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Restaurantkritik  6.Februar 2018

Die Welt zu Gast in Zürich

Mal wieder in Zürich. Und immer noch wissen wir nicht recht, ob wir die Stadt nun mögen, oder nicht. Irgendwie sitzt sie zwischen den Stühlen. Es gibt gemütliche Ecken, aber sie ist nicht so beschaulich wie Basel; man ist an einem großen See, aber es ist nicht so nostalgisch-idyllisch wie in Lausanne. Zürich ist eine Metropole. Alles ist hier etwas größer und etwas lauter. Auch die Luxushotels mit ihren Restaurants wirken hier massiver, als anderswo. Neben dem kunstgespickten Märchenschloss Dolder Grand gibt es genau auf der anderen Seite der Stadt seit gut zwei Jahren das 'Atlantis by Giardino'. Auch dies ein recht gewaltiger Bau. Nach Ascona und St. Moritz ist es das dritte Grandhotel der Giardino-Gruppe – und wie in Ascona und St. Moritz gibt es auch in Zürich ein Ecco-Restaurant.

Aber während die beiden anderen Häuser wechselweise von Rolf Fliegauf samt Team bespielt werden (Ascona im Sommer, St. Moritz im Winter), hat die Züricher Dependance eine feste Crew. Geleitet wird sie von Fliegaufs langjährigem Souschef Stefan Heilemann, der mit seinem Team in Zürich auf Anhieb zwei Sterne erhielt. Wir waren damals schon kurz nach der Eröffnung im Ecco. Da gab es noch den einen oder anderen Kritikpunkt. Gerade das ist für uns aber oft ein Grund, nach einer Weile wiederzukommen ...

Unser neuerlicher Besuch fand bereits im Sommer statt, an einem besonders heißen Tag, so dass wir zum Mittagessen auf der schönen Terrasse Platz nehmen konnten. Mit Blick auf grüne Wiesen harren wir der Dinge, die da kommen.

Als erster Snack kommt eine Tartelette mit Sepia, Dill und Sauerrahm auf den Tisch. Sehr schön knuspriger Teig, zarter Sepiageschmack, Frische von Dill und Rahm - das schmeckt prima.

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Weiter geht's mit einem Trio: Ein Cracker mit Mieral-Ente, Spitzkohl und Soja (hinten), eine "Tasche" aus Kohlrabi mit Frischkäse, schwarzem Trüffel aus Australien und Haselnuss sowie ein Röllchen von Brüggli Lachsforelle mit Zwiebel und Meerrettich. Letztere gefällt uns eindeutig am besten, mit ihrem zart-schmelzenden Fisch, der eleganten Füllung und dem Röstzwiebelhauch obenauf. Auf Platz zwei steht der Chip aus Entenhaut, der mit kräftigen Aromen (u.a. gehobelte Entenbrust, Lebercrème, Thaicurry, Spitzkohl, Sojagel und Schnittlauch) spielt, aber trotzdem sehr filigran bleibt. Beim Kohlrabi-Raviolo ist uns der recht feste Kohlrabi texturell zu dominant und die Haselnuss geschmacklich zu stark. In Summe aber eine bemerkenswert gute Einstimmung.

Das Menü startet mit australischem "Hiramasa" Kingfish (gebeizt & geflämmt) mit Gurke und Yuzu. Das ist ein richtig schönes Sommergericht für die ganz heißen Tage, auf einer Terrasse sitzend, ein gutes Glas Weißwein in der Hand - mit anderen Worten: genau unsere Situation. Der gebeizte und der gegarte Fisch (von bester Qualität) bilden ein spannungsreiches Miteinander, sowohl texturell, als auch geschmacklich - es changiert zwischen dicht und frisch, bissfest und schmelzend. Die kühle Gurkenvariation dazu macht das Ensemble leicht, die Säure vom Yuzu setzt säuerliche Akzente und kitzelt noch mehr Geschmack aus dem Fisch heraus. Klasse.

Danach wird es vegan, mit Sommersteinpilzen, Roggenmalz, Senf und Kräutern vom Uetliberg - und was ist das für ein Knaller! Das Malz und die Pilze haben zusammen einen ungeheuer dichten, aber nicht erdrückenden Geschmack, der Senf und die Kräuter frischen das Duo mit Kälte (Senfperlen), leichter Schärfe und Würze auf. Alles umhüllt von einem kräftigen Sud. In ihrer "dunklen" Aromatik wird diese Kreation manchen Esser zunächst vielleicht irritieren. Aber dann begeistern, da sind wir sicher. Sie wirkt vielleicht auch simpel und rustikal, schmeckt aber ziemlich komplex - und köstlich.

Pendelte der Kingfish zwischen nordisch und japanisch, ist der nächste Gang von ganz anderer Natur: Eine Wuchtbrumme von Kaisergranat mit Tomate, Algen, Schnittlauch und Koriander. Der fleischige, knackige Granat wird von einer (vielleicht etwas zu) gehaltvollen, Thaicurry-Bisque umhüllt; dazu eine Crème vom Kaisergranat-Kopf mit on Curry sowie eine feine Algen-Koriandercrème. Der Algenchip gibt etwas Textur. Hier passiert viel, aber in Summe ergibt sich ein enorm süffiges, vielleicht nicht sehr komplexes, aber auch nie plumpes Geschmacksbild. Es schmeckt einfach gut, und mehr braucht es jetzt auch gar nicht, um uns glücklich zu machen.

Nicht so glücklich sind wir mit der nächsten Kreation aus Gillardeau Auster, Schweinshaxe und Rettich. Die Kombination von Fleisch und Auster hat für uns noch nie so richtig gut funktioniert, speziell wenn es sich um sämig-weiches Fleisch handelt. In Verbindung mit dem intensiven, meerig-jodigen Geschmack der ebenfalls weichen Auster entsteht da an unseren Gaumen eine buttersäurige Aromatik, die wir alles andere als appetitlich finden. Hier wird dieser Effekt durch den herben Rettich noch verstärkt. Wenn wir die Austernstücke wegschieben, funktioniert der Rest ganz gut. Aber das kann ja nicht Sinn der Sache sein.

Zum Glück geht der nächste Gang in eine ganz andere Richtung. Bries, Kinn und Zunge vom Bündner Kalb mit Liebstöckel vom Eichhof und geröstetem Blumenkohl ist klein, fein und hat einen willkommenen Innereien-Fokus. Knuspriges Bries, zarte Zunge, fettes Kinn, dazu nur etwas Blumenkohl und etwas Jus, bei dem uns lediglich der Liebstöckel (auch als "Maggikraut" bekannt) zu stark vorschmeckt. Trotzdem ein sehr schönes, originelles Zwischengericht.

Der Haupt-Fleischgang besteht aus Bison aus dem Schweizer Jura und kommt in zwei Teilen. Zunächst gibt es ein Schulter-Confit und Innereien im Steamed Bun, bestreut mit Gewürzmais, grüner Chili-Emulsion, Vogelmiere und frittiertem Mais. Wie so oft ist uns auch hier der Teig des Buns im ersten Moment ein bisschen zu mächtig. Aber das relativiert sich schnell, dank der saftigen Füllung und dem Jus, der fast schon ein Gelee ist. Diese Mischung aus fluffig-dichtem Teig und würziger Füllung ist Comfortfood vom Feinsten. Sogar der der Mais macht Sinn, weil er Knusper beisteuert und in die Umami-Fülle einen Hauch Süße bringt. Aber wir müssen auch sagen: das Ding ist ganz schön sättigend.

Teil 2 des Bisons besteht aus dem gebratenen Filet mit Mais und gegrillter Paprika. Grundsätzlich ist das jene Sorte reduzierter Fleischgänge, die wir mögen - speziell in einem so umfangreichen Menü. Ein hervorragendes Stück Fleisch, mengenmäßig nicht zu viel und perfekt gegart (der BBQ-Jus ist uns etwas zu heftig). Dazu ein paar kleine Begleiter, nämlich etwas gegrillten Mais (die süße Crème könnte man sich sparen) und süßlich-würzige Paprikafilets. Fertig. So gut kann das sein.

Damit geht der deftige Teil des Menüs eigentlich zu Ende. Aber wir sind bekanntlich unersättliche Gierschlunde. Deshalb haben wir noch einen zusätzlichen Hauptgang geordert - wir könnten wir auch anders, als wir hören, dass die Küche gerade japanisches Kagoshima Wagyu Beef bekommen hat. Das müssen wir probieren, klar.

Das geröstete Stück kommt dann ebenfalls angemessen puristisch auf den Teller: lediglich mit einem Röschen gebratenen Brokkolis, ein paar Röstzwiebeln und etwas Curryjus. Und auch hier gilt: mehr braucht es auch nicht. Leider ist das Filet für unseren Geschmack etwas zu weit durch. Dafür hat es eine perfekte Kruste und nicht zuletzt dank der dichten Marmorierung bleibt es saftig und zart. Die Beilagen setzen stimmige Akzente, halten sich aber im Hintergrund. Sehr gut.

Nach so viel Fleisch und Umami sind wir mehr als bereit für etwas Süßes. Als Pré-Dessert gibt es Ziegenquark mit Kirsche und Mohn. Frisch, fruchtig, leicht und lecker. Genau richtig jetzt.

Das erste Hauptdessert besteht aus Walliser Aprikose, Felchlin Grand Cru Cuba Schokolade und Stangensellerie. Was hier zunächst aufmerken lässt ist natürlich der Staudensellerie, ein Gemüse, das auf Grund seiner Intensität schon im würzigen Bereich schwierig ist. Hier aber ist es erstaunlich sinnvoll, denn der herbe Geschmack frischt einerseits die Schokolade auf, wird zugleich aber auch von dieser in Schach gehalten. Sehr spannend. Am meisten Freude bereitet uns allerdings die Aprikose, die generell viel zu selten Verwendung findet. Hier kommt sie roh mariniert, als Mousse und als Gel auf den Teller - und bildet mit ihrer ganz speziellen Süße das perfekte Bindeglied zwischen herbem Sellerie und bitterer Schokolade. Gut, richtig gut.

Das zweite Dessert verbindet Thurgauer Erdbeere mit rotem Sauerklee und Kamille. Hier fällt uns als erstes auf, dass keine einzige ganze echte Erdbeere auf dem Teller liegt. Unserer bescheidenen Meinung nach sollten speziell Desserts mit Beeren diese immer auch als Naturprodukt dabeihaben, in bester Qualität, gewissermaßen als Referenz für den kreativen Rest drum herum. Hier gibt es nur ein paar winzige Scheibchen, im Mittelpunkt stehen abstrahierte Formen: hauchzartes Glas, ein Sorbet in Erdbeerform und ein mit Kamille aromatisierter Sud. Alles sehr gut und sehr fein und stimmig kombiniert - mit feinherbem Sauerklee-Sorbet (hinten versteckt), Sauerklee-Blättchen, einer Kamillen-Crème, Kaviar von Kamillentee, Malzbröseln und einem Brownie. Letztere Elemente sind wichtig, um das Ganze etwas zu erden und Mundfülle zu geben. Aber besonders die feinherbe Blumigkeit der Kamille gefällt uns, passt sie doch prima zum Erdbeeraroma. Das schmeckt nach Sommer, Sonne und einer bunten Wiese. Ein sehr schönes Dessert. Trotzdem stellen wir uns vor, wie grandios das mit ein paar richtigen Erdbeeren hätte sein können.

Zum Kaffee dann noch eine Reihe origineller und durchweg exzellenter Friandises: Entenleber, Brioche und Fenchel (hinten links); Praline von weißer Schoki, Buttermilch und Limette; Cookie von Pistazie und Cassis; Heidelbeere, schwarze Vanille und Basilikum (links).

Unterm Sonnenschirm auf der Terrasse lassen wir den Blick wieder über die Wiesen schweifen. Wir sind satt, leicht angeheitert von einer qualitativ bemerkenswerten Weinbegleitung und zufrieden von einer Küche, die sich tatsächlich ein hübsches Stück weiterentwickelt hat. Stefan Heilemann hat natürlich nicht seinen grundlegenden Stil verändert, aber er hat ihn verfeinert und die Konturen geschärft. Die meisten Kreationen wirkten sehr rund, kompositorisch schlüssig - und im besten Fall auch herausfordernd, etwa bei den Pilzen mit Malz, der Innereien-Trilogie oder dem Sellerie-Dessert. Auch der Kingfisch ist sicher keine alltägliche Kreation. Und natürlich die Auster mit Schwein, die selbst uns vor eine unüberwindbare Herausforderung stellte ...

Dazwischen bleibt es auf vertraute Weise harmonisch, etwa beim Kaisergranat und dem Bisonfilet. Herausstellen möchten wir die insgesamt eher reduziert anmutende Stilistik dieser Küche. Es sind sicher immer viele Elemente auf dem Teller. Aber nach Streberteller sieht eigentlich nie etwas aus. Die Linie stimmt hier, keine Frage. Wir würden ja gerne mehr Kritikpunkte finden, um einen Grund zum Wiederkommen zu haben. Aber vielleicht tun wir das auch einfach so ...

Fazit

Präzise, ambitioniert, köstlich - das ist die Küche im Ecco. Immer ein bisschen mehr.

Text: Kai Mihm

Weine

Weinauswahl im Restaurant Ecco von Stefan Heilemann

2012 "Roses de Jeanne", Cedic Bouchard, Champagne

2015 Riesling "Zier", Weinhofmeisterei by Mathias Hitzberger, Wachau

2014 "Les Vieilles Roussanne", Chateau de Vaudieu, Rhône

2014 "Ermitage", Marie Therese Chappaz, Wallis

2010 Corton Charlemagne, Oliver Bernstein, Burgund

2011 "Grignolino Vigne Vecchie, Azienda Agricola Accornero, Piemont 

2012 "Ditch Digger", Denner Vineyards, Kalifornien

2013 "Andremily No 2" Syrah by Jim Binns, Kalifornien

2013 Male Syrah, Sine qua Non by E. & M. Krankel, Kalifornien

2015 Riesling Beerenauslese, Koehler Ruprecht by Dominik Sona, Pfalz

Fressfreunde

The important Stuff

"Stefan Heilemann und sein Team haben das Ecco Zürich in gefühlter Rekordzeit zu einem der besten Restaurants des Landes gemacht. Makellose Produkte und klassisches Handwerk werden modern interpretiert und Heilemanns Vorliebe für die asiatische Küche sorgt immer wieder für einen unerwarteten Kick auf dem Teller. Unbedingt hingehen."

Küchenreise

"Aromenstarke Küche, bei unserem Besuch schon kurz nach der Eröffnung bereits auf sehr hohem Niveau; wenn die Gerichte auch noch oft an die Schwesternlokale angelehnt. Das Atlantis-Hotel ist ein wunderschöner Rahmen und ist auch eine Reise wert!"

Das Filet

"Stefan Heilemann findet mit fast traumwandlerischer Sicherheit einen Weg zwischen kulinarischer Klassik und Moderne. Gespart wird nicht, vor allem nicht beim Produkt und beim Geschmack."

Fragen an den Suffmeister (a.k.a. Sommelier) Stefano Petta

Anzahl Positionen auf der Weinkarte:
Wir haben im Moment 440 Positionen.

Haben Sie einen besonderen Fokus bezüglich der Weinkarte? 
Ja, wir konzentrieren uns auf die Schweiz, Italien und Frankreich. Haben aber auch eine spannende Auswahl an Weinen aus den USA (meine heimliche Liebe). 

Die ungewöhnlichste Rarität?
Eine Flasche 1997 Imposter McCoy Syrah aus Kalifornien von Sine qua Non by E. & M. Krankel.

Welche ist Ihre preiswerteste/teuerste Flasche?
Der preiswerteste Wein ist ein Pinot Grigio aus Südtirol vom Weingut Tiefenbrunner für CHF 50.- und die teuerste Flasche ist der 2012 Cabernet Sauvignon Screaming Eagle aus dem Napa Valley für CHF 2950.-

Welches ist der meistverkaufte Wein der letzten 12 Monate?
Das ist der Sauvignon Blanc vom Weingut Clerc Bamert am Zürisee.

Ihre Entdeckung der letzten 12 Monate?
Das war vor wenigen Wochen ein 2015er Saint Joseph "Les Berceau" von Bernard Gripa 2015 – ein unglaublicher Syrah!

Ihr Lieblingswein? Weshalb?
Sehr sehr schwierig. Vor 2 Wochen hat ein guter Freund eine Magnum Andremily No. 3 (ehemaliger Winemaker von Sine qua Non) aufgemacht – Mann, war das gut! Ich bin aber auch ein großer Fan von den Champagnern von Cedric Bouchard, unglaublich was der auf die Flasche bringt.

Der ausgefallenste (vinophile) Gästewunsch, mit dem Sie je konfrontiert wurden?
Das ereignete sich ziemlich am Anfang meiner Sommelier-Karriere. Ein Gast bestellte eine Flasche "La Tache" 1991 von der Domaine de la Romanee Conti on the Rocks. Im Tumblerglas mit sehr viel Eis.   

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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