pâtissiere Gabi Taubenheim. Es ist ein Jammer.

Ja, es gibt eine Vielzahl vom Michelin höher bewerteter Restaurants in Deutschland. Aber das sagt mehr über den Guide als über die Qualität von Martin Fausters Küche. So konstant exzellent wie bei ihm haben wir nur selten gegessen, auch außerhalb Deutschlands. Ein letztes Mal pilgerten wir deshalb zum Königshof, im Oktober schon, um noch einmal die sehr eigene Atmosphäre dieses Ortes aufzusaugen – und die Fauster-Magie in uns aufzunehmen. Hier eine Auswahl der besten Gerichte unserer umfangreichen Mittagsmenüs ...

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Als Amuse kommt ein Klassiker Fausters auf den Tisch: marinierter Huchen mit Kürbiskernöl und Kürbiskernen. Dieser Teller mutet in seiner Reduziertheit beinahe japanisch an. Zu Recht, denn der Huchen, ein Süßwasser-Raubfisch, wird auch als "König der Donaufische" bezeichnet und braucht nicht viele Beigaben, um zu glänzen. Sein Geschmack ist elegant, ein wenig an Tuna erinnernd, sein Fleisch von angenehmer Festigkeit. Und anders als bei manch anderem Edelfisch stehen die jungen, kleinen Exemplare für die beste Qualität. So auch bei den herausragenden Stücken auf unserem Teller. Der Fisch harmoniert wundervoll mit der dunklen, nussigen Aromatik des Kernöls, ohne dabei seinen eigenen Charakter einzubüßen. Ein Hochgenuss.

Das Menü startet mit Crevetten-Bouquet, Avocado und Scheinquitte. Die Crevetten sind roh mariniert, liegen aber auf einem brüllend heißen Teller, so dass die Unterseiten leicht gegart werden – ein genialer Kniff, denn so haben die Krustentiere in sich unterschiedliche Texturen und Temperaturen, entwickelt sich im Mund ein Spiel aus knackig und schmelzend, aus warm und kalt. Mehr bräuchte es eigentlich nicht. Aber die nussige Cremigkeit der Avocado und die säuerliche Fruchtigkeit des Quittengels sind natürlich nicht nutzlos, sondern vertiefen die Geschmackswelt, ganz leicht, ganz elegant.

Aber es wird noch besser. Denken wir erstmal nicht, denn die Jakobsmuschel mit Steinpilzen sieht nett aus, mehr nicht. Und überhaupt Jakobsmuscheln, naja, haben schon vor geraumer Zeit den Hummer von unserem Spitzenlatz der langweiligsten Produkte verdrängt. Aber was macht Fauster? Serviert uns einen der besten St.-Jacques-Gänge aller Zeiten! Die gegrillte Muschel wird lediglich von etwas scharf gebratenen Steinpilzen, rohen Steinpilzscheiben und (für einen von uns) ein paar Stückchen weißer Walnuss eingefasst – aber das funktioniert so unglaublich gut. Der mineralische Geschmack von Waldboden und Meer verbindet sich aufs Harmonischste. Nicht zu vergessen die Sauce, ein Art Beurre blanc von ätherischer Zartheit – und da ist sie dann wieder, die Fauster-Magie, die sich gerade auch bei den so einfach anmutenden Kreationen einstellt.

Als nächstes gibt es DEN Klassiker des Hauses: bretonischer Hummer "Thermidor". Hierfür wird der gekochte Hummerschwanz ausgelöst und mit gedünstetem Spinat, Champignonwürfeln und Artischockenstücken wieder in die Karkasse gefüllt, obenauf eine gekräuterte Hollandaise, ordentlich gratiniert. Das ist immer wieder ein Gedicht: zartes, aromatisches Hummerfleisch, hauchzarter Spinat, knackige Champignonwürfel und Artischocke, alles unter einer mit Kerbel und Estragon gewürzten Hollandaise, buttrig, mit kräftigen Röstnoten. Hier stimmt einfach jedes Detail.

Wir sind noch ganz glückselig, nippen gedankenverloren an den letzten Tropfen unseres weißen Burgunders, als plötzlich der nächste Teller vor uns steht: Kalbskopf-Terrine, Bries und Alba-Trüffel. Das ist weich und rösch, kräftig und elegant, durchaus kein Leichtgewicht, aber trotzdem können wir einfach nicht aufhören. Fauster ist nämlich, ganz Bayer, ein Meister der Innereien und der einfachen Fleischteile. Er macht das deftige der Kalsbkopf-Terrine hoffähig, ohne dass es gefällig wirkt. Bestes Comfort-Food für jene, die es zu schätzen wissen.

Dieser Glanz! Man schaue sich diesen Glanz auf dem Fleisch an! Als hätte einer das mürbe Reh-Haxerl in der Küche lackiert. Hat auch einer, nämlich mit Sauce. Und was für eine herrliche Sauce das ist, dicht und kräftig, ideal um den saftigen Serviettenknödel und die Waldpilze einzuhüllen. Einziger Kritikpunkt ist der aufgeblätterte Rosenkohl, den wir uns in Stücken gewünscht hätten, damit er seinen Biss und seinen vollen Geschmack entfalten kann. Aber gut, wir betrachten das als Zugeständnis an gewisse Erwartungen. Trotzdem bleibt dies ein toller Hauptgang, der wieder einmal zeigt, dass auch deftigere Schmorgerichte ihren Platz in den besten Häusern haben. Nur traut es sich eben fast keiner, leider.

Als Dessert haben wir für diesen letzten Besuch ein "Special" von der Karte vorbestellt: Crêpes Suzette. Wer erinnert sich nicht aus der Kindheit an dieses Dessert, das gerne bei Familienfeiern im "guten Restaurant" bestellt wurde. Vor allem die Zubereitung am Tisch war immer eine Schau, der Likörgeschmack für den Kindergaumen jedoch weniger köstlich. Ein bisschen Nostalgie spielt hier also auch mit rein. So erfreuen wir uns an der fachmännischen Zubereitung der beschwipsten Orangensauce durch Maître Simon Adam - was durchaus seine Zeit braucht: karamellisieren, ablöschen, einkochen ... und schließlich die vorbereiteten Crêpes darin flambieren. Die Sauce süß-säuerlich, leicht karamellig, kräftig orangig und leicht herb vom Likör. Exzellent. Dazu nur eine Kugel hervorragende Vanilleeis. Wo bekommt man sowas in Deutschland noch?

Ein paar Pralinen und Petits Fours aus der Box dürfen es dann auch noch sein.

Welch ein würdiger Abschlussbesuch. Einmal mehr hat Martin Fauster gezeigt, dass er in der deutschen Spitzengastronomie eine besondere Position einnimmt, denn er kocht einerseits sehr klassisch, andererseits aber auf eine sehr "undeutsche" Weise modern: Es gibt praktisch keine Espumas, keine Cremetupfer und keine Sponges. Beim Anrichten werden keine bunten Saucenbilder gemalt, es gibt keine Halbmonde, keine Straßen, keinen Türmchenbau und keine Blüten obendrauf. Fauster ist ein Purist, der zwischen französischem Aromenverständnis und optischer New Nordic-Reduziertheit eine ganz eigene Linie entwickelt hat. Und vor allem schmeckt es bei ihm einfach immer richtig gut. Zwischen der zuweilen bemühten "Kreativität" vieler Kollegen macht er lässig sein Ding. Seine Saucen sind ein Gedicht, seine Gespür für Harmonie und Spannung von bemerkenswerter Feinheit. Gleiches gilt übrigens auch für seine Pâtissière Gabi Taubenheim, die wir diesmal mit den Crêpes etwas unterforderten, die aber für uns zur allerersten Garde ihres Fachs gehört.

Aber genug gelobhudelt. Jetzt sind sie weg. Erstmal wird sich Martin Fauster eine Auszeit nehmen. Es ist ein Jammer. Wir werden sie hoffentlich bald wiedersehen. Ach was, ganz sicher werden wir das. Dieser Text ist kein Nachruf. Der Königshof ist tot – es lebe der König!

Text: Kai Mihm

Wein

Weinauswahl im Restaurant Königshof in München

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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