Restaurantkritik  6.Oktober 2015

Die neue Sesshaftigkeit

Kurzzeitig fragen wir uns, ob wir noch auf dem richtigen Weg zum Restaurant Kikillus sind. Auf der Verkehrsader B1, die Dortmund der Länge nach durchzieht, verlangt die blecherne Frauenstimme des Navis, dass wir auf Höhe der Straßenbahnhaltestelle „Hauptfriedhof“ rechts abzubiegen haben. Gehorsam parieren wir und passieren kurze Zeit später die Einfahrt zu einem Krematorium. Es wird immer dunkler und einsamer, dann taucht aber plötzlich das Hotel Ambiente auf, in dem das Restaurant Kikillus seit März 2014 beheimatet ist. Die Anfahrt hat etwas Gespenstisches, aber dafür gibt es hier draußen keine Probleme mit der Parkplatzsuche, sofern nicht gerade auf der benachbarten Galopprennbahn die Gäule los sind.

David Kikillus' Koch-Biographie kann man – je nach Blickwinkel – als abwechslungsreich oder unstet bezeichnen. Eine prägende Station des gebürtigen Lüneners nach seiner Ausbildung in Dortmund war sicherlich seine Zeit als Souschef im Zwei-Sterne-Restaurant von Paul Schrott in Kitzbühel. Danach kochte der 33-Jährige in Restaurants in Spanien, in Nelson Müllers Schote, im Maremoto in Berlin, war Küchenchef im Goldschmieding in Castrop-Rauxel sowie im ZinZin in Düsseldorf und kehrte nach einem Restaurantprojekt in Kiew schließlich wieder in heimatliche  Gefilde zurück.

Ähnlich bunt wie dieser Werdegang präsentiert sich auch das Ambiente des Restaurants: Poppige Farben, Holz, Beton und nur teilweise verkleidete Decken. Geschmackssache, passt im Endeffekt aber zu Kikillus' grammatikalisch holprigem Motto „Fun Dine“ – wir sind jedenfalls gespannt...

Noch recht unauffällig bleiben zu Beginn die Apéros: Unser Favorit ist der Reiscracker mit Hamachi und Paprikacrème; das knusprige Röllchen Tatar mit Frischkäse und Kaviar ist fleischig und mit feiner Zitrusnote, hat aber einen Hauch zu viel Frittieraroma und der kräftige Gurkenshot ist leicht bitter und salzig.

Das Amuse gueule, Bries mit Kartoffelvariation, Rote Bete, Zitronen-Beurre blanc und Trüffel ist zwar nicht perfekt pariert, hat aber eine überzeugende individuelle Note aus kräftiger Sauce, Erdigkeit und Süße (Bete) sowie Säure der Buttersauce.

Thunfisch, Apfel, Avocado, Ingwer und Kokos ist eine „gefährliche“ Zusammenstellung: schnell wirken gerade Kokos-Aromen penetrant und plakativ. Trotz eines betörenden Kokosdufts umschifft Kikillus diese Gefahr und vermeidet ein Zuviel an Süße, sondern erreicht ein fruchtig-feines und differenziertes Geschmacksbild, dem Avocado grün-ölige Länge hinzufügt und bei dem nur die etwas vielen Salzflocken auf dem Fisch stören.

Zitrussäure, Süße und Nussigkeit sind beim geangelten Loup de Mer mit Süßkartoffel und Erdnuss gut eingebunden und neben einer aromatischen Krustentier-Bisque setzt die hier pointiert verwendete Kresse interessante Noten. Stimmig.

Die essbaren Steine als Erfrischung hätte es nicht gebraucht – keine neue Idee und trotz eines guten, intensiven Blutorangensorbets sind sie einfach schlecht von den echten Steinen zu essen und durch die verwendete Sellerieasche riechen sie schlichtweg wie ein nasser Aschenbecher. Das muss wirklich nicht sein.

Das ist bei der Étouffée-Taube mit Boudin noir, Birne und Broccoli als Hauptgang schnell vergessen: hier verbinden sich die leicht weihnachtlichen Anklänge durch Birne und Blutwurst optimal mit der gut gegarten Taube, so dass es die Portwein-Jus beinah nicht bräuchte. Schmeckt ausgezeichnet.

Die Zitrusfrüchte mit griechischem Joghurt und Luftschokolade sind ein cremig-frischer und zitroniger Dessertauftakt, bei dem die Schokolade dezent für Länge sorgt – ein leichter und sehr guter Auftakt der Patisserie.

Nicht zu süß fällt die stimmige und erfrischende Gewürzbanane mit Ananas, Curry und Petersilie aus; trotz eines guten Eis' mit „China“-Noten von Koriander und Kaffirlimette und einem grün-herben Shot würde etwas mehr Mut zum Gewürz durchaus nicht stören.

Die Rohmilchkäse von Maître Fromager und Affineur René Tourrette brauchen weder das gereichte Früchtebrot noch die Gurke – sie sind pur genossen einfach gut genug.

Die Petits fours sind durchweg gelungen – wenngleich bei Anhängern anderer Revierclubs beim Anblick des rührenden BVB-Keks, der die „wahre  Liebe“ des Küchenchefs zu seiner Manschaft ausdrückt, wahrscheinlich kurzzeitig der Appetit aussetzt.

Bei der Feinabstimmug der Weinbegleitung bestand bei unserem Besuch noch Handlungsbedarf; hier passte leider einiges nicht zusammen. Ansonsten fühlten wir uns beim jungen Serviceteam, das locker aber korrekt agierte, gut aufgehoben.

Wir sehen David Kikillus (3.v.l.) in seinem Restaurant auf einem guten Weg. Mit wertigen Produkten und stimmigen Kombinationen sorgt er für den versprochenen Spaßfaktor. Wir wünschen uns etwas mehr Präzision in Details (Bries, Steine) und durchaus mehr Wagemut, die auf den Tellern vorherrschende Harmonie zu durchbrechen und somit die Spannung zu erhöhen – dann kommt er seinem Versprechen eines kulinarischen "Erlebnisses" bestimmt noch näher. Sei es durch pointierteres Würzen oder Reduktion der Komponenten. Für das mit guten Restaurants nicht unbedingt verwöhnte Dortmund ist das Kikillus auf jeden Fall ein Gewinn – sofern der umtriebige Küchenchef seiner neuen Sesshaftigkeit treu und bei all seinen vielen Projekten – Kochbuch, Fernsehen, Kochkurse, Catering, Restaurantumbau – fokussiert bleibt.

Wein

NV Chardonnay Brut, Menger Krug
2013 Riesling Kabinett, Gut Hermannsberg, Nahe
2013 Grauburgunder "Oktav", Heger, Baden
2011 Pinot Grigio, Riff, Veneto
2009 Chateau Le Temple, Médoc
2013 Heitlinger White, Baden
2012 Frontholz Gewürztraminer, Moritz, Elsass

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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