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Interviews  2.Oktober 2018

Interview mit Christian Bau

Sternefresser: Glückwunsch, Christian! Du bist nach Heinz Winkler und Harald Wohlfahrt der dritte deutsche Spitzenkoch, dem die Ehre des Bundesverdienstkreuzes zuteil wird. Wann genau hast Du davon erfahren?
Christian Bau: Ich habe Anfang August einen Brief vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier erhalten. Dann habe ich den ungeöffneten Brief aber erstmal zur Seite gelegt, denn da ich dachte noch, ich soll eventuell auf dem nächsten Sommerfest kochen. Als ich nach dem Urlaub den Brief beim Fernsehen öffnete, habe ich auch erstmal nicht realisiert, worum es geht. Erst am nächsten Tag, als ich den 4-seitigen Brief nochmals gelesen habe, ist mir klar geworden, was da eigentlich drinsteht. Da habe ich mich natürlich riesig gefreut!

Sf: ...und gleich Champagner aufgemacht?
CB: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das sachlich und nüchtern aufgenommen und mir dann Gedanken gemacht, wie ich unserem Bundespräsidenten antworte. Das habe ich dann ausführlich in einem Brief getan.

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Sf: Wie lief der heutige Tag für Dich ab?
CB: Natürlich bin ich in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, habe mich besonders akkurat rasiert und in die feinste Robe gezwungen. Kurz nach 9 schlugen wir dann am Schloss Bellevue auf und wurden in das sehr formelle Protokoll inklusive der Sitzordnung und allerhand Feinheiten eingeführt. Um 11 Uhr ging es in den großen Festsaal, wo die Ehrung der 29 Kulturschaffenden feierlich, aber auch zügig vollzogen wurde. Frank-Walter Steinmeier fand bei jedem ein paar herzliche und persönliche Worte – danach folgte das große Blitzlichtgewitter und einige Kurzinterviews mit der Presse. Als ich dachte, dass alles vorbei sei, bat man mich, mit Jan-Göran Barth, dem Koch des Bundespräsidenten, ein Foto zu machen – nichts lieber als das. Im direkten Anschluss wurde ich mit meiner Tochter nochmals in einen Nebenraum zu Herrn Steinmeier geführt, der mich auf das SZ-Interview ansprach und mir bestätigte, dass ich damit "ins Schwarze" getroffen habe. Es sei das "richtige Signal" und er wolle alsbald zum Essen kommen. Ich bin gespannt! Jetzt ziehen wir uns kurz um, trinken noch ein Glas Sylter Brause im KaDeWe und dann geht es zu Arne Anker in den Pauly Saal, wo wir hoffentlich ein großartiges Menü genießen werden.

Sf: Wie wichtig ist Dir diese Auszeichnung?
CB: Wie ich in meiner Antwort an Herrn Steinmeier auch schrieb, ehrt es mich natürlich sehr. Außerdem finde ich es ein wichtiges Zeichen für unsere Branche, dass Gastronomie als Kulturgut angesehen wird und auch Anerkennung durch die Politik erhält. Deshalb nehme ich diese Ehrung überhaupt an – stellvertretend für unsere Branche.

Bild (von links): Lisa-Marie Bau, Elke Büdenbender, BP Frank-Walter Steinmeier und Christian Bau 

Sf: Dass die Politik Gastronomie als Kulturgut erachtet, liest man im direkten Vergleich zu Frankreich bei uns nie. Glaubst Du, dass sich durch Deine Auszeichnung etwas ändern wird?
CB: Dass sich etwas gravierend an unserer Sicht auf die Gastronomie verändern wird, denke ich nicht. Ich würde es mir aber wünschen. Gewisse Regeln in unserer Gesellschaft dürfen scheinbar nicht gebrochen werden. Das, was wir machen, wird als Luxus wahrgenommen. Wenn Politiker sich solchem Luxus widmen, wäre das derzeit wohl den meisten Bürgern nicht vermittelbar. Hier ist auch der Journalismus gefragt. Ich hoffe, dass die schreibende Zunft Diskussionen anregen kann und dann gegebenenfalls auch andere Medien mit einsteigen. Und die Frage, die dann hoffentlich irgendwann mal bei Markus Lanz oder einer ähnlichen Sendung gestellt wird, ist, ob eine S-Klasse mehr Wert hat als das, was wir machen. Ich glaube nämlich nicht. Wir sind genauso Weltklasse in dem, was wir tun, und repräsentieren Deutschland dabei genauso. Ob nun Sven Elverfeld, Klaus Erfort oder Torsten Michel – für mich ist das gleichbedeutend zu Daimler, BMW und Co. Bloß in einer anderen Branche. 

Sf: Was fehlt der deutschen Gastronomie, das Foodies aus der ganzen Welt anreisen ließe?
CB: Es fehlt sicherlich irgendwo der Schulterschluss zwischen den Köchen. Wir schaffen es nicht, eine Gruppe von 5 bis 10 Chefs zusammenzubekommen, die etwas nach außen repräsentieren, gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft oder auch der Politik.
Was aber auch elementar ist: dass wir keine Lobby haben. Selbst wenn wir uns zusammenraufen würden, um Dinge zu beschließen, könnten wir uns an keine Stelle wenden, die uns unterstützen würden. Außerdem schaffen wir es nicht, Gelder aus Politik, Wirtschaft und Tourismus zu generieren. Da sind uns natürlich andere Länder weit voraus. Die skandinavische Gastronomie hat da massiv Unterstützung aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Ähnlich ist es in Spanien. Letztendlich können wir nur eines machen, nämlich einen guten Job.

"Wir repräsentieren Deutschland genauso wie Daimler, BMW und Co. Bloß in einer anderen Branche."

–Christian Bau

Sf: Der fehlende Schulterschluss kann doch aber nicht die einzige Herausforderung sein?
CB: Nein, das sind sicherlich mehrere Mosaiksteinchen. Viele Jahre hat man gekämpft, um Gäste ins Haus zu bekommen, jetzt kämpft man um Nachwuchs und genügend Personal.  

Sf: Wir hören im Ausland recht häufig, dass die deutschen Spitzenköche handwerklich nahezu perfekt seien, aber keine Geschichte zu erzählen hätten. Wie siehst Du das?
CB:  Naja, das beste Beispiel ist Tim Raue, und der Erfolg gibt ihm Recht. Dennoch, ohne neidisch klingen zu wollen, dieselbe Geschichte könnte ich auch erzählen. Meine Eltern waren nach heutigen Standards Hartz-4ler.

Sf: Warst Du auch in einer Straßengang?
CB: Nein, das nicht. Ich habe mich auch nie geprügelt, aber ich könnte auch Geschichten aus meiner Kindheit erzählen, die manch einem die Tränen in die Augen treiben würden. So wie beim TV-Format „Kitchen Impossible“, wo ich das Interview mehrfach abbrechen musste. Das ging an die Substanz. Aber muss man das immer alles erzählen? Das muss jeder für sich entscheiden. Generell sind wir Deutschen da vielleicht einfach zu sachlich oder auch nüchtern.

Sf: Stichwort Nachwuchs. Findest Du ausreichend Leute für Service und Küche?
CB: Bisher muss ich wirklich auf Holz klopfen, denn bei uns sind aktuell, bis auf eine Wunschposition, alle Stellen besetzt. Wir haben das Glück, dass wir aufgrund unserer Reputation ausreichend Bewerbungen haben. Allerdings haben wir seit einiger Zeit auch zwei Foodrunner aus Rumänien, die sehr engagiert sind. 

Sf: Doch wie sieht es in einem ambitionierten Restaurant aus, das sich nicht mit drei Sternen schmücken darf – wie soll es hier weitergehen?
CB: Das fragen wir uns alle. Dramatisch wird es auch, wenn Du siehst, was die Leute können. Die neue Generation an Mitarbeitern kann handwerklich nicht stemmen, was wir vor 20 Jahren gelernt haben. Die haben nicht mehr die breitgefächerte Ausbildung, darunter leiden das Fachliche und die Vielfalt.

Sf: Liegt das also an der Ausbildung oder am Willen?
CB: Ich sehe es an meinen eigenen Kindern, die sind nicht mehr wirklich gewillt, auf so viele Dinge zu verzichten und so viele Stunden zu arbeiten, wie unsere Generation früher. Selbst wenn man es den jungen Menschen vormacht, fallen sie in einen Modus des Widerspruchs und lassen sich von Ausbildern und Betrieb weniger gefallen. Da wird vieles derzeit noch von unserer Generation kompensiert. In der Ausbildung war es früher so, dass es mindestens drei Azubis pro Ausbildungsjahr waren. Gleichzeitig gab es genug Köche, um die Auszubildenden angemessen zu betreuen. Dementsprechend umfasste unsere Ausbildung alles, von Vanilleeis über Hummer und Schweinelendchen bis zum Hühnerfrikassee. Das Programm war breit gefächert in guten Häusern, weil eben das Personal da war. Heute kann man auf die jungen Menschen zeitlich leider nur noch bedingt eingehen. Darunter leidet dann die Qualität, und Fertigprodukte werden bereitwilliger eingesetzt, weil es Zeit spart.

Sf: Ein Teufelskreis. Wo siehst Du die deutsche Spitzengastronomie in zehn Jahren?
CB: Ich bin fest davon überzeugt, dass es eine große Marktbereinigung geben wird. Unter anderem wegen der Personalproblematik, aber auch wegen der ganzen Stunden, die das gute Fachpersonal leisten muss. Auf dem Land wird es schwierig, Leute zu bekommen. Denn die können sich die Stellen aussuchen und werden rein lohnbedingt schon eher in die Städte gehen. Alternativ werden Foodrunner aus Osteuropa eingestellt. Die arbeiten dem Servicepersonal zu, kochen Kaffee oder richten Mineralwasser, haben aber keinen Gastkontakt, solange sie die deutsche Sprache nicht perfekt beherrschen. Es ist eine traurige Entwicklung, dass wir in unserem Land keine jungen Menschen mehr finden, die diese Arbeit tun wollen. Dabei macht sie so viel Freude. 

Sf: In der Hoffnung, dass sich unser Bundespräsident bald bei Dir blicken lässt, bedanken wir uns für das Interview.

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