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Restaurantkritik 22.Oktober 2018

Zwischen Orient und Okzident

Auf unserer letzten Hamburgreise führt uns der finale Stopp nach Eppendorf. Genauer gesagt ins Restaurant Piment. Bevor wir weitererzählen, müssen wir ein Geständnis ablegen: Wir waren noch nie hier. Nicht unbdingt peinlich, aber unverständlich. Schließlich verteidigt der gebürtige Marokkaner Wahabi Nouri seit bald 20 Jahren seinen Michelinstern, wurde zwischenzeitlich vom Gault & Millau zum Koch des Jahres gekürt und hält aktuell 17 Punkte. Diese Informationen hätten eigentlich ausreichen müssen, um hier einzukehren. Doch da ist noch viel mehr, was den längst überfälligen Besuch rechtfertigt: Nouri hat zu Beginn der 1990er-Jahre unter anderem bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube und bei Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann in dessen Aubergine gekocht. Da einige der Gründe nun dar- und das Geständnis ebenfalls abgelegt wurde, können wir uns beruhigt dem Dinner widmen.

Als uns das Taxi im schmucken Eppendorf zwischen wunderbaren Altbauten absetzt und wir die letzten Meter zum Restaurant laufen, sind wir bei der sich öffnenden Sicht ins Piment positiv überrascht. Der Laden ist knallvoll. Unser Tisch gleich neben dem Eingang erlaubt uns eine gute Sicht auf das wuselige Treiben im charmanten Lokal, dessen Atmosphäre uns auf positive Art und Weise an ein Pariser Bistro erinnert. Der Lautstärkepegel ist hoch, aber nicht unangenehm. Die Gäste sitzen teilweise dicht an dicht, sind offensichtlich super gelaunt und in lebhafte Gespräche verwickelt. Nur zwei Kellner (!), die Gebrüder Khabbaz, kümmern sich um das Wohl von fast 40 hungrigen Menschen, und wir fragen uns kurz, ob das gutgehen kann. Trotz des üppigen Lunchs im Lakeside (Bericht folgt) sind wir wieder hungrig und bereit loszulegen. Kaum gedacht, da folgt auch schon die kulinarische Eröffnung zum Palm d´or Brut Rosé von Nicolas Feuillatte.

Wir starten mit zwei kleinen, luftigen Mini-Flammkuchen. Knusprig und herzhaft. Genau das Richtige zum Champagner.

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Grand Vintage 2009

Des Kellermeisters persönliche und freie Interpretation der einzigartigen Qualität der Trauben.

Sobald das Haus einen Jahrgangschampagner freigibt, wird er Teil der Moët & Chandon Grand Vintage Collection. Als eine der weltweit größten und renommiertesten Sammlungen von Jahrgangschampagnern verkörpert die Grand Vintage Collection Savoir-Faire und Wein-Know-how in höchster Vollendung. Ein Moët & Chandon Grand Vintage drückt ein außergewöhnliches Jahr in der Champagne aus, wie der Grand Vintage 2009, geprägt von einem gesamtheitlichen vollendeten Geschmack, zugleich generös und lebhaft.

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Als Amuse-Bouche schickt Nouri eine Süßkartoffel mit Avocado, Borretsch und Mais. Die Kartoffel kommt eingelegt sowie als Eis auf den Teller und zeigt ein gänzlich anderes Geschmacksspektrum, als man dieser Knolle sonst zuschreibt. Sie harmoniert prächtig mit der samtigen Avocado, der nach Gurke schmeckenden Borretsch-Crème und dem scharf angegrillten Mais, der diesen Gruß aus der Küche mit seinen Rauchnoten geschmacklich toll abrundet. Sehr ungewöhnlich.

Nun startet der offizielle Teil des Abends mit Languste und Zitrone. Der Edelkrebs kommt als Tatar sowie gebacken auf den Teller und wird von einem Zitronen-Granité, Sauerkraut und Apfel begleitet. Wir befürchten bei der Annoncierung, dass die delikate maritime Süße des Granats von den kräftigen und sauren Begleitern erschlagen werden wird. Ein Trugschluss, wie sich schnell zeigt. Der Meeresbewohner ist üppig portioniert und dadurch schon mengenmäßig im Vorteil. Die weiteren Komponenten werden mit höchster Sorgfalt und Bedacht eingesetzt, so dass sich zwar ein sehr säurebetontes Gesamtbild ergibt, das jedoch fein austariert ist und jedem Element seinen verdienten Platz einräumt. 

Weiter geht's mit einer Foie-gras-Terrine, die mit Tajine-Eis, Schalotten, Oliven und Mandel-Perlen getoppt ist. Ja, wir wiederholen es gebetsmühlenartig, aber nach so vielen Jahren des Fressens schaffen es nur noch die allerwenigstens kalten Lebergerichte, uns zu begeistern. Wenn sie es dann tun, dann meist, weil sie nicht im klassischen Schema "Leber mit süßer Frucht" zu verorten sind. So wie diese Kreation. Die Terrine an sich zeugt vom hohen Qualitätsbewusstsein des Chefs – das ihm sicher bei seinen Stationen in der Schwarzwaldstube und in der Aubergine eingeimpft wurde – ist sehr fein gearbeitet und zeigt einen Standard, den wir heute so nur noch sehr selten vorgesetzt bekommen. Sehr spannend dazu ist das Tajine-Eis (Eis scheint sowieso eine sehr beliebte Komponente im Piment zu sein), das aus der Sauce des Eintopfs gearbeitet wird und das nicht nur die typisch orientalischen Aromen beisteuert, sondern es auch schafft, eine gewisse Rauchigkeit einzufangen, die dem Gericht eine zusätzliche Komplexität verleiht. Diese wird durch die süßliche, dezente Schärfe der Schalotten, die Bitterkeit der Oliven sowie die kühle Nussigkeit der Mandeln weiter verstärkt. Ein in sich schlüssiger Teller, der es schafft zu überraschen und dazu noch wunderbar schmeckt.

Es folgt der Frühling in Form eines weißen Tomatenschaums mit Chakchouka und fermentiertem Knoblaucheis (schon wieder Eis, sind wir geneigt zu sagen). Hier kommt nun zum ersten Mal die nordafrikanische Herkunft des Chefs im gesamten Gericht zum Vorschein. Vor allem natürlich das Chakchouka - ein vermutlich aus dem Maghreb stammendes Sammelsurium aus Eiern, Tomaten, Chilis, Zwiebeln und Gewürzen - transportiert die Aromen seiner Heimat ins trüb-nasse Hamburg. Nouris Version dieses in Israel als Frühstück sehr beliebten Gerichts ist hochelegant umgesetzt und geprägt von einer feinen Würze. Der Knoblauch bringt zusätzlich etwas Süße ins Spiel; der Tomatenschaum ist von einer belebenden Säure geprägt und rundet diesen Gang damit optimal ab. Eine im Kontext des Fine Dining im ersten Augenblick sehr ungewöhnlich anmutende Zusammenstellung, die bei uns aber mal so richtig punkten kann. Denn in seiner Essenz ist dieser Teller eine gelungene Deklination der Tomate, die mit den delikaten Aromen Nordafrikas gepimpt wurde.

Im Vorfeld unseres Besuchs hatten wir natürlich spekuliert und gehofft, dass uns im Piment mal ein richtig guter und – Achtung – "authentischer" Couscous aufgetischt wird. Genau das passiert jetzt beim marokkanischen Couscous mit Safranglace, Spitzkohl und Orangenblütenschaum. Was so harmlos aussieht, entpuppt sich als absoluter Volltreffer. Luftig-fluffig ist der gedämpfte Gries unter dem Spitzkohl, weich, aber immer noch mit Biss. Als Leser könnte man sicher den Eindruck gewinnen, dass man das mal eben so daheim nachmachen kann. Seid versichert, sowas bekommt man erst durch jahrelange Übung hin, so verdammt gut ist das. Und dabei ist es einfach "nur" Gries! Doch der kommt natürlich nicht allein. Die angenehm zurückhaltende Safranglace bezirzt unsere Gaumen mit diesem unbeschreiblichen Aroma, das so perfekt zum Couscous passt wie der intensive, jede Papille kitzelnde Schaum von Orangenblüten. Frisch und belebend ist das und zaubert uns ein fettes Grinsen aufs Gesicht. Wir fangen an, uns heftig zuzunicken, als ob wir an einem Metal-Konzert wären, und befinden stillschweigend aber einstimmig, dass es das beste Couscous ist, das uns jemals vorgesetzt wurde.

Da können die geflämmten Langustinos mit Reiscrème, Krustentiersud, einer Variation vom Topinambur und Vanille-Chili-Gel nicht mithalten. Zwar sind die einzelnen Komponenten qualitativ in Ordnung und auch gut gearbeitet, jedoch ist der Gesamteindruck hier viel zu süß. Da bereits der Hauptdarsteller, der Kaisergranat, über eine nicht zu unterschätzende natürliche Süße verfügt, ist die Einfassung für uns schlicht falsch gewählt. Reis, Sud, Jerusalem-Artischocke, Vanille: allesamt Produkte, die eher nicht in der herzhaften und/oder frischen Ecke anzusiedeln sind. Doch genau das bräuchte es hier eigentlich. Denn so ergibt sich ein liebliches Einerlei, dem lediglich etwas Chili und die Röstaromen des Meeresbewohners entgegengestellt werden. Das reicht leider bei weitem nicht aus, um etwas dringend benötigte Balance auf den Teller zu bringen. Schade.

Als Hauptgang serviert Nouri eine Étouffée-Taube mit B'stilla von der Keule und Innereien, Madeira und Langpfefferjus. Auf absolut wunderbarste Weise zeigt sich bei diesem Gericht die Verschmelzung von französischer Klassik mit Nouris Heimatküche. Die blutrote Taubenbrust ist natürlich perfekt gebraten, das leicht wilde Aroma des Vogels wird durch die modern interpretierte B'stilla (eine Art herzhafter Fleischkuchen, ähnlich der spanischen Pastilla oder dem englischen Pie) zusätzlich verstärkt. Dazu gibt's eine betörend tiefe Jus, die durch den Einsatz des Langpfeffers einen tollen, belebenden Kick bekommt und durch die Süße des Madeira zusätzlich an Struktur und Komplexität gewinnt. Hier müssen wir ohne weitere Analyse nur noch eines konstatieren: großartig!

Ohne Pré-Dessert geht's direkt mit der einzigen Süßspeise Holunderschaum mit Limonenblättereis, Nashi-Birne, Zitronengras und Quark weiter. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob es vielleicht an unserem zugegebenermaßen nicht mehr ganz taufrischen Zustand liegt, doch wir vermissen bei dieser Komposition das letzte Quäntchen, das "je ne sais quoi". Alles wirkt etwas gedämpft - bei kräftigen Aromen wie Holunder, Limonenblatt oder Zitronengras eher ungewöhnlich. Wir löffeln den Teller zwar beschwingt leer, doch so richtig zu begeistern vermag uns dieses Dessert dennoch nicht.

Eine übersichtliche Auswahl von Petits Fours beschließt unser Mahl im Piment.

Unser Hoffnungen wurden erfüllt, die Erwartungen sogar übertroffen. Wahabi Nouris (links) klassische Wurzeln sind unverkennbar, und seine früheren Jobs bei den großen Meistern meint man regelrecht schmecken zu können. Dazu webt er die Geschmäcker Nordafrikas immer wieder geschickt in seine Gerichte ein - mal etwas mehr im Vordergrund, mal etwas subtiler und eher ergänzend und unterstützend. Dazu schreckt er auch vor modernen Techniken nicht zurück und weiß mit diesen umzugehen. Der Einsatz von allerlei verschiedenem Eis heute ist vielleicht etwas zu stark ausgereizt worden, geschmeckt haben die kalten Nocken jedoch in jedem Fall. Insgesamt war das alles sehr rund, teilweise sehr anders und dennoch vertraut. Vor allem aber war es ein exzellentes Mahl.

Einen großen Beitrag zum spaßigen Abend in Eppendorf leisten die Brüder Khabbazim (2.v.l., hintereinander) im Service. Trotz vollgepacktem Haus keine Spur von Stress, immer ein Lächeln auf den Lippen und genügend Zeit am Gast. Das war wirklich beeindruckend. Wir verlassen das Piment bei allerbester Laune und denken in diesem Moment bereits, dass uns dieses exzellente Dinner sicher noch ein wenig begleiten wird. 

FAZIT

Klassik trifft Moderne. Orient trifft Okzident. Im Piment kombiniert Wahabi Nouri das Beste aus mehreren kulinarischen Welten zu einem eigenständigen Ganzen. Das alles in lebhaft-lockerer Atmosphäre. 

Weine

Die Weinauswahl im Restaurant Piment in Eppendorf

2005 Palm d´or Brut Rosé, Nicolas Feuillatte, Champagne 

2016 Sauvignon Blanc, Spice Route, Paarl, Südafrika

2015 Gewürztraminer Auslese "Jeschtinger Eichert", Franz Keller, Kaiserstuhl

2015 Silvaner "Nature", Weingut Odinstal, Pfalz

2016 Riesling Ungeheuer GG, Weingut Von Winning, Pfalz

2014 Chardonnay "R" Rosengarten, Stefan Meyer, Pfalz

2015 Faiveley Mercurey "La Framboisiere", Burgund

Grahams fine White Port Douro

Botucal Rum Venezuela

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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