Restaurantkritik 11.Februar 2016

BERLIN JAZZ

Duke Ellington gilt bis heute als einer bedeutendsten Jazzpianisten aller Zeiten, der mit seinem Stil und seinen Entertainerqualitäten unzählige Musiker inspirierte. Und nicht nur das: Offensichtlich leihen sich bis heute auch Hotels und Restaurants seinen prominente Namen, wie im Falle des Duke, das sich im Ellington-Hotel im westlichen Teil Berlins befindet. Hier gastierte nicht nur die besagte Jazzlegende, sondern auch so manch anderer renommierter Künstler wie Louis Armstrong und Ella Fitzgerald. Außerdem überträgt das Berliner Jazzradio jeden Tag live aus dem Erdgeschoss des Hotels. Für das gustatorische Wohl zeichnet seit 2012 Küchenchef Florian Glauert verantwortlich, der nicht nur für die Gäste des Fine-Dining-Restaurants, sondern auch für die des Sommergartens, des Frühstücksrestaurants und des gesamten Bankettbereichs am Herd steht. Dass er sich in Anbetracht dieses Aufgabenspektrums auch noch mit Ehrgeiz einer anspruchsvollen Küche widmet, verdient Respekt.

Florian Glauert ist herumgekommen: Neben Stationen bei Christian Lohse im „Fischers Fritz“, als Küchenchef im „Grill Royal“ und als Konzeptberater für das „Kochhaus“ verschlug es den gebürtigen Berliner außerdem zum Culinary Institute of America und nach Barcelona ins „El Raco de can Fabes“. Seit drei Jahren ist Glauert nun im Duke, das (ebenso wie das angrenzende Hotel) im ehemaligen „Haus Nürnberg“ Einzug gefunden hat und dank seiner auffällig langen, in Messing gefassten Fassade bereits von außen prachtvoll aussieht. Innen präsentiert sich das Restaurant im Stil der 20er-Jahre: klassisch und gemütlich, nicht kitschig, aber auch nicht industriell aufgeräumt. Bilder an der Wand, Weinflaschen in Holzregalen, gepolsterte Stühle – großartig ablenken oder gar stören tut hier nichts, sodass wir uns vollends aufs (Fr-)Essen konzentrieren können. Los geht’s...

Als Amuse serviert uns die Küche einen gelierten Sud von eingemachten Rüben. Fein abgeschmeckt, mit einer dezenten Säure von roter Bete und Essig, ist das Süppchen ein prima Einstieg in den Lunch.

Es geht klassisch mit Velouté & Tatar von Fin-de-Claire-Austern mit Nori und Artischocke weiter – süffig und schaumig das Ganze, mit präsentem Meeresaroma und der Textur der frischen Muschel. Dazu hätten wir die etwas zusammenhanglosen Artischocken-Chips gar nicht gebraucht.

Als erster Gang kommt eine geflämmte bretonische Sardine mit Sommerrolle, Miso und gehobelter Gänseleber auf den Tisch. Schön zurechtgemacht hat sie sich, die Sardine, und liegt bereitwillig neben den Pralinen. Ein durchdachter Teller, bei dem vor allen Dingen die vietnamesische Nuoc-Cham-Sauce und die Sommerrolle die nötige Frische zum eher herzhaften Zusammenspiel aus fettreicher Praline, salzigem und auf den Punkt gegartem Fisch und cremiger Foie gras bringen. Sehr gut!

Die Essenz der Aubergine ist der Star und das geschmackliche Leitmotiv des veganen zweiten Gangs. Dazu gesellen sich geräuchertes Traubenkernöl, Brombeeren und knusprige Kichererbsen. Eindrucksvoll, was man aus einer Aubergine machen kann, wenn sich nur die richtigen Partner dazugesellen. Vor allen Dingen die Erbsen bringen cremige, nussige Noten in die sehr intensive, aber nicht zu bittere Auberginen-Monarchie am Tellerboden. Die Brombeeren fungieren als Säuregeber und vertragen sich prima mit dem Auberginenpüree, das an keinem Punkt aufdringlich oder überlagernd rüberkommt. Überzeugend.

Zum sous-vide gegarten Short Rib vom US-Beef wird uns ein Messer gereicht, das selbst Crocodile Dundee vor Neid erblassen lassen würde. Muss das so groß sein? Auf der Rippe finden wir eine Paprikasalsa und daneben gerösteten Mais, Liebstöckel und eine Krokette. Eine klassische Steakhouse-Kombination also, wobei wir der Meinung sind, dass der Trend zum Sous-vide-Garen von Fleischstücken des Öfteren hinterfragt werden sollte - die Konsistenz ist oftmals langweilig weich und den Geschmack bringt es nicht in allen Fällen nach vorn. Sei’s drum: Das Fleisch ist auf den Punkt und zerfällt schon fast vom Anschauen (womöglich aus Angst vor der riesigen Machete), der Mais steuert dann den nötigen Biss bei. Die Krokette ist zwar kein kulinarisches Wunder, bringt aber immerhin etwas Cremigkeit ins Tellergeschehen. Nur die Paprikasalsa ist uns bei unvorsichtiger Dosierung etwas zu weit vorne dabei und erschlägt den feinen Geschmack des Rippenstücks. Ansonsten aber ein guter, wenn auch nicht sonderlich überraschender Gang.

Das Reh durfte seinen Rücken post mortem in getrockneten Holunderblüten wälzen und erreicht uns mit der geschmorten, mit einer kräftigen Sauce bedeckten Schulter  – davon gießen wir uns noch vor dem ersten Bissen einen Schlückchen nach. Bei so einer erfreulich großen Menge Fleisch darf es ruhig etwas süffiger sein. Dazu kommt der Kohlrabi im Duett: als cremiges und fein abgeschmecktes Törtchen sowie bissfest ausgestochen. Für die typische Fruchtigkeit zum Wild sorgen Aprikosenstückchen. Insgesamt funktionieren diese herbstlichen Komponenten sehr gut miteinander, nur stört der bissig-bittere und trockene Holunder, der zwischen den Zähnen und an den Geschmacksknospen hängen bleibt. Dem Reh bleibt dadurch zu wenig Raum, um sein Wildaroma voll auszuspielen, sodass wir die Blütenmenge durch gekonnte Kratzbewegungen verringern und damit das handwerklich einwandfrei gegarte, kräftige und blütenfreie Reh für sehr schmackhaft, aber den ganzen Teller als etwas zu vorhersehbar (und mit den Blüten nicht ganz stimmig konzipiert) befinden.

Als Zwischengang vor dem Dessert liegen Pinienkerne mit Fichtenspitzen und Heidelbeeren in originellen „Weinglastassen“. Der erfrischende Gedanke dahinter gefällt uns, nur ist das Gelee aus Fichtenspitzen leicht überproportioniert, sodass sich ein „Beim Joggen über eine Wurzel gestolpert und mit dem Gesicht den Waldboden geküsst“-Gefühl einstellt. Nimmt man etwas weniger vom Nadelgehölz, dann bringt die Kombination aus dem Pinienkern-Eis und den halbierten Heidelbeeren eine wohlschmeckend-ausbalancierte Papillen-Neutralisierung.

Das „Wein“-Pairing zum Süßen von Uckermärker Kirschen „Y2K15“ ist ein cremig-süßer Kirschsaft-Smoothie, der die bitteren und sauren Elementen des Tellers erdet und verbindet. Die Kirsche wird kulinarisch durchdekliniert: als Sorbet, Marshmallow, Crème, Spiegel, Staub und in Reinform. Alles im Zeichen des Rosengewächses also, wobei die Kleckse von Crème Fraîche und Joghurt neutralisieren und die verschiedenen Texturen am Gaumen zueinander bringen. Ein gut schmeckendes, rundes Dessert.

Zum Abschluss die Petits Fours, wobei wir hier mit äußerst intensiven und unverfälschten Himbeeren überrascht werden. Eine tolle Idee, ein starkes Produkt für sich selbst stehen zu lassen und nicht nur auf die üblichen Zuckerbömbchen zu setzen – wenngleich auf diese nicht vollends verzichtet wird. Auf der süßen Seite gefällt uns vor allen Dingen das Schokoladen-Pavé.

Florian Glauert (links sitzend) und sein Küchenteam schaffen es besonders am Anfang des Menüs zu überraschen, während sie sich bei den Hauptspeisen eher auf klassisch-französischem Terrain bewegen. Seinen Kochstil nennt Glauert selbst "Cuisine Logique", eine Küche, die "aufregende Aromen, neue Horizonte und alte Werte" zusammenbringen soll. Für uns jedoch geht der Horizont-Faktor gerade bei den deftigen Fleischgerichten nicht weit genug, um wirklich neue Perspektiven zu eröffnen. Die Qualität des Handwerks und der Einzelkomponenten ist hoch, nur wünschten wir uns von den besagten Überraschungsmomenten noch ein paar mehr, um die ausgetretenen Pfade von Sous-vide und Gelierung zu verlassen und wirklich eigenständig zu sein. Betrachtet man Glauerts Vita, dann ahnt man, dass er das Zeug dazu hat, dem großen Namen hinter dem Restaurant gerecht zu werden; mit Kreationen wie der Sardine und der Aubergine sehen wir die Küche auf einem vielversprechenden Weg. Denn wie heißt es in Ellingtons bekanntestem Jazzstandard so schön: "It don’t mean a thing, if it ain’t got that swing!".

Immer zur Stelle und herzlich ist der Service unter Maître Jessica Kleinert und Sommelière Kati Dolecek, deren Weinbegleitung fast immer stimmig ausfiel.

Fazit

Das Berliner Duke ist eine sichere Adresse für klassische Küche mit französischem Einschlag und fairer Preisgestaltung. Florian Glauert arbeitet handwerklich präzise, schmeckt gekonnt ab und liefert gerade im ersten Teil des Menüs besondere Momente, die wir uns für die Zukunft auch bei den Hauptspeisen wünschten.

Wein

Die Weinbegleitung im Berliner Duke

2014 Von Buhl Riesling brut, Reichsrat von Buhl, Pfalz

2014 Bacchus Kabinett, Weingut K.H. Schneider, Nahe

2011 Riesling Charta, Weingüter Wegeler, Rheingau

2009 Terre Rare, Carignano del Sulcis Riserva, Sella & Mosca, Sardinien

2002 Trivalente, Pillitteri Estates Winery, Kanada

Fressfreunde

Kulinarisches Interview

"Florian Glauert überzeugt mit modernen Interpretationen der Gerichte. Ein positiv "Verrückter", aber immer mit beiden Beinen auf dem Boden. Schafft hervorragend den Spagat zwischen Hotel und moderner und innovativer Küche. Auch visuell haben seine Teller "Topmodel-Charakter". Ich bin immer wieder von seinen Kreationen beeindruckt. Der Michelin schaut sicher schon "um die Ecke" und hat ihn auf dem Schirm."

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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