Götterspeisen
Seien wir ehrlich: So gut die Kreationen unserer besten Köche auch sind, bleibt das Essen doch ein sehr flüchtiges Vergnügen. Man speist, genießt und begeistert sich – und doch verblasst mit der Zeit die Erinnerung. Manchmal aber, meist völlig unerwartet, bekommt man es mit einem Gericht zu tun, das sich förmlich in jenen noch unerforschten Bereich des Gehirns einbrennt, der für die Speicherung kulinarischer Offenbarungen zuständig ist. Solche Erlebnisse sind es, wonach jeder Gastrosoph sucht: Mit unserer neuen Serie geben wir all jenen Gerichten eine Bühne, an die wir seit Monaten, manchmal gar seit Jahren immer wieder denken müssen. Jene Geniestreiche großer Köche also, bei denen man schon nach dem ersten Bissen weiss, dass man es mit einem Geschmackserlebnis für die Ewigkeit zu tun hat.
Götterspeise 70
MIÉRAL-TAUBE MIT MANGO, KOKOS UND PURPLE CURRY VON JUAN AMADOR
Als eines der frühen Signature Dishes lernten wir diese puristische Kreation während Amadors Schaffenszeit im hessischen Langen kennen. Der Vogel aus der französischen Bresse-Region ist von außerordentlicher Produktqualität, wenngleich der geneigte Gast dies beim Besuch eines Dreisterners voraussetzen dürfen sollte. Bedeckt ist das kräftige Fleisch von einer dünnen, aber umso intensiver schmeckenden Kruste aus Gewürzbrot, welches mit pikantem Purple Curry (Ingo Holland?) verfeinert wurde. Als Frucht- und Säurelieferanten agieren Kokos und Mango, die perfekt austariert sind und die dunklen Aromen der Sauce (Taube und rote Bete) gekonnt aufbrechen. Einmal mehr zeigt sich hier Amadors geniales Gespür für die Kombination unterschiedlichster Aromen, die auf den ersten Blick umkombinierbar erscheinen. Das Ergebnis: Ein ebenso köstliches wie unvergessliches Gericht.
Götterspeise 69
MAKRELE MARRAKESCH MIT AUBERGINE, SEEGURKE, KICHERERBSEN-COUSCOUS UND PAPRIKA VON NILS HENKEL
Das zweite Amuse in Nils Henkels großem Menü im Schlosshotel Lerbach ist bereits eine lupenreine Götterspeise: Das Gericht begeistert durch die perfekt austarierte orientalische Würze im süffigen Sud sowie die Balance zwischen fettem Fisch, fruchtig anmutender Paprika und knackigen Gurkenbällchen. Selbst die von uns nicht sonderlich geschätzte Seegurke ergibt hier Sinn. Sie bereichert das Gericht durch ihre ganz eigene Textur und ein feines Aroma. Das Tolle bei dieser Kreation ist aber: Egal, wie man sich durchlöffelt – es schmeckt immer ein wenig anders, hochspannend und bis heute unvergesslich.
Den ausführlichen Bericht zu unserem letzen Besuch in Lerbach findet Ihr hier.
GÖTTERSPEISE 68
WAGYU SIRLOIN MIT ERBSEN, FRÜHLINGSZWIEBELN, BOHNEN, PAPRIKA UND KNOCHENMARK VON GERT DE MANGELEER
Großes kulinarisches Kino erlebten wir beim Hauptgang im belgischen Hertog Jan. Allein schon das Fleisch des Wagyu Sirloin (Qualitätsgrad 11) ist absolut begeisternd: butterzart, mit krosser Grillkruste, von saftigen Fettadern durchzogen und hocharomatisch. Aber auch die Beilagen sind herrlich: knackiges Erbsen-Bohnengemüse mit Frühlingszwiebeln und cremigem Ochsenmark, dazu als würziger Kontrast Pürees von roter Paprika und schwarzem Knoblauch. Drei-Sterne-Eleganz und Steak-mit-Salat-Rustikalität werden hier aufs Allerbeste vereint – göttlich, und so zieht dieses Gericht in unsere Götterspeisen-Hall-of-Fame ein!
Den ausführlichen Bericht zu unserem Besuch im Herzog Jan findet Ihr hier.
Götterspeise 67
SELLERIEKNOLLE IN DER SCHWEINSBLASE VON DANIEL HUMM
Angesichts des großartigen Service im 'Eleven Madison Park' in New York City wollte sich die Küche scheinbar nicht in den Hintergrund drängen lassen und schickte einen echten Showstopper: Der Anblick der prall gefüllten, glänzenden Schweinsblase ließ uns das Wasser im Munde zusammenlaufen, dachten wir doch unweigerlich an eine unserer Lieblingsspezialitäten der klassischen Küche – die Poularde in Halbtrauer mit ihrem luxuriösen Trüffelgewand.
Immerhin, mit dem Trüffel lagen wir richtig, aber aus der fetten Poularde ist hier eine klitzekleine Sellerieknolle in der Schweinsblase geworden. Die aber hat es in sich! Eine nahezu fleischige Textur, deren Wirkung durch das intensive Umami des Sellerie und den konzentrierten Trüffelfond vertieft wird. Und über allem die Vermählung der wunderbar flüchtigen Intensität der beiden Knollen – ein Parfum, dass uns zu schnüffelnden Trüffelschweinen werden lässt. Sollte jemand noch Zweifel an kulinarischen Höhepunkten ohne Fleisch und Fisch haben, hier werden sie hinfortgeblasen.
Unseren ausführlichen EMP-Bericht findet Ihr hier.
Götterspeise 66
Lauwarm marinierte Makrele mit Joghurtcrème, Algen und Misovinaigrette
Christoph Rüffer und sein Team bringen bei unserem Besuch im Hamburger Haerlin als erstes Amuse gleich einen Knaller auf den Tisch. Die in Limone marinierte bretonische Makrele hat an sich bereits Referenzqualität, wird aber von der feinwürzigen Misovinaigrette noch weiter nach vorne gebracht. Die Variationen von Joghurt und Algen (unter anderem als Joghurt-Olivenölcrème und Wakame-Chips) setzen cremige und krosse Akzente, einige Minischnitze von eingelegtem Kohlrabi, Gurke und roter Zwiebel bringen Frische und leicht süßliche Würze. Trotz dieser Vielfalt wirkt der schöne Teller zu keinem Zeitpunkt überladen. Es schmeckt stimmig, zugänglich und absolut köstlich – eine Götterspeise noch vor Menübeginn, das hatten wir selten. Und es sollte nicht die letzte des Abends bleiben...
Unseren ausführlichen Haerlin-Bericht findet Ihr hier.
Götterspeisen 61-65
...findet Ihr hier.