Interviews  1.März 2016

Interview mit Marvin Böhm

Sternefresser: Erst einmal herzlichen Glückwunsch, Du hast heute den Deutschland-Entscheid zum Bocuse d’Or gewonnen! Erzähl uns kurz, wie Du den Wettbewerbstag erlebt hast – von den Vorbereitungen bis zum Ende?

Das ging heute Morgen alles sehr früh los, so gegen 5.30 Uhr. Hier auf dem Messestand haben wir dann angefangen, erst mal alles vorzubereiten, unsere Miniküche einzurichten, das Equipment, die Kochjacken usw.  Um 9 Uhr ging es offiziell los und wir waren gleich ab 9.10 Uhr dran. Natürlich waren wir auch ein wenig nervös, aber die Anspannung löst sich, sobald man mit dem Kochen richtig anfängt. Da kriegt man dann auch nicht mehr viel von dem Drumherum mit, sondern setzt nur noch das um, was man vorhat. Ansonsten guckt man halt auf die Zeit. Das wurde gegen Ende schon ein bisschen knapp, vor allem, weil man beim Bocuse d’Or ja zusätzlich zum Kochen noch die große Fleischplatte anrichten muss. Aber ich hoffe, es ging alles einigermaßen gut raus...

Augenscheinlich hat das gut funktioniert! Und wie lief der Wettbewerb hinter den Kulissen ab?

Wir konnten schon am Tag vorher unsere eigene kleine Küche einrichten. Das wurde dann alles genauestens kontrolliert und bis zum nächsten Tag versiegelt, damit keiner nochmal vorher rein kann, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder irgendwas heimlich vorzubereiten. Die Regularien sind schon recht strikt bei der Vorbereitung.

Für die beiden Gerichte wurden Euch drei Produkte vorgegeben, mit denen ihr alle kochen musstet: Stör, Lamm und Kaviar. Wie waren die Produkte und hat Dich die Qualität überzeugt?

Für das Fischgericht haben wir Zuchtstör und AKI Caviar verwenden müssen, für den Fleischgang gab es deutschen Lammrücken vom Züchter Baumann. Dazu jeweils zwei selbst kreierte Beilagen und eine Sauce. Die Hauptkomponenten wurden alle von der Metro gestellt. Das war sehr gute Qualität, da kann ich nicht meckern. Wir hätten auch alle anderen Produkte dort bestellen und zum Wettbewerb hin liefern lassen können, oder eben selbst mitbringen. Ich persönlich bringe meine Sachen am liebsten selber mit, denn dann weiß ich genau, was ich da habe. Dass hilft mir, das in den einzelnen Etappen, in denen ich koche, besser einzuteilen.

Was hast du daraus heute genau gekocht?

Als Fischgang einmal Stör, eher klassisch gehalten, gedämpft, mit Kartoffel, Ei und Zwiebel und einer Schinken Beurre Blanc. Das habe ich ein bisschen umgebastelt und noch etwas Kopfsalat und Mandel dazu genommen. Für das Fleischgericht hab ich den Lammrücken, Bries und Zunge mit Linsen, Blumenkohl und einem Perigord Trüffel Lamm Jus gemacht – und das war's.

Dein Küchenchef ist der Drei-Sterne-Koch Sven Elverfeld. Hat er Dich im Vorfeld des Wettbewerbs auch beraten?

Ich teste natürlich meine Ideen immer mit ihm, gebe ihm meine Gerichte zur Probe und er gibt mir Tipps und Ratschläge, was man noch besser machen könnte. Der Chef hat insgesamt zwar nicht viel Einfluss auf das, was ich dann hinterher mache, aber er probiert vorher auf jeden Fall alles und sagt mir ehrlich, was nicht so gut ist. Dann bastele ich weiter, versuche etwas Neues und optimier das Gericht so lange, bis ich es perfekt finde. 

Das hat gut funktioniert: 22 Köche in der Jury waren begeistert. Die eine Hälfte hat dein Fisch-, die andere Hälfte dein Fleischgericht verkostet – und Du warst mit Abstand der Sieger des heutigen Tages. Gibt es dennoch etwas, dass Du für den europäischen Entscheid in Budapest verbessern willst?

Das ist eine gute Frage. Erst mal werde ich die Küche anders gestalten und alles kleiner halten. In dieser kleinen Kochbox zu kochen, war schwieriger als gedacht und einfach sehr ungewohnt. Außerdem werde ich unbedingt mehr Geschirr mitnehmen. Davon hätte ich gut mehr gebrauchen können.

Wenn man auf so engem Raum und unter Zeitdruck kochen muss, spielt das Teamwork bestimmt eine besondere Rolle. Wie habt ihr Euch zu zweit organisiert in der Küche?

Also mit dem Hauptprodukt arbeitet immer derjenige, der teilnimmt. Der Commis arbeitet einem bei den Beilagen und beim Anrichten zu. Jeder hat da seinen Arbeitsplan. Die Vorbereitung und Abstimmung untereinander sind super wichtig, sonst steht man sich nur im Weg und verliert kostbare Zeit. Mein Commis war heute Hanna Kartenhaus, die arbeitet sonst in der Hotelpatisserie im Wolfsburger Ritz-Carlton. Das hat sehr gut funktioniert.

Keiner aus Deinem Aqua-Team – wieso das?

Das hat einfach vom Alter her sehr gut gepasst. Es gibt so eine Altersbeschränkung beim Wettbewerb, die fordert, dass der Commis unter 21 sein muss. Da hat sich im Aqua niemand gefunden – die sind alle zu alt dafür.

Was waren die größten Herausforderungen bei diesen Wettbewerb?

Auf jeden Fall die Logistik, man bekommt ja nur einen Kombi und vier Herdplatten gestellt. Da muss man von Brett bis Topf und Wärmebrücke alles einplanen, und da ist natürlich die Frage, was nimmt man mit in die kleine Küche. Wir hatten am Schluss echt zu viele Sachen dabei, die dann im Weg standen. Und auch der Zeitraum von der Zusage zum Wettbewerb bis zum Zeitpunkt des Wettbewerbs war sehr knapp, das waren so zwei Wochen, und da mussten wir zum Anrichten erst mal noch eine große Platte für den Fleischgang organisieren.

Was hat Dich diese Platte gekostet?

Im Vergleich zu anderen Dingen war die noch relativ günstig, so 500 Euro.

Und das hast Du privat bezahlt?

Ja, für die erste Runde kauft man die Sachen selbst, aber für das Europa-Finale bekomme ich jetzt wohl einen Gutschein für eine große Platte von einem Sponsoren gestellt.

Ist sonst etwas passiert, das so nicht geplant war oder ist dir etwas misslungen?

Nein, eigentlich nicht. Am Ende war der Kühlschrank sehr eng und mein Commis hat sich noch geschnitten – aber das hatte nicht so große Auswirkungen. Sie hat tapfer durchgehalten.

Du bist ja schon durchaus wettbewerberfahren, hast u.a. schon mit 24 den ‚Junge Wilde’-Wettbewerb 2013 gewonnen. Hat Dir das heute Vorteile gebracht?

Das stimmt, ich habe schon in der Ausbildung angefangen, auch an Wettbewerben und ein paar Meisterschaften teilzunehmen. Natürlich wird man dadurch einfach routinierter im Aufbau und in dem logistischen Aufteilen des Kochens, etwa wann man mit welchem Schritt anfängt und wie man alles zeitlich optimiert. Das ist eigentlich alles mehr Vorbereitung und Organisation als Kochen, was man da macht. Insofern bin ich darin erfahren, was natürlich sehr hilfreich ist.

Also ist die zeitliche Optimierung dann eigentlich größte Herausforderung?

Ja, ich schaue bei Wettbewerben immer, dass ich eine Stunde vor Ende fertig bin. Es kann immer etwas schief oder kaputt gehen, und da ist so eine extra Stunde Luft immer ganz gut.

Wie viel Zeit hattest du diesmal übrig?

Definitiv weniger. Das Essen war zwar in der Zeit im Großen und Ganzen fertig, aber das Anrichten der Fleischplatte kostet zum Ende hin nochmals ordentlich Zeit.

Hast du bei solchen Wettbewerben denn trotzdem noch Lampenfieber?

Ja, kurz vor dem Wettbewerb ist da auf jeden Fall Anspannung, aber wenn man dann so 10, 20 Minuten drin ist, dann löst sich das und man kocht einfach nur noch.

Zwischen den anderen Teilnehmerländern, gerade den USA, Skandinavien oder Frankreich und den Deutschen gibt es immense Unterschiede, was die Vorbereitung, Unterstützung und Möglichkeiten zum Bocuse D’or anbelangt. Wie siehst du das?

Ja, also viele sind logistisch auf jeden Fall fünf Schritte weiter als wir. Deshalb schauen wir jetzt auch, wie wir das für uns verbessern können, da eben die Logistik die größte Herausforderung ist. Die Skandinavier zum Beispiel fahren quasi mit einem kleinen Wagen rein in die Küche und sind fertig mit dem Aufbau.

Sven Elverfeld hat gesagt, dass er dich für Budapest nach Kräften unterstützt. Weißt du schon, was Dich dort, auch bezüglich der Produkte, erwarten wird?

Noch nicht besonders viel, aber das kommt ja jetzt erst alles. Ansonsten ist Stör wohl wieder angesagt und Hirschrücken und –keule, glaube ich.

Fallen Dir dazu sofort Dinge ein, die Du kochen könntest und wie viele Anläufe brauchst Du ungefähr, bis Dir und auch Sven das Wettbewerbsgericht gefällt?

Klar, da habe ich auf jeden Fall sofort Ideen, aber das muss man erst mal ausprobieren. Manchmal hat man Glück und der erste Anlauf funktioniert, aber meist braucht man mehrere Anläufe, bis das herauskommt, was man sich vorgestellt hat. Manchmal schafft man es auch erst auf den letzten Drücker. Das wird sich zeigen, ist immer ganz unterschiedlich.

Wirst du jetzt – wie in anderen Ländern oftmals üblich – für die Zeit bis zum Wettbewerb vom Aqua freigestellt, damit Du Dich intensiv vorbereiten kannst oder läuft das einfach nebenbei weiter?

Nein, die Vorbereitung zum Wettbewerb läuft nebenbei. Aber ich habe natürlich vorher gefragt, ob der Chef damit einverstanden ist, dass ich da mitmache, weil natürlich das Drei-Sterne-Restaurant vorgeht. Das steht immer im Vordergrund und ich mache mein Zeug dann eher so nebenher.

Vielen Dank, Marvin, wir drücken Dir weiterhin die Daumen!

 

Fotocredits: Sternefresser.de und Bocuse d’Or Germany 2016 / Jörg Eberl

Sven Elverfeld über seinen Junior Sous Chef Marvin Böhm:

"Ich bin natürlich sehr stolz auf Marvin! Er ist ein sehr ruhiger, ausgeglichener Mensch und ein zielstrebiges Kochtalent, der sehr fleißig für den Bocuse d’Or trainiert hat. Er arbeitete 4 Jahre bei mir, ging dann auf die Hotelfachschule nach Heidelberg. Im Spätsommer 2015 trat Marvin, der in der Wolfsburger Region seine Wurzeln hat, als Junior Sous Chef seine Arbeit im aqua-Team wieder an. Für Budapest werde ich ihn nach Kräften unterstützen!"

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