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Restaurantkritik  4.Juli 2018

Überraschung in Eindhoven

Mit unseren Fresstouren ist das immer so eine Sache. Die wichtigen Stationen sind als Anlass der Reisen meist schnell ausgewählt und gebucht. Schwieriger wird es bei den Restaurants für "Zwischendurch", denn auch wenn abends ein berühmter Zwei- oder Dreisterner ansteht müssen wir ja mittags etwas essen, um nicht vom Fleisch zu fallen. Und da ist die Auswahl oft ein Glücksspiel, weil es bei vielen Lokalen nur wenig qualitative Anhaltspunkte gibt – selbst ein Stern garantiert nicht automatisch ein tolles Erlebnis.

So hatte auch das Zarzo in Eindhoven unser Interesse vor allem deshalb geweckt, weil Inhaber und Küchenchef Adrian Zarzo aus der Kaderschmiede von Jonnie Boer stammt. Dass er im De Librije von der Küche auf den Posten des Sommeliers gewechselt hatte, machte die Sache umso spannender. Nach einer weiteren Station als Chefsommelier im zweifach besternten Ivy in Rotterdam eröffnete er 2013 sein eigenes Restaurant. Es liegt in der Eindhovener Innenstadt, in hübscher Lage direkt am Ufer der Dommel, einem schmalen Nebenfluss der Maas. Von außen wirkt das Gebäude eher unscheinbar – umso erstaunter sind wir über das geschmackvoll-durchgestylte Interieur zwischen Industrial Look und Designklassik. Beton, Holz, und gekonnt gesetzte Lichtpunkte geben dem Raum eine urbane Atmosphäre. Erstaunt sind wir auch über die sündhaft günstigen Preise (6 Gänge für 83 Euro!) und die unfassbare geile Weinkarte mit über 1300 Positionen zu fairen Preisen. Wir beschränken uns angesichts des Abendprogramms auf 5 Gänge für 67 Euro und zwei Flaschen weißen Burgunder. Los geht's...

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Zum Aperitif gibt es zwei Reminiszenzen an die spanischen Wurzeln des Chefs. Die Churros mit Meerrettich und Parmesan (in der Vase) sind sehr kross, schön würzig und wirken durch den Schnittlauch angenehm leicht. Die Pralinen aus Tomate, Aubergine und Kreuzkümmel bringen Frische, schmelzige Vollmundigkeit und sanft orientalische Würze an den Gaumen. Beides sehr schön.

Es bleibt mediterran. Die nächsten Kleinigkeiten bestehen aus Schalotten in Escabeche mit Rosmarin sowie aus einem Chip von Aal, Muskatnuss und Anchovis. Die gebeizten Schalotten schmelzen förmlich am Gaumen und haben durch die Escabeche einen tiefen, würzigen Geschmack. Noch besser wird es, wenn man den kraftvollen Chip dazu isst, da er neben krosser Textur auch das für Escabeche typische Meeresaroma mitbringt.

Beim Amuse wird es experimentell: In einen Coffee-to-Go-Becher finden sich Sauerkraut, Speck und Kaffee – eine Art Cappuccino aus Kaffee und Sauerkrautschaum, obenauf krosser Speck. Das klingt äußerst schräg, schmeckt aber sensationell. Der säuerliche Schaum und die dunklen Bitternoten vom Kaffee greifen so gut ineinander, dass wir uns fragen, wieso wir diese Kombi noch nie hatten. Große Klasse.

Nun startet das Menü mit Toro, Olive und Feta. Der feine Eigengeschmack des fetten Thunfischbauchs steht hier ganz im Mittelpunkt. Die griechische Kombination von Feta und Olive dient vor allem als unterstützende Würze, die den Fisch nach vorne bringt und zugleich immer wieder blitzartige Akzente setzt. Ein sehr eleganter, puristischer Auftakt.

Die Kreation aus Meeräsche, Kaviar und Eigelb ist dann zwar ebenfalls von großer Eleganz, aber auch eine echte Geschmacksbombe. Die aromatische Äsche mit ihrem saftigen, jodigen, etwas öligen Aroma passt wunderbar zur salzigen Jodigkeit des Kaviars. Gebändigt wird das Duo vom Eigelb (als Crème und Emulsion), das zugleich als Geschmacksverstärker fungiert. Ein großartiger Dreiklang.

Puristisch kommt die Langoustine mit Gurke und Speck daher. Der fleischige Brummer ist von einer dünnen Scheibe Lardo bedeckt und sitzt in einem Gurkensud; dazu gibt es lediglich eine Art Tomatentapenade. Und mehr ist auch gar nicht nötig, um das exzellente Krustentier in Szene zu setzen. Es schmeckt frisch und leicht, hat einen Hauch Fettschmelz und knackige Gurkenstückchen. Wunderbar.

Der erste Fleischgang besteht aus Taube, Bleu de Regalis und violettem Senf. Hier stutzen wir zunächst: Taube und Blauschimmelkäse? Das soll gehen? Aber oh-la-la, und wie das geht! Der Bleu de Regalis kommt aus den Pyrenäen und wird aus Schafsmilch hergestellt. Er ist er cremig, geschmacklich erinnert er an Roquefort. Er ist kräftig, fast streng, aber in Verbindung mit dem typischen, ein wenig an Wild erinnernden Taubengeschmack entsteht ein hochspannendes Geschmacksbild. Der Senf harmonisiert das Ganze mit seinen fruchtig-scharfen Noten, die Linsen bringen Substanz. Ungewöhnlich, stimmig und köstlich.

Da kann der Schweinebauch mit Kaviar und Mandeln nicht mithalten. Das Fleisch ist zwar herrlich weich und von gutem Fett durchzogen. Aber es fehlt uns Kruste, und in Summe bleibt das Ganze etwas eindimensional – trotz der Kombination mit Kaviar. Dennoch ein ordentliches Gericht, und ein neuerliches Beispiel, dass rustikale Zubereitungen durchaus ihren Platz in der Spitzenküche haben. 

Beim finalen Hauptgang, dem Wagyu mit Artischocke und Trüffel, müssen wir nicht viele Worte machen: Exzellentes Fleisch, saftige Artischockenstücke, duftiger Trüffel, dazu eine glänzende Sauce – das passt immer und schmeckt auch hier ganz hervorragend.

Das erste Dessert besteht aus Vanille, Speck, Brombeeren und Rotwein. Der Star ist hier ganz klar die süßliche-herbe Rotweinsauce mit ihrem dichten, vollen Geschmack. Zu den dicken Brombeeren passt das sowieso, aber auch in Verbindung mit dem luftig-leichten Vanille-Halbgefrorenen kommt der kraftvolle Jus bestens zur Geltung. Dazwischen ein paar kross aufgepuffte Speckstücke (Speck scheint eine Lieblingszutat der Küchenteams zu sein), die Spannung bringen sollen, die wir aber nicht wirklich gebraucht hätten.

Noch besser ist das zweite Dessert, der "eigene Käsekuchen": In einer Schüssel befinden sich die Zutaten – eine wie Mehl aussehende Quarkmasse, Vanillecrème in Form eines Eigelbs sowie Himbeeren. Das alles soll man selbst zu einem Teig verrühren. Und tatsächlich verbinden sich die Komponenten zu einer teigartigen Crème, die exakt so schmeckt wie ein sensationell guter Käsekuchen, nur leichter und erfrischender. Neu ist die Idee zwar nicht (wir erlebten etwas Ähnliches im Freustil), aber dennoch spielerisch-originell, und vor allem schmeckt es exzellent. 

Was für eine Entdeckung! Das Zarzo hat uns nicht weniger als begeistert – ach, was sagen wir: Das Essen dort hat uns mehr begeistert als in so manchem höher bewerteten Restaurant! Die Gerichte sind nicht unbedingt ein Ausbund an Komplexität – aber sie sind ungemein köstlich und machen in ihrer schlüssigen Komposition enorme Freude. Hier und da hätte es vielleicht noch ein bisschen mehr Pep sein dürfen (etwa beim Schweinebauch), aber kein einziger Gang war nicht lecker, die allermeisten sogar so gut, dass wir fast nachgeordert hätten. 

Hinzu kommen ein lässiges Ambiente und vor allem eine Preisgestaltung, die bei uns die Frage aufwirft, weshalb so etwas in Deutschland nicht funktionieren soll, wo ein nahezu identisches Lohnniveau herrscht. Auch die fair kalkulierte Weinkarte lässt so manchen (internationalen) Dreisterner blass aussehen. Und das Konzept scheint Adrian Zarzo recht zu geben: Inzwischen hat er drei weitere Lokale eröffnet, das Sun by Zarzo, die Bodega by Zarzo und das Valenzia.

Und wir? Verließen Eindhoven mit der schönen Gewissheit, dass auch bei akribisch geplanten Fresstouren die unerwarteten Lokale manchmal die schönsten sind.

FAZIT

Tolle Küche, tolle Weine – und tolle Preise. Das Zarzo ist unser Geheimtipp in Eindhoven!

Text: Kai Mihm

Wein

Die Weinauswahl im Restaurant Zarzo in Eindhoven

Fragen an den Suffmeister (a.k.a. Sommelier) Ruben Kwakman

1. Anzahl der Positionen
Aktuell haben wir 1320 Weine auf der Karte, wobei wir weiter wachsen.

2. Haben Sie einen besonderen Fokus bezüglich der Weinkarte?
Spanien wird immer wichtig im Zarzo sein, weil Adrian dort geboren ist und wir viele mediterrane Einflüsse in unserer Küche haben. Außerdem das Burgund, weil das ganze Sommelier-Team die Region liebt. Aktuell arbeiten wir an einer "kompletten" Weinkarte. 

3. Welche ist Ihre preiswerteste/teuerste Flasche?
Der preiswerteste: Ot Vi Blanc de Terrer 2017 von Vins el Cep aus dem Penedès für 30 Euro.
Die teuerste: Romaneé-Conti, GC Monopole 2014 von der Domaine de la Romanée Conti aus dem Burgund für 9850 Euro.

4. Die ungewöhnlichste Rarität? 
Schwer zu sagen, da wir so viele spezielle Weine haben. Vielleicht der Oloroso Almancenista aus den Jahren 1930 und 1918 von Lustau, die wir sogar glasweise anbieten.

5. Welches ist Ihr meistverkaufter Wein der letzten 12 Monate?
Das ist der Cava Brut Reserva 2014 von Marques de Gelida. Mit Maite Esteve, der Managerin des Weinguts, verbindet uns eine enge Freundschaft, außerdem waren wir die ersten, die ihre Weine in den Niederlanden führten.

6. Ihre Entdeckung der letzten 12 Monate?
Wir haben einige Flaschen 2004er Riesling von Willi Schaefer an der Mosel gefunden, die grandios sind und die wir sehr gerne und häufig in der Weinbegleitung einsetzen.

7. Ihr Lieblingswein?
Meine persönlichen Favoriten sind 2000 Sancerre Culs de Beaujeu von F. Cotat, 2009 Meursault Perrieres von Roulot, 1977 Tondonia 6 años blanco von Viña Tondonia, 2011 NSG 1er Cru Aux Thorey von S.Cathiard und 2013 Tumba del Rey Moro von Comando G, um nur einige zu nennen. 

8. Der ausgefallenste (vinophile) Gästewunsch, mit dem Sie konfrontiert wurden?   
Wir bekommen immer mehr Anfragen von internationalen Gästen, die geschlossene Flaschen von unserer Karte kaufen wollen. Wir wollen allerdings nicht, dass sie anderswo teurer verkauft werden – ein unschöne Entwicklung der letzten Jahre. 

Eure Meinung?

Spontan ins Spitzenrestaurant – macht Ihr sowas?

 

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