Restaurantkritik  7.September 2014

Ducasse kann auch günstig(er)

Alain Ducasse gehört neben Joël Robuchon zu den großen Geschäftsmännern der internationalen Kulinarik. Von Paris über Tokio bis Las Vegas gehören 20 Restaurants zu seinem Gastro-Imperium. Die Bandbreite reicht von den dreifach besternten Flaggschiffen in Monaco, Paris und London bis zu den traditionellen Benoît-Bistros in Paris und Tokio und einer Trattoria in der Toskana. Das neueste Konzept des Maestros trägt den Namen Rivea: In bislang zwei Lokalen dieses Namens, in Saint-Tropez und London, lässt er Gerichte servieren, die von den Aromen des Mittelmeers geprägt sein sollen und preislich moderat ausfallen.

Wie sehr wir die Küche von Ducasse schätzen weiß jeder, der unsere Berichte über Paris und London gelesen hat. Bei unserem letzten Trip an die Cote d'Azur war also klar, dass wir dem Rivea in Saint-Tropez einen Besuch abstatten müssen. Das Restaurant ist an das noble Byblos-Hotel angegliedert und wurde schon zuvor von Ducasse betreut: Unter dem Namen "Spoon" gab es internationale Fusionsküche. Nun also sozusagen Regionalküche mediterran. Wir sind gespannt.

Um ins Restaurant zu gelangen, muss man nicht unbedingt durch das Hotel, da der Eingang sich in einer kleinen Passage auf der Rückseite befindet, die auch von einer Straße zugänglich ist - sehr angenehm, denn dadurch wirkt das Rivea nicht wie ein Hotelrestaurant. An einem herrlichen Sommerabend sitzen wir im wunderschönen großen Garten unter riesigen Bäumen. Das Lokal hat rund 80 Plätze, plus 200 im Garten - und der ist proppenvoll. Die Stimmung ist lebendig, das Publikum eine illustre Mischung aus Saint-Tropez-Society, wohlhabendem Jungvolk und ganz normalen Gästen, die einfach gut essen wollen.

Vorab genehmigen wir uns eine Mini-Pizza mit Mozzarella und Kapern: Hauchdünner, krosser Teig, aromatischer Belag – so muss Pizza schmecken.

Als Vorspeise wählen wir eine Mischung aus fünf kleinen Kreationen, die in zwei Gängen serviert werden und laut Karte zum Teilen gedacht sind. Den Anfang macht Auberginenkaviar mit geschmorter Paprika. Dankenswerterweise halten sich die bei diesem Gericht typischen Räuchernoten in engen Grenzen, so dass der Eigengeschmack der buttrig weichen Aubergine schön zu Geltung kommt. Die Paprika bringt leicht süßliche Würze, ein paar Kapern sorgen für einen Säurekick. Fein.

Die Kaninchenterrine hat zwar eine gute Würze, aber das Fleisch selbst bleibt etwas blass, und manche Fleischstückchen sind recht trocken.

Die Kräuter-Cannelloni sind dafür sehr gut gearbeitet, knusprig überbacken, und die Füllung aus Kräutern, Spinat und Ricotta ist schön cremig, mildwürzig und leicht.

Exzellent der roh marinierte Adlerfisch, dessen festes, intensiv schmeckendes Fleisch die kräftige Würze aus Zitrus und Piment gut verträgt.

Nicht weniger gelungen das Vitello tonnato, das uns durch eine exzellent gewürzte Thunfischsauce und butterzartes Fleisch begeistert. Insgesamt war diese Vorspeisen-Kompilation sehr überzeugend, und die Idee der geteilten Gerichte gefällt uns gut.

Trotzdem konnte uns das nicht auf den Fischgang vorbereiten: Der Wolfsbarsch mit Fenchel und Oliven schmeckt schlichtweg sensationell. Der Fisch wurde mit Fenchelsamen geröstet, ist perfekt gegart und hat und ein kräftiges Aroma. Der Fenchel liegt in vier Zubereitungen auf dem Teller: geröstet, konfiert mit schwarzen Oliven, als Püree und roh in hauchdünnen Spänen – eine tolle, abwechslungsreiche und durchweg köstliche Variation des Gemüses. Es bräuchte nicht viel Verfeinerung, damit diese Kreation auch in den Ducasse-Restaurants in Paris oder Monaco eine gute Figur machen würde.

Konzeptionell ähnlich der Fleischgang, Lammkotelett und Filet mit Kichererbsen. Das Fleisch ist lediglich mit etwas eigenem Jus beträufelt und ist butterzart und aromatisch – nicht zuletzt dank der krossen Fettkruste. Dazu gibt es Kichererbsen als Püree, als ganze Früchte und in Form von...

...Panisse, einer Spezialität, deren Ursprung in Norditalien liegt, die aber auch in Südfrankreich eine lange Tradition hat. Aus einem Teig aus Kichererbsenmehl werden eine Art Pommes frittiert – und was fettig klingt und schwer aussieht, wird zumindest im Rivea eine Delikatesse: Die Sticks sind außen knusperkross und innen fluffig-leicht. Große Klasse.

Zeit fürs Dessert: Die Kreation aus Kaffee, Eis und Schokolade ist ziemlich mächtig, wirkt durch das Cappuccino-Eis im Innern aber trotzdem erfrischend. Zudem bricht der Kaffee mit seinen Bitternoten die Wucht der Schokolade. Auf Grund der Aromen nicht unser Favorit, aber an sich ein gut gemachtes Dessert.

Wesentlich mehr spricht uns Rhabarber & Vanille an: Auf einer hervorragenden Vanillecrème liegen Stücke von pochiertem Rhabarber, ein süß-säuerliches Rhabarbergelee und ein Vanille-Rhabarber-Sorbet. Das ist ohne Frage eine klassische Kombination, die etwas langweilig klingt. Aber sie ist hier in einer handwerklichen Meisterschaft umgesetzt und von einer geschmacklichen Harmonie und Wucht, dass wir schlichtweg begeistert sind. Auch diese Kreation könnten wir uns ohne Probleme im Stammhaus in Monaco vorstellen.

Ein paar nette Petits Fours zum Kaffee runden das Essen ab.

Zugegeben: Wir hatten gezügelte Erwartungen an das Rivea, fürchteten wir doch, in einem Lokal zu landen, wo es dem Geldadel von Saint-Tropez vor allem um ein "sehen und gesehen werden" geht. Doch weit gefehlt: Wir erlebten ein Essen, das uns fast durchweg begeisterte. Alain Ducasse hat eine Casual-Fine-Dining-Restaurant geschaffen, das perfekt an die Cote d'Azur passt: ungezwungene Atmosphäre, sehr gutes Essen und tolles Ambiente im atmosphärischen Garten.

Bildercredit: Pierre Monetta

Der langjährige Küchenchef Vincent Maillard, der schon die Geschicke des Spoon leitete, überzeugte uns mit handwerklich nahezu tadellosen Kreationen, die meist bewusst reduziert und rustikal angelegt sind, bisweilen aber durch ihre Vielschichtigkeit überraschen, so etwa beim Wolfsbarsch. Und der Fokus auf eine würzige Mittelmeerküche funktioniert speziell an der französischen Riviera natürlich bestens, sowohl was die Produkte angeht, als auch was das Gefühl von Authentizität betrifft. (Notabene: Bei Fisch und Fleisch hatten wir lediglich halbe Portionen, da sonst nur einer dieser Gänge zu schaffen gewesen wäre.)

Der Service agierte bei unserem Besuch angenehm locker und trotz vollen Hauses flink und höchst professionell.

Fazit

Casual-Fine-Dining á la Ducasse: würzige Mittelmeerküche in lässig-eleganter Umgebung. Fühlt sich gut an und schmeckt einfach lecker.

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