Restaurantkritik 28.Mai 2014

Vive le Francais!

Das Restaurant Français gehört schon seit vielen Jahren zu den kulinarischen Institutionen Frankfurts. Obwohl sich das Restaurant in einem Grandhotel, dem Steigenberger Frankfurter Hof, befindet und leider über keinen separaten Eingang verfügt – der hungrige Gast muss zunächst den unscheinbaren Rezeptionsbereich und die nicht gerade weltstädtische Lobby durchqueren – fühlt man sich nicht wie in einem anonymen Hotelrestaurant. Im Gegenteil. Im riesigen und etwas in die Jahre gekommenen Hotelbau wirkt das Français wie ein eigener Mikrokosmos. Die beiden Räume sind pittoresk und reich an Dekor, während im Sommer zusätzlich auf der Terrasse im Freien gespeist werden kann. Die Atmosphäre ist gediegen und zugleich entspannt, was nicht zuletzt dem Serviceteam um Maître Nils Blümke zu verdanken ist.

Bei unserem letzten Bericht über das Francais, der unentschuldbare vier Jahre zurückliegt, waren wir von Patrick Bittners modernisierter Klassik sehr angetan. Nun drängte die Zeit für eine neuerliche Bestandsaufnahme.

Als Fingerfood zum Champagner gibt es eine Variation von Beten: Gelbe Bete mit Fenchelsalat und Bündnerfleisch, Matjes mit Roter Bete und Pumpernickel sowie Rote Bete-Ravioli mit Sauerrahm und Kaviar vom fliegenden Fisch. Am besten gefällt uns das Mini-Tartelette mit der sanft-süßlichen Gelben Bete, dem Anis-Ton des Fenchels und dem mildwürzigen Bündnerfleisch. Doch alle drei Kleinigkeiten sind gelungen, filigran und aromenstark genug, um weiteren Hunger anzufachen.

Als Amuse Geule schickt die Küche Kalbsherzbries mit Kürbis, Birne und Anapurna-Curry. Das Bries ist kross, aber besitzt noch einen wundervollen Schmelz. Kürbis und Birne sind feine Begleiter, deren leichte Fruchtigkeit bestens zum gelben Curry passt. Das Curry erinnert uns hier ausnahmsweise mal nicht an Wurstbude oder Hühnchen Madras, sondern ist sehr wohldosiert in die Komposition eingebunden.

Der erste Gang des Menüs besteht aus Elsässer Gänseleber mit Preiselbeere, Kerbelwurzel und Mokka. Die Leber ist gut gewürzt und – mindestens ebenso wichtig – nicht zu kühl temperiert. Die Bitternoten des Kaffees bilden einen spannenden Kontrast zur gehaltvollen Foie, während die Süße und Säure der Preiselbeeren sowohl die Fettigkeit der Leber als auch die Herbheit des Kaffees gut abfedern. Die Kerbelwurzel mit ihrer pikanten Süße rundet das Ganze ab. Das Gericht fordert durchaus eine gewisse Konzentration: Wichtig ist, die einzelnen Komponenten tatsächlich im direkten Wechsel zu verkosten – so schmeckt es exzellent.

Sehr gut auch der nächste Gang: Bretonischer Taschenkrebs mit Avocado, Ingwer und Blutorange. Bittner kombiniert die nussig-süßlichen Noten des gezupften Krebsfleisches harmonisch mit der nussigen Avocado, setzt mit den Bitteraromen der Orange aber auch kontrastierende Akzente. Geradezu genial finden wir den mit Ingwer gewürzten Sud, dessen frische Schärfe dem Gericht den letzten Kick gibt.

Deftig-süffig wird es danach mit der handgetauchten Jakobsmuschel mit Petersilie, Haferflocken und Burgunderschnecken. Die Petersilie und die knackigen Schnecken sind relativ klassische Begleiter zur fleischigen Muschel. Die Haferflocken aber geben dem Gang mit ihrer trockenen Getreidigkeit eine besondere, ja ungewöhnliche, Note. Der kräftige Jus verstärkt den vergleichsweise rustikalen Gesamteindruck – was hier absolut passt.

Leider können wir das vom nächsten Gericht, den Agnolotti mit Radicchio Treviso, Kapstachelbeere und Périgord-Trüffel, nicht sagen. Der Teig der mit Radicchio gefüllten Täschchen ist zu dick und die Bitterstoffe des Gemüses wollen einfach nicht zur bitteren Fruchtigkeit der Physalis passen. Am Wenigsten aber funktioniert das Zusammenspiel mit dem Trüffel, dessen Aroma gerade den seifig-bitteren Geschmack der Beeren auf unangenehme Weise hervorhebt. Es lässt sich nicht anders beschreiben: Dieser Gang ist ein Totalausfall.

Was für eine Wohltat danach der Hauptgang: Milchkalbshaxe aus der Corrèze mit Vacherin Mont d'or, Kartoffeln und Dijon-Senf. Die prächtige Haxe wird von Maître Blümke gekonnt am Tisch tranchiert. Das zarte, aber dennoch „bissige“ Fleisch ist perfekt gewürzt und hat eine schöne Kruste (Tipp am Rande: nicht den gleichen Fehler machen wie wir und sich den knusprigen Anschnitt entgehen lassen!). Die Beilagen sind klassisch und absolut stimmig. Vor allem die separat gereichten Vacherin-Kartoffeln munden ausgezeichnet. So macht Klassik Spaß!

Sollte man zu zweit sein (eine komplette Haxe ist für 2 Personen natürlich zu viel), kann man sich aber, wie man uns versicherte, das "Reststück" problemlos als Doggy Bag einpacken lassen und sich so auch tags darauf noch auf den Genuss freuen...

Nach dieser Bombe sind wir mehr als reif für etwas Süßes. Der Français-Apfelstrudel mit Bratapfel, Rosinen und Rumeis entpuppt sich als angenehm leichte und gleichsam aromenstarke Verfremdung des Kuchenklassikers. Allerdings erinnert sie uns konzeptionell sehr an den dekonstruierten Strudel von Ronny Bolz, den wir 2010 in der Villa Rothschild hatten. Wenngleich dessen überragende Qualität hier nicht ganz erreicht wird, schmeckt die Français-Version doch sehr gut.

Das finale Dessert besteht aus Banane, Haselnuss, Eierlikör und Marmorkuchen. Auch diese klassische Dessertkombination wurde zeitgemäß aufgefrischt. Der Kuchenwürfel ist dabei fluffig und leicht, das Eis von perfekter Cremigkeit. Die karamellisierte Banane sowie der hausgemachte Likör geben Wärme und Mundfülle. Eine schöne Idee auch der Haselnuss-Macchiato im Glas. Unkompliziert und einfach gut.

Schließlich folgt der legendäre Christofle-Dessertwagen mit Sorbets und allerlei kleinen Köstlichkeiten zum frisch gemachten Irish Coffee.

Einmal mehr hat sich das Mittagessen im Français als gute Entscheidung bestätigt. Angesichts des nahezu durchgehend hohen Niveaus fällt selbst der missratene Pastagang nicht weiter ins Gewicht. Nach einer kurzen Phase mit Experimenten im New-Nordic-Stil besinnt sich Patrick Bittner offenbar wieder auf seine Stärken: der Verfeinerung einer klassisch-modernen Haute Cuisine. Dabei gelingt es ihm, etwa beim Bries, der Gänseleber oder den Haferflocken zur St. Jacques, geschickt ungewöhnliche Akzente zu setzen. Ganz besonders aber schätzen wir, dass er zu den wenigen gehört, die den Tableside-Service gleich bei mehreren À-la-Carte-Gerichten zelebrieren. Während diese schöne Tradition in Frankreich heutzutage noch gepflegt wird, ist sie hierzulande mittlerweile leider fast völlig aus der Mode geraten. Aus Gastsicht wäre es sicher wünschenswert, wenn der Service bei Tisch wieder mehr Freunde findet.

Der Service rund um Nils Blümke agiert lässig, schlagfertig und humorvoll, wahrt aber in den richtigen Momenten die nötige Distanz und Diskretion – eine Kunst, die weiß Gott nicht jeder beherrscht. Die Klasse liegt dabei im Français unserer Meinung nach weit über den Wertungen der traditionellen Guides.

Fazit

Patrick Bittner gelingt im Français ein hierzulande seltenes aber wohlschmeckendes Kunststück: Seine Küche ist klassisch und doch zugleich wunderbar zeitlos.

Eure Meinung?

Wie gefällt Euch "Tableside-Action", z.B. das Tranchieren am Tisch?

 

WEINE

2004 Dom Pérignon, Champagne, Frankreich

1998 Château d’Yquem, Sauternes, Frankreich

2012 Torrontés Valle Calchaqui, Colomé, Argentinien

2011 Weißer Burgunder “Muschelkalk”, Weingut Lergenmüller, Pfalz

2010 Chardonnay Spätlese trocken, Weingut Münzberg, Pfalz

2010 Fusion V, De Toren, Stellenbosch, Südafrika

2005 Brauneberger Juffer Sonnenuhr, Riesling Auslese, Fritz Haag, Mosel

Irish Coffee, prepared by “the Irish”, Mister Ethan Boon

Fressfreunde

Boris Maskow

"Eine sehr gute Lunchadresse und ein Restaurant, in dem man abends gerne länger bleibt – nicht nur der Küche, sondern auch der herzlichen Bedienung wegen."

Küchenreise

"Französische Wohlfühlküche: Wunderbar harmonisch und mit starkem klassischen Fundament. Liebenswerter Service. Zum Abschluss der große Dessertwagen."

Stevie Tarach

"Solides Handwerk, inhaltlich ein wenig hausbacken ohne große Höhen, aber auch ohne große Tiefen, verlässlich, Service sehr gut, der Sommelier ist Spitze!"

Fragen an den Suffmeister (a.k.a. Sommelier) Franck Mouzon

1. Anzahl der Positionen
Ca. 570 Weine 

2. Haben Sie einen besonderen Fokus bezüglich der Weinkarte?
Selbstverständlich konzentrieren wir uns im Restaurant Francais traditionsgemäß auf die besten französischen Weine, allerdings ist die Auswahl an namhaften deutschen Weinen fast genauso groß.

3. Welche ist Ihre preiswerteste/teuerste Flasche?
Günstigste: 2012 Weißer Burgunder, Weingut Wittmann / Rheinhessen, 28€
Teuerste: 1999 Château Petrus 2.900€

4. Die ungewöhnlichste Rarität?
2010 Dingac aus Dalmatien / Kroatien / Winery Saints Hills

5. Welches ist Ihr meistverkaufter Wein der letzten 12 Monate?
2011 Grauer Burgunder „Buntsandstein“ von Lergenmüller aus der Pfalz

6. Ihre Entdeckung der letzten 12 Monate?
2006 Tinta de Toro „La Mula“ (das Maultier) von Quinta de la Quietud aus dem Toro in Spanien. Dieser Wein hat mich schon beim ersten Schluck vollkommen aus den Socken gehauen. Soviel Kraft, Dichte, Intensität in Kombination mit soviel Aroma von Trockenfrüchten und Lakritz. Das ist einfach der Wahnsinn. Dieser Wein muss unbedingt belüftet werden sonst verhält er sich wie ein störrisches Maultier.

7. Ihr Lieblingswein...
Per se habe ich so etwas nicht. Wenn die Qualität stimmt, bin ich für alles offen. Es kommt bei mir auch wirklich immer sehr auf die Laune und die Begleitumstände an, aber da ich aus einer Champagnerwinzer Familie stamme hat Champagner natürlich immer einen ganz besonders hohen Stellenwert.

8. Der ausgefallenste (vinophile) Gästewunsch, mit dem Sie konfrontiert wurden?
Da erlebe ich fast wöchentlich Highlights! Z.B. 2008 Échezeaux Grand Cru von Gros durfte auf gar keinen Fall dekantiert werden. Soweit noch nichts ungewöhnliches, aber das der Wein dann den ganzen Abend dann nur aus dem randvollen Eiskühler ausgeschenkt werden durfte hat mich dann schon ein wenig irritiert.

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