Rosewood, Hongkong
Hongkong ist sicher nicht arm an luxuriösen Hotels. Viele davon sind auch lohnenswert – bei unserem Trip konnten wir drei sehr unterschiedliche Häuser kennen lernen. Jedes davon würden wir empfehlen. Aber wir sagen es gleich vorab: Das Rosewood, wo wir die letzten vier Nächte verbrachten, ist mit Abstand das Beste. Für uns ist es vielleicht sogar das faszinierendste Hotel, in dem wir je logierten. Deshalb soll es hier auch gar nicht um eine besondere Suite gehen – die muss im Rosewood gar nicht sein, denn auch die Standardzimmer haben es in sich. Doch dazu später mehr.
Um das Hotel wirklich zu "verstehen", muss man etwas über die Entstehungsgeschichte wissen (die uns im Rahmen einer kleinen Tour -zu haben für jeden Gast- vermittelt wurde). Ursprünglich war die Rosewood Hotelgruppe ein amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Dallas. 2011 wurde die Kette von der milliardenschweren Unternehmerfamilie Cheng gekauft. In deren Heimatstadt Hongkong sollte denn auch das Flagschiff der Hotelgruppe entstehen. Und ohne die anderen Rosewood-Häuser in aller Welt zu kennen, wagen wir zu sagen: der Coup ist gelungen.
Bereits der Anblick des 65-stöckigen Turms ist atemberaubend, überragt er doch weit und breit sämtliche Bauwerke um ein mehrfaches. Denn das Rosewood befindet sich nicht in den luxuriösen Wolkenkratzer-Bastionen von Hongkong Island, sondern im weitaus "flacheren" Kowloon, am Ufer des Tsim Sha Tsui Distrikts, mit Blick über den Hafen – genau dort, wo die Familie Cheng nach ihrer Ankunft aus China im Jahr 1940 lebte, und wo der Großvater den ersten Wohlstand erarbeitete. Allein dieser sehr persönliche Bezug gibt dem Hotel eine besondere Aura. A propos besonders: Nur ein paar Meter neben dem Hotelgebäude, findet sich übrigens die lebensgroße Skulptur des vielleicht weltberühmtesten Sohnes der Stadt: Bruce Lee. Für uns als Filmfans ein nicht zu unterschätzendes Surplus...
Auch sonst fanden wir das quirlige Tsim Sha Tsui ohnehin wesentlich spannender als das geschäftsmäßige Hongkong Island. In den 1970er und 80er Jahren gab es hier schonmal einen Boom, ausgelöst nicht zuletzt von der Familie Cheng. Doch in den 2000er Jahren verlor Kowloon seinen neuen Glanz schon wieder. Das wird sich nun ändern.
Zurück ins Hotel: Die Lobby ist relativ dezent, aber schon hier spürt man die moderne Noblesse. Zeitgenössische Kunst aus der familiären Privatsammlung ist allgegenwärtig. Ein ganzer Raum zwischen Lobby und Pâtisserie-Shop ist der lebensgroßen Elefantenskulptur des indischen Bildhauers Bharti Kher gewidmet, Damien Hirsts Schmetterlinge zieren eine Wand des eleganten Teesalons – um nur die zwei markantesten Beispiele zu nennen.
Und a propos Pâtisserie: welch freudige Überraschung war es für uns, in Holger Deh einen deutschen Chefpâtissier zu treffen, der hier eine beeindruckende Bandbreite an Pralinen, Törtchen und Schokoladen entwickelt.
Die meisten der 413 Zimmer bieten den gleichen, herrlichen Blick über die Hafenbucht und Hongkong Island. Und auch wenn man fortwährend aus dem fenster schauen möchte, lässt sich die subtile Pracht des Inerieurs kaum übersehen: der spiegelblanke Türrahmenlack, die Giorgetti-Sessel, das Badezimmer aus Arabescato-Marmor mit gehämmerten Kupferwaschbecken, frei stehender Badewanne und zwei (!) Duschen. Die Badezusätze kommen von Maison Caulières und der Schirmständer ist mit Loro Piana-Kaschmir umwickelt. Noch besser gefallen uns jedoch subtile Gestaltungselemente wie das achteckige chinesische Bagua-Symbol, das sich motivisch durchs gesamte Gebäude ziegt: auf den Fußböden, an den Decken, Wänden und Türen. Solche Feinheiten bilden die Essenz des Rosewood Hongkong-Stils: eine Mischung aus sinnlicher Opulenz und stilvoller Zurückhaltung.
Wir könnten noch so viel erzählen, zum Beispiel von der exzellenten Cocktailbar namens Darkside im Erdgeschoss, wo wir nach dem ausgiebigen Dinner im Vea nur noch einen Absacker nehmen wollten – und dann nach einer ganzen Reihe hervorragender Drinks die letzten Gäste wurden. Oder von dem Inifinty-Pool, wo wir einen ganzen Nachmittag verbummelten, weil der atemberaubende Blick auf die Skyline von Hongkong Island jede Sightseeing Tour schlägt.
Das schöne ist: Das Rosewood ist ein Hotel für Menschen, die eigentlich keine global operierenden Hotelketten mögen – das Haus wirkt trotz allem Luxus fast privat. Und trotz der vielfältigen Bezüge zur Vergangenheit wirkt das Hotel nicht nostalgisch oder gar sentimental-verkitscht, im Gegenteil: Es mutet wie der Wegbereiter für eine neue Ära an. Damit passt es -ungewollt- auch wieder zur aktuellen Stimmung in Hongkong.
Wir jedenfalls können es nicht erwarten, hierher zurückzukommen. Wie wir zu Beginn schrieben: Dies ist kein herkömmlicher Suite Dream, sondern ein süßer Traum von einem Hotel.