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Restaurantkritik 30.April 2018

Wolf im Shop-Pelz

Einach mal spontan rausgehen, ein bisschen bummeln, einkaufen und dann noch etwas Gutes essen. So stellt man sich das gerne vor. Mit dem Shoppen klappt es auch meistens ganz gut – vor allem wenn die Damen dabei sind. Nur das gute Essen stellt uns oft vor größere Herausforderungen, denn auf wundersame Weise scheinen sich tolle Geschäfte und ordentliche Restaurants gegenseitig auszuschließen.

In Mannheim ist man da ein Stück weiter: Seit einigen Jahren beherbergt das edle Modekaufhaus Engelhorn das hervorragende, zweifach besternte Opus V (und seit neuestem auch das einfach besternte Corange). Und im schicken neuen Einkaufszentrum "Stadtquartier Q 6 Q 7" findet sich seit Ende 2016 das "Emma Wolf". Wobei das mit dem "Finden" so eine Sache ist: Wir irren eine Weile durch die Hallen der Mall, die bei allem Style so nüchtern-kühl wirkt, wie ihr Name. Schließlich kommen wir auf die glorreiche Idee, einfach mal nachzufragen.

Im Tiefgeschoss von "Q 7" ist das Emma Wolf in einer Art Licht-Innenhof platziert. Der bildet das Zentrum eines "Food-Courts", zu dem noch eine Stullenbude, ein Streetfood-Imbiss und ein Asia-Imbiss gehören. Sieht alles überraschend ordentlich und durchaus einladend aus. Gegenüber sind die Shops von Le Creuset und Milka sowie ein passabler Weinhändler. Passt.

Das Emma Wolf mischt in Sachen Gestaltung einen urbanen "Industrial-"-Look mit einem leicht nostalgisch anmutenden Bistro-Stil: So ist die altmodisch-schmiedeeisern gerahmte Glasfront mit coolem Maschendraht hinterlegt, im Innern treffen braune Lederbänke und klassische Bistromöbel auf Industrielampen und offenes Rohrwerk. Die Küche und der Gastraum sind nahezu gleich groß bzw. klein und lediglich durch eine Theke voneinander getrennt. Es ist eng, brechend voll (wir kehren mittags ein) und die Stimmung ist prima. Wir fühlen uns eher wie in einem Stadtteilbistro im hippen Pariser 10ème, als im Keller des Mannheimer Quadrat 7. Das gefällt uns alles ziemlich gut.

Küchenchef Dennis Maier war vorher für die Geschicke in Juan Amadors Frankfurter 'Sra Bua'-Filiale verantwortlich. Auch im Emma Wolf (benannt übrigens nach seiner Großmutter) erkochte er prompt einen Stern. Schauen und schmecken wir also mal...

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Als ersten Snack gibt es confierten Drilling mit Kochkäsecreme, Belper Knolle und roh gehobelten Champignons. Ein wohliger Start, mit buttrig confierter, aromatischer Kartoffel, leichter Schärfe vom Belper-Käse und etwas Umami von dem Pilzen. Sehr gut.

Das Amuse fällt schon komplexer aus: Sellerie aus dem Salzteig mit Sellerie-Crème, glasiertem Apfel, Rotkohlpulver und Maronenschaum. Die herbstlichen Aromen von der Marone und die leicht süßliche Erdigkeit vom Sellerie werden durch den Apfel mit seiner Frucht und Säure sehr stimmig aufgefrischt. Es schmeckt dicht, aber trotzdem leicht. Einzig das penetrante Trüffelöl hätte man sich sparen können.

Das eigentliche 5-Gang-Menü (bei dem wir im Zweierteam mehrmals unterschiedliche Gerichte haben) startet mit gebeiztem Saibling aus Norwegen, Isigny Crème fraiche, eingelegter rote Bete, Feldsalat, Meerrettich und Sud aus gerösteten Kartoffelschalen. So ein produktfokussierter Teller steht und fällt mit der Qualität des Fisch und der Könnerschaft beim Beizen. Beides passt hier prima. Der Fisch hat tollen Schmelz, trotzdem aber etwas Biss und vor allem ein feine Aromatik, bei der die Beize den Eigengeschmack nicht übertönt. Der Meerrettich setzt dazu ein paar dezente Schärfeakzente, und die erdig-süße-feinsäuerliche rote Bete liegt zwar obenauf, dient geschmacklich aber eher zur Grundierung. Besondere Erwähnung verdient der Bratkartoffelschalensud, der herrliche Röstnoten an den feinen Fisch bringt. Wir hätten nicht gedacht, dass in diesem relativ unscheinbar aussehenden Gericht so viel Freude steckt.

Weiter geht's mit Tatar vom Simmentaler Rind mit getrocknetem Eigelb, Dashi-Radieschen, Anchovi-Mayonaise, Essiggurkenwasser-Gel und Pombär-Chip. Auch auf diesem Teller gibt es einen klaren Hauptdarsteller, nämlich ein hervorragend gewürztes Tatar. Die diversen Beigaben haben keine andere Funktion, als den Star noch weiter nach vorne zu bringen – mit Säure, einem Hauch Exotik sowie ein paar Texturspielen zwischen Knusper und Crèmigkeit. Unser Kritikpunkt ist allerdings die schiere Menge des Tatars: Die kühle Umami-Fülle wird uns nach der Hälfte schon zu viel – gerade auch, weil der Fokus so stark auf dem Fleisch liegt. Etwas weniger vom Gewolften und fertig wäre ein mustergültiger Bistronomie-Teller.

Als nächstes kommt eine Schale mit dampfend heißem Miesmuschel-Ragout und Safran auf den Tisch – und allein schon der Duft von Meeresfrüchten und Gewürzen ist betörend! Die Muscheln haben eine regelrecht fleischige Dichte, der Fond eine geschmackliche Tiefe, die auf eine Menge Arbeit schließen lässt. Hier zeigt sich Maiers Handwerksschule bei den großen Meistern. Im Ragout schwimmen außerdem Cavatelli und kleine Stücke von Calamaretti – Pasta, Meeresfrüchte, Fischbouillon, Safran: Die Mittelmeerküste ist in Mannheim auf einmal ganz nah... Oder anders gesagt: Dies ist ein Gang aus der "einfach schweinelecker"-Abteilung – was wir hier unbedingt als Ausdruck der Begeisterung verstanden wissen wollen!

Als Veggie-Gang gibt es Topinambur mit Schwarzwurzel und Petersilie. Das sieht sehr nach New-Nordic aus. Die selten verwendete Schwarzwurzel passt mit ihrer Säuerlichkeit gut zur süßlichen, stets etwas an Artischocke erinnernden Topinambur. Die Kombi stimmt also; es gibt Knuspertextur, Cremigkeit und "grüne" Würze von der Petersilie. Kurzum: sehr ordentlicht. Aber es kann uns nicht so überzeugen, wie die vorherigen Gerichte.

Weit besser finden wir den ofengeschmorten Weisskohl mit gebratener Blutwurst vom Metzger Hambel, Sauerkrautsaft-Sud mit Senfkorn und Majoran-Mayonaise. Einen größeren Kontrast zum vorherigen Gang können wir uns kaum vorstellen: Dieser Teller strotzt nur so von wuchtigen Aromenspendern. Umami, Säure und deftige Würzigkeit vermischen sich zu einem Wonneproppen von Speise, bei dem wir mit dem Weglöffeln nicht schnell genug gehen kann. Mehr müssen wir wohl nicht sagen.

Als Hauptgang gibt es gebratenen Zander mit eingelegtem Muskat-Kürbis, Creme vom Hokaido, Passionsfrucht-Mayonaise, Kürbis-Chip, gebratenen Rosenkohl-Blätter und Kokos-Kefir-Limonenblatt-Beurre blanc. Von der umfangreichen Beschreibung her mutet diese Kreation mit ihren diversen Komponenten wie eine Reminiszenz an heutige "Spitzenküche" an. Tatsächlich aber schmeckt das Ganze angenehm bodenständig, mit einen gewissen Pep, ganz wie die meisten anderen Gänge des Menüs. Der Zander ist saftig und hat eine krosse Haut; die Asia-Aromatik der Beurre-Blanc hält sich in wohltuenden Grenzen – sie erinnert vielmehr an eine nussige, süßsäuerliche Buttersauce. Sehr schön. Ein bisschen Passionsfrucht-Mayonaise für die Frische, etwas knackigen Kürbis als Gemüse. Sitzt, passt, schmeckt prima. Einzig die Rosenkohlblätter verbuchen wir als sinnfreien Zierrat.

Jetzt sind wir auf die Desserts gespannt. Zunächst erwartet uns ein Topfenknödel mit Aprikosencreme, Aprikosen-Sorbet, Quarkbutter-Creme und brauner Malto-Butter. Zumindest einer der Sternefresser ist ein Fan von süßen Dessertknödeln, egal ob aus Quark oder Gries. Und dieses Exemplar findet seine volle Zustimmung. Es ist fluffig und cremig, genau richtig süß und etwas säuerlich vom Quark. Umhüllt von krossen Bröseln, dazu die fruchtigen Aprikosenaromen sowie buttrige Crème für noch mehr Mundfülle – sehr gut!

Das war so gut, dass unser "Desserteur" gleich noch eine Süßspeise nachordert: "Filmreif" - Vanille-Zimt-Eis, Popcorn-Schaum, Popcorn-Pulver, Blaubeer-Lack, Blaubeer-Gel und weisse Schokoladensteine. Was man aus schnödem Popcorn alles machen kann! Der Star ist hier der Schaum - federleicht und doch voller Geschmack; für das typische Popcorn-Mundgefühl sorgt das Pulver. Auch das Eis schmeckt wie eine Essenz von Popcon-Aroma (zum Glück ist der Zimt zurückhaltend dosiert). Nicht zu vergessen die samtigen Schokoladensteine und vor allem die Blaubeeren (als Gel und Kompott), deren spezieller Geschmack wie gemacht ist für die Kombination mit gepufftem Mais. Alles greift schlüssig ineinander, unkompliziert und köstlich.

Dieser Ausflug ins Shopping-Center hat sich gelohnt. Nein, eigentlich greift dieser Bezugspunkt zu kurz, denn man kann und muss das Emma Wolf komplett unabhängig von seinem Standort betrachten – sitzt man einmal am Tisch, spielt die Umgebung ohnehin keine Rolle mehr. Und es lohnt sich einfach, hierherzukommen. Alles schmeckt unkompliziert und trotzdem raffiniert. Bei unseren insgesamt acht Gerichten gab es vielleicht zwei, die uns im Detail etwas weniger gut gefielen, aber es gab keinen einzigen echten Ausreißer nach unten. Lediglich die begleitenden Weine konnten uns selten erfreuen.

Im Grunde kultivieren Dennis Maier und sein Team einen Küchenstil, der vor einigen Jahren als "Bistronomie" die Gastroszene beflügelte: Sauber gekochte, wohlschmeckende Gerichte mit einer gewissen Raffinesse, zu moderaten Preisen. Dass so manches Restaurant inzwischen nur noch die fehlenden Tischdecken und die eher simplen Gerichte mit der "Bistronomie" gemein hat, während die Preise Richtung Spitzenküche tendieren, gehört zu den traurigen Begleiterscheinungen des Trends.

Umso schöner ist es, dass man sich im Emma Wolf auf die Tugenden und Vorzüge der Idee besinnt. Als wir das kleine Lokal verlassen fühlen wir uns gut – gut verköstigt, gut bedient, gut gelaunt. Da sieht das ganze Shoppingcenter gleich viel freundlicher aus und auch ohne die Sternefresserinnen dürfte es heute auch mit dem Shoppen noch klappen...

Fazit

 Lässige Atmosphäre, solide-raffiniertes Essen, faire Preise: So macht uns Bistronomie Spaß!

Weine

Weinauswahl im Restaurant Emma Wolf bei Dennis Maier

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

Eure Meinung?

Gibt es die viel gehypte Bistronomie noch?

 

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