Die „one man-one woman“-Show
Griechische Küche ist aus deutscher Sicht schnell umrissen: Gyros, Souvlaki, Tzatziki und ein Ouzo aufs Haus. Hochküche mit hellenischen Zutaten? Praktisch nicht bekannt. Für eine Steigerung des Renommees der griechischen Küche in Deutschland macht sich Joannis Malathounis bereits seit 1993 stark. In seinem gleichnamigen Restaurant im Remstal nahe Stuttgart hat es sich der gebürtige Schwabe griechischer Abstammung zur Aufgabe gemacht, die kulinarische Identität seiner griechischen Wurzeln als „modern greek cuisine“ auf die Teller zu bringen – und das auf höchstem Niveau.
Jahre zuvor, als er sein Abitur absolvierte, deutete noch nichts darauf hin, dass der Individualist nach einem Studium der Geodäsie an der Uni Stuttgart eines Tages auf das Kochen umschwenken würde. Einer Kochlehre im gutbürgerlichen Gasthof zum Ochsen in Kernen-Stetten schlossen sich Stationen in der lokalen Stuttgarter Sternegastronomie wie der Alten Post und den Hirsch-Weinstuben an. Seine kulinarische Neugierde befriedigte der Harley-Fan aber nicht nur dort, sondern auch bei Volontariaten in Zweisterne-Häusern wie dem Laurent in Paris und dem Waldhorn in Ravensburg. Zu guter Letzt nähren die Erkenntnisse und Ideen aus einer stattlichen Sammlung von Kochbüchern und diverser Besuche bei hochdekorierten Kollegen das wache kulinarische Interesse.
Auf dem Weg zum unauffällig in einem Wohnhaus gelegenen Restaurant mit seinem gemütlich-schlichten und holzig-eleganten Gastraum beschäftigt uns bei aller Vorfreude die Frage, wie Joannis Malathounis die griechische Küche interpretiert und in sein Menü integriert. Gespannt sind wir auch, wie er seine Ideen als Einzelkämpfer in der Küche - eines in der Spitzenküche recht seltenen Settings - dann auf dem Teller umsetzen kann.
Als erstes Amuse Gueule erreicht uns Schweinebauch mit grüner Tomatekonfitüre und gebackener-gefüllter Wachtelkeule, das zwar deftig-rustikal anmutet, durch die Säure der Tomaten und die Pilze transparenter und somit feiner wird. Dem steht das vegetarische Amuse Maronenraviolo mit Kürbisfond in nichts nach: fein gearbeitet und schmackhaft, wobei der griechische Einschlag noch recht subtil ausfällt. Deutlicher wird dieser beim marinierten Staudensellerie mit Avocadocrème, Korinthen, konfierter Gewürzkartoffel und Milchschaum sowie beim letzten Amuse, den marinierten Artischocken mit grünen Bohnen, Fava, Kefalograviera und Rote Bete-Chips.
Die gebeizte Makrele mit konfiertem Eigelb, Birnenchutney, Bauernbrot und Kräutersalat glänzt durch ein hervorragendes Hauptprodukt, dem Malathounis passende Begleiter zur Seite stellt, wobei das Ei als schmelzendes i-Tüpfelchen fungiert. Der Sud von Waldpilzen und Alblinsen mit gebackenen Gnocchi und Knoblauchmilch ist im Anschluss eine willkommene Umamibombe, deren Intensität durch die Milch sinnvoll gebrochen wird.
Die Seezunge ist zwar gefüllt, erfüllt uns aber in ihrer Kombination mit Fenchel, Zitronencrème, Gurkensaft und Orangenöl nicht gänzlich mit Freude. Zu stark ist die Ablenkung vom geschmacklich feinen Plattfisch, zu plakativ die dominierende Frische. Das folgende Gericht macht dies schnell wieder vergessen: Die mit Mohn geröstete Kerbelwurzel mit Mandarinenjus, Erdfrüchten und Burrata gerät ungewöhnlich, begeistert aber durch Abwechslungsreichtum und einen willkommenen Bruch fruchtig unterstützter Erdigkeit und cremigem Schmelz des italienischen Filata-Käses.
Eine volle und dennoch delikate Mittelmeerdröhnung erhalten wir beim pochierten Skrei auf Jakobsmuschelcarpaccio mit Aubergine und Venusmuscheln, bevor uns Malathounis mit dem bodenständigen und geschmorten roten Paprika mit Moscardini, Oktopus und Romanasalat zu herzhafteren Aromen in Richtung einer hervorragenden Taverne zurückführt.
Visuell spricht uns das Ragout von Spanferkelbäckchen und Schnecken mit Staudensellerie und Kichererbsen weniger an, geschmacklich und texturell aber gefällt es ausgesprochen gut. Die Bäckchen zart, die Schnecken nicht im Geringsten zäh und die Kichererbsen mit Biss - so leitet das süffige, intensiv-würzige Gericht hervorragend zum Hauptgang über. Der Lammrücken mit Sauerkrautsaft, gebackener Olive, Ziegenquark, Datteln, Haselnuss und weißer Bohnencrème ist für sich genommen schon sehr gut und hat bei allen griechischen Zutaten hier den besonderen Säurekick durch die urdeutsche Zutat Sauerkraut erhalten. Auf eine höhere Ebene geführt wird es aber erst durch die à part geschickte Lammbolognese mit Rettich – ein Geniestreich. Trotz einsetzender Sättigung löffeln wir diesen Teller genüsslich leer!
Griechische Desserts haben wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gegessen, so dass wir umso neugieriger auf diesen Part des Menüs sind. Uns erreicht zunächst ein Galaktoboureko „mal anders...“. Bei dieser Süßspeise handelt es sich normalerweise um einen Grießpudding, der von Filoteig umhüllt ist. Der Küchenchef bricht mit dieser Tradition und separiert die Komponenten, um sie dann mit Haselnusseis zu kombinieren. Das funktioniert wunderbar, schmeckt leicht exotisch und dadurch originell. Auch die Rote Bete in Rotwein-Granatapfelfond mit Himbeerbaiser und Rosenwasserrahmeis ist uns in einer deutschen Küche so noch nicht begegnet, wobei dies ob der tollen geschmacklichen Kombination sehr wünschenswert wäre. Einen wunderbaren und letzten fruchtig-schokoladigen Akzent setzt dann noch die Olivenöl-Schokolade mit Ananas, Karamell-Popcorn und Schlehensorbet.
Die breite Auswahl an Petits Fours von Tarte Tatin über Himbeersablé, Aprikosengelee, Pistazien- und Himbeermacarons, Tsipourotrüffel, türkischem Nougat, Schokotrüffel, Baumkuchen bis hin zum Mandelkonfekt führen ein wunderbares Menü zu einem enorm befriedigenden Abschluss.
Wir erlebten ein Menü, das förmlich nach dem Stern schreit, der unlängst verdientermaßen auch kam – und beinah unglaublich erscheint es, dass dies alles aus dieser kleinen Küche mit Joannis am Herd geschickt wird. Der Titel „Meister des mise en place“ wäre ihm somit sicher. Immer wieder stoßen wir auf eine pointiert eingesetzte griechische Zutat – sei es der Kefalograviera-Käse oder Korinthen, ein Klecks Joghurt oder gebackene Oliven. Die ohnehin gelungene Inszenierung wird dadurch angenehm beflügelt. Aber griechisch inspirierte Küche greift für diese Küche zu kurz: Ein vom Standard abweichendes Aromenverständnis, das sich oft in einer feinen Zitrusnote und leichten, öl-basierten Fonds findet, schafft bei aller in sich ruhenden, nicht banalen Harmonie eine durchgehende Spannung. Eine konstante Leistung, die durchaus mit dem Einzelkämpfertum in der Küche zusammenhängen könnte.
Was für die Küche gilt, ist im Service nicht anders: Anna Malathounis hält mit bajuwarischer Gelassenheit und angenehmer Zurückhaltung alle Service-Fäden allein in ihren Händen. Das ist familiär, nötigt uns gerade bei vollem Restaurant viel Respekt ab und führt außerdem dazu, dass man sich sogleich wohlfühlt.
Einen deutlichen Fokus setzt das liebenswerte Ehepaar auf das Thema griechischer Wein. Bereits seit einigen Jahren ist auf diesem Gebiet ein nationaler Aufschwung zu beobachten, zum dem gerade auch die Rückbesinnung auf die hellenischen autochthonen Rebsorten beiträgt. Hier im Restaurant gesellen sich dazu beste Weine aus dem Remstal, die durch ihre faire Kalkulation zur Trinkfreude einladen. Daneben lässt sich auf der Karte auch manch vinophile Überraschung entdecken – so muss das sein.
WEINE
NV Karanika Schaumwein, Griechenland
2010 Manincor Reserve De La Contessa, Südtirol
2012 Sklavos, Robola Di Kephalonia, Ionische Inseln
2010 Evharis, Assyrtiko Sur Lie, Attika
2012 Aldinger, Spätburgunder Rosé, Große Reserve
2012 Petra, Kir Yianni, Rhoditis & Malagouzia, Griechenland
2011 Merlot & Syrah, Zafeirakis, Griechenland
2006 Papaioannou, Nemea
2004 Vereinigte Hospitien, Scharzhofberger Riesling Spätlese,
2010 Stellar Winery Heaven On Earth, Südafrika
Fragen an den Suffmeister (a.k.a. Sommelier)
1. Anzahl der Positionen
Ca. 450 Weine
2. Haben Sie einen besonderen Fokus bezüglich der Weinkarte?
Griechenland und Deutschland
3. Welche ist Ihre preiswerteste/teuerste Flasche?
2013 Rivaner Weingut Johnerin Baden für 22 Euro
1987 Rubicon Niebaum Coppola für 220 Euro
4. Die ungewöhnlichste Rarität?
1990 Trollinger Weißherbst Beerenauslese vom Weingut Bader in Stetten (0,5l für 98 Euro)
5. Welches ist Ihr meistverkaufter Wein der letzten 12 Monate?
2012 Santorini "Mylos" Vieilles Vignes von Hatzidakis für 48 Euro
6. Ihre Entdeckung der letzten 12 Monate?
Weingut Kikones in Thrakien
7. Ihr Lieblingswein...
Daumas Gassac. Kraftvoll und voluminös, aber immer elegant wie ein großer Bordeaux.
8. Der ausgefallenste (vinophile) Gästewunsch, mit dem Sie konfrontiert wurden?
Die Etiketten der Weine sollten farblich zur Garderobe der Gastgeberin passen.
Hinweis
Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.