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Restaurantkritik  5.Oktober 2018

Ox? Klee? Geht!

Wer an Spitzengastronomie in der Kölner Innenstadt denkt, dem kommt automatisch das Le Moissonnier in den Sinn. Keine Frage, das Restaurant ist seit vielen Jahren die unangefochtene Nummer Eins der Stadt. Zu Recht. Zugleich tut sich aber auch sonst einiges in der lokalen Restoszene. Eine der interessantesten Adressen, so hörten wir immer wieder, sei das "neue" Ox & Klee – das Restaurant eröffnete zwar schon im Jahr 2010, zog im Herbst 2016 aber in den schicken, neu gestalteten Rheinauhafen um.

Warum wir in der alten Location nie waren, können wir selbst nicht genau sagen. Irgendwie sind wir doch nicht so oft in Köln, und wenn, zieht es uns gleich nach Bensberg oder eben in die Krefelder Straße. Dabei ist Daniel Gottschlich eine interessante Gestalt in der deutschen Gastroszene: ein gelernter Koch, der zuvor als Musiker und Energieanlagenelektroniker arbeitete, und keine nennenswerten Küchenstationen oder prägenden Chefs hatte. Einer, der einfach sein Ding macht. Und das offenbar mit Erfolg. Vor acht Jahren eröffnete er mit seiner Freundin in der Kölner Neustadt-Süd das Ox & Klee mit 26 Plätzen, das sich schnell einen Namen machte.

Jetzt also die neue Location, die schicker und auch deutlich größer ist. Im Erdgeschoss gibt es eine Bar mit kleinen Speisen und passend darauf abgestimmten Cocktails. Oben, im Restaurant – unserem heutigen Ziel -, finden 46 Gäste Platz. Der Blick auf den Rhein und den kleinen Jachthafen ist toll, die Atmosphäre locker, das Lokal komplett ausgebucht. Wir nehmen am großen hölzernen Chef's Table vor der Küche Platz. Schön isses hier. Jetzt muss es nur noch schmecken.

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Grand Vintage 2009

Des Kellermeisters persönliche und freie Interpretation der einzigartigen Qualität der Trauben.

Sobald das Haus einen Jahrgangschampagner freigibt, wird er Teil der Moët & Chandon Grand Vintage Collection. Als eine der weltweit größten und renommiertesten Sammlungen von Jahrgangschampagnern verkörpert die Grand Vintage Collection Savoir-Faire und Wein-Know-how in höchster Vollendung. Ein Moët & Chandon Grand Vintage drückt ein außergewöhnliches Jahr in der Champagne aus, wie der Grand Vintage 2009, geprägt von einem gesamtheitlichen vollendeten Geschmack, zugleich generös und lebhaft.

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Die Amuses stehen unter dem Motto "Geschmacksqualitäten". Als da sind (im Uhrzeigersinn): Umami: Artischocke mit Parmesan und Pilzen; Fett: Avocadognocchi mit Lardo und Rauchbutter; Bitter: Topinambur mit Grapefruit und Kapuzinerkresse; Sauer: Stachelbeere und Paprika; Salzig: Tapiokachip mit Algenpulver; Süß: Süppchen von Grünspargel mit Rhabarber und Lavendel. Die Qualität dieser "Qualitäten" fällt unterschiedlich aus. Sehr gut funktioniert Umami in seiner erdig-nussigen Vollmundigkeit; auch das Spargelsüppchen, leicht blumig vom Lavendel, bringt das "Süße" fein auf den Punkt. Beim "fetten" Avocadognocchi mit Lardo und Rauchbutter kommt die Idee zwar rüber, aber der Gnocchi bleibt uns geschmacklich zu flach. Prononcierter müssten auch die Richtungen "bitter", "salzig" und "sauer" sein, die zwar nett schmecken, bei denen wir aber ohne die Überschrift nicht darauf kämen, dass sie für eine bestimmte Geschmacksqualität stehen sollen.

Sodann der erste Gang: Ungestopfte Gänseleber mit Carabinero, Apfel, Erbse, Cashew und Shiso. Das sieht sehr hübsch aus (in natura sogar noch besser als auf dem Foto), kann uns geschmacklich aber nicht recht überzeugen. Die Leber ist gut gewürzt (unter anderem mit Calvados), hat aber zu viel Kruste; die kleinen Stücke vom roh marinierten Carabinero entfalten kaum Geschmack, tun nichts für die Leber und kommen zugleich mit der Apfelsäure nicht so gut klar. Die Cashew-Stückchen setzen schöne Texturakzente, wirken geschmacklich aber etwas deplatziert, und die Erbse geht in der Melange gänzlich unter. Und obwohl hier wahnsinnig viel los ist, bleibt das Geschmacksbild in Summe sehr, sagen wir: mild. Man kann das alles gut essen, aber letztlich siegt die Präsentation über den Geschmack.

Zum Glück geht es beim zweiten Gang deutlich bergauf: Marinierter Spargel mit Mispel, Saiblingskaviar und Pfeffer ist eine sehr ungewöhnliche Kreation mit dem Edelgemüse - passt aber bestens. Der Spargel hat einen festen Biss und wirkt dadurch tatsächlich wie ein eigenständiges Gemüse und nicht - wie so oft - als reiner Saucenträger. Die natürliche Spargelsüße wird durch die säuerlich-süße Mispel (eingelegt und als kraftvolles, leicht alkoholisches Gel) sehr schön eingefasst. Der leicht salzige Kaviar wiederum sorgt dafür, dass das Ganze nicht zu sehr in die fruchtige Richtung geht. Der Clou sind allerdings die halbierten Sancho-Pfefferkörner, die mit ihrer deutlichen Schärfe blitzartige Akzente setzen und die Papillen spitzen. Eigenwillig und rund.

Es folgt trocken gereiftes Rindfleisch auf roher Jakobsmuschel mit Dill und Beeftea (dazu Volzhenka-Osietra-Kaviar). Das ist ein klassisch anmutender Dreiklang aus feinem, schmelzendem Fleisch, knackig-weicher Muschel und der Jodigkeit des Kaviars, der essenziell für das Funktionieren ist. Der Dill, oft ein egozentrischer Geselle, nimmt sich auf wundersame Weise zurück und wirkt hier eher wie ein Geschmacksverstärker. Dazu noch ein Sud aus Beeftea und trocken gereiftes Fett, die den Umami-Akzent unterstreichen. Elegant und exzellent.

Als "Gruß für zwischendurch" gibt es einen Hausklassiker, "Das Maggie-Ei"- schlotzig, süffig, köstlich. Würden wir am liebsten gleich noch einmal ordern, aber es kommt ja noch einiges.

Nicht so gut finden wir den lackierten Hummer mit Kohl und Yuzu. Das liegt weniger am Hummer selbst, der schön knackig und durch die Lackierung mit Hummerfond auch sehr aromatisch ist, sondern an den Beigaben. Die Kombination von säuerlichem Yuzu-Joghurt-Schaum und Wirsing schmeckt schräg, aber nicht wirklich gut. Die Dashi-Tapiokaperlen (angereichert mit winzigen Gurken- und Schalottenwürfeln) passen an sich gut zum Hummer, wenngleich wir keine großen Fans der typischen Tapioka-Textur sind. Ähnlich wie bei der Gänseleber ist das alles nicht schlecht, aber auch nicht toll.

Und ähnlich wie nach der Gänseleber folgt auch jetzt wieder ein Gewinner: Der Seehecht mit Champignons, Wacholder-Tonic und Gundermann gehört zu den originellsten Fischgerichten der letzten Zeit. Der krosse, ungemein saftige Fisch (mit seinem Kaviar) sitzt in einem Fond aus Apfel- und Staudenselleriesaft, Gin & Tonic, Zitronensaft und Wacholder. Darin knackige Würfelchen von Champignons, Sellerie, Gurke und Zwiebel. Es sind die Wacholdernoten und der Gin, die diesen Fond so ungemein spannend machen; und es sind die Bitternoten vom Tonic, die ihn so frisch und leicht wirken lassen. Dazu passt auch der bitter-scharfe Geschmack vom Gundermann ganz hervorragend. In eine ähnliche Kerbe schlagen die beiden Champignon-Pürees auf dem Fisch: Einmal mit Pfeffer, Salz, Soja, Knoblauch und Liebstöckel, und dann (in schwarz) aus oxidierten Champignons, nur mit Pfeffer und Salz. Und trotz dieser durchweg kraftvollen Einfassung geht der Fisch nicht unter, im Gegenteil: Man hat stets das Gefühl, dass der Fond, die Gemüse und die Kräuter dazu dienen, ihm eine Bühne zu geben. Das gelingt auch, und zwar prächtig.

In eine ganz andere Richtung geht der nächste Fischgang, Zander mit Schweinebauch, Brioche und Bärlauchöl. Ging es beim gebratenen Hecht um ein bitteres Spektrum, wird der Zander - gedämpft statt gebraten - zwischen Süße und Säuerlichkeit eingefasst: von Brioche (als Crème und Brösel) und einer Art Salat aus Bohnen (leichte Süße) und Rhabarber (sauer). Auch der sautierte Schweinebauch entwickelt durch die Röststoffe eine Art Umami-Süße (das milde Bärlauchöl spielt dankenswerterweise eine untergeordnete Rolle). Der Effekt ähnelt dem der vorherigen Kreation: Die saftige Zandertranche wird von den Beigaben gaumenschmeichelnd umspielt, aber nicht übertüncht. Es schmeckt anregend ungewohnt und durchaus anspruchsvoll, aber trotzdem leicht zugänglich und richtig gut.

Als Hauptgang gibt es Paderborner Huhn: die Brust sous-vide gegart, mit krosser Haut, Hühnerhautcreme, Gewürzkarotte, Pfifferlingen und Macadamiasauce. Hier lautet das Themas ganz klar: Fett und Umami - und was für eine Bombe das ist! Allein die Hühnerhaut-Zubereitungen: Wer erinnert sich nicht an die irre krosse, unglaublich intensive Haut bei Mutters Sonntags-Brathuhn, die man als Kind am liebsten pur gegessen hätte? Genauso schmecken hier die Knusperflocken auf dem Fleisch. Auch die Crème wirkt wie eine Quintessenz von Brathuhnhaut-Geschmack. Die Hühnchenbrust selbst sieht durch die Sous-vide-Garung zwar nicht sehr ansprechend aus (ein bisschen wie ein Gummiquader), aber es schmeckt einfach verdammt gut, zart, mit einem überraschend dichten Eigengeschmack. Dazu die Pilze, die leicht orientalisch gewürzte Möhre, und als absoluter Clou die Sauce, die genauso dicht schmeckt, wie sie aussieht. Sie besteht lediglich aus köstlichem Hühnerjus und Macadamiapüree: Umami und Fett eben ... wir wischen noch die letzten Tropfen mit den Fingern vom Teller.

Ach ja, in einem Becher gibt es dazu noch eine Hühneressenz mit Keulenfleisch, Eierstich und Erbsen. Ist auch gut, hätten wir aber fürs Glück nicht wirklich gebraucht.

Als Pré-Dessert wird Eis von reduzierter Milch, salziges Brioche und Birne aufgetischt. Für ein Vordessert bemerkenswert gehaltvoll, aber sehr gut und originell. Eine hübsche Variante des französischen Kinderfrühstücks "Brioche mit Milch und Obst". Vor allem das Spiel mit Süße und Salzigkeit gefällt uns.

Das Hauptdessert besteht aus Zitornenbisquit mit Olivenöl, Salbei und Joghurt. Hier sind wie ein bisschen hin- und hergerissen. Wir mögen die Idee, Salbei und Olivenöl in ein Dessert einzubauen. Aber wir sind unschlüssig, ob die Kombination mit Joghurt und Zitrone so glücklich ist. Es geht alles sehr in eine schaumige, weiche und süß-likörige Richtung - es kommen sowohl Limoncello (als Gelee) als auch ein Salbeilikör zum Einsatz (als Eis und Kaviar). Auch der Zitronencremeux und der Zitronenbiskuit unter dem Johghurtespuma gehen in die Limoncello-Richtung. Dadurch wirkt dann auch das Öl wie ein Zitronen-Olivenöl. Wir sehen und schmecken den Aufwand, aber das Ergebnis wirkt nicht recht auf der Höhe.

Zu Digestif und Kaffee gibt es noch Sorbet, Erdbeeren sowie eine Haselnussrolle mit Nougatcreme und Tonkabohne - alles prima.

Ja, das hat sich gelohnt. Die Küche im Ox & Klee ist eigen und originell, aber nicht überspreizt oder verkopft. Daniel Gottschlich macht, was er will, das merkt und das schmeckt man. Es funktioniert bei unserem Menü nicht alles: Manchmal fehlte es an aromatischer Entschiedenheit (Amuses), manchmal war die Idee stärker, als die Umsetzung (Leber, Hummer, Dessert). Aber wenn eine Idee zündete, dann gleich richtig gut, siehe Spargel und Seehecht. Hier meinten wir den komplett "autarken" Koch zu schmecken, der sich auf Dinge einlässt, die konventionell geprägten Köchen womöglich als zu eigenartig erscheinen würden. Dass Gottschlich auch klassischere Kompositionen beherrscht, zeigten derweil Gerichte wie das Huhn und die Jakobsmuschel mit Kaviar und Rindfleisch.

Gerade in einer Zeit, wo viele jüngere Küche etwas orientierungslos zwischen Klassik und leicht angestaubtem Modernismus, zwischen Regionalität und Crossover-Cuisine pendeln, wirkt Gottschlichs Stil erfrischend unabhängig. Ein Essen hier macht Freude, und wir fragen uns, wie der Mann erst kochen würde, wenn er, wie üblich, bei einigen Stars gearbeitet hätte. Obwohl, nein, genau das ist es nämlich nicht.

Fazit

Eigenwillige Spitzenküche par excellence – nicht immer rund, aber immer spannend.

Text: Kai Mihm

Wein

Die Weinauswahl im Restaurant Ox & Klee in Köln

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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