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Restaurantkritik 11.November 2019

Kroliks grüner Daumen

Irgendwas ist anders. Zwei Jahre sind vergangen, seit wir zuletzt im Lafleur waren, und als wir es diesmal betreten.... ist irgendwas anders ... Wir können es im ersten Moment nur nicht recht bestimmen. Dann fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Der ganze Laden ist neu eingerichtet! Da sind neue Sessel und neue Tapeten, das schrille Lila ist einem dezenten Grau gewichen (der Standardfarbe internationaler Spitzenrestaurants). Das ist alles sehr diskret und nicht hypermodern oder exzentrisch, passt in seiner zurückhaltenden Eleganz aber gut zu Kroliks Küche, wie wir sie erinnern.

Vor allem aber mögen wir das Lichtdurchflutete des nahezu vollverglasten Restaurants, mit Blick auf Grün, weshalb es sich hier mittags oder an einem frühen Sommerabend besonders schön speisen lässt. So wie an diesem Abend. Miguel Martin ist auch da und bester Laune – eigentlich kann nicht mehr viel schiefgehen.

Dass Andreas Krolik ein Großmeister der veganen Küche ist, muss nicht mehr groß betont werden. Ein bisschen Fisch und Fleisch soll es heute aber auch sein, also lassen wir die Küche einfach schicken. Eine Mischung aus beiden Menüs ist die einzige Vorgabe. Los geht's!

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Die Präsentation der Aperos erinnert uns zwar immer wieder an die einstige Tradition im Aqua, aber auch im Lafleur ist die Kombination aus Suppenshot und Knusperhappen inzwischen ein Klassiker: Diesmal ein köstlicher, kräftig-eleganter Shot von weißem Spargel, Estragonessig mit Paprika-Apfelweinschaum sowie eine gebackene Schale von neuen Kartoffeln, gefüllt mit getrüffeltem Kartoffel-Estragon-Salat, perfekt gewürzt, bei dem uns nur die Kartoffelwürfelchen nicht ganz durchgegart erscheinen.

Das Amuse würde anderswo bereits als Vorspeise durchgehen: Wagyutatar mit Piquillogelee, Eis von Anchovis und ungestopfter Bio-Gänseleber, Senfcrème und Gurkenrelish. Das Tatar ist nicht zu fein gehackt und bekommt durch den natürlichen Fettgehalt des Wagyus einen tollen Schmelz. Dieser wird durch das Eis nochmal verstärkt, ebenso wie die Umami-Wucht – wobei Senf und Gurke für ausgleichende Frische sorgen. Richtig gut.

Nach dieser geballten Fleischeslust eröffnet Krolik das Menü mit einer veganen Kreation: Salat von Frühlingsgemüse mit weißem Spargel, Radieschen, Karotte, Bärlauch, Mandeln und Rapssamen. Solche Gemüseteller stehen oder fallen mit drei Faktoren: Produktqualität, Vinaigrette - beides ist hier exzellent. Noch wichtiger aber ist die Garung, denn in der Abstufung der Bissfestigkeit liegen Finesse und Spannung. Und da ist dieses Ensemble nachgerade perfekt. Es schmeckt frisch, fruchtig, säuerlich, in jeder Hinsicht abwechslungsreich. Von den diversen "Salaten", die wir im Lafleur hatten, ist dieser der beste.

Beim Filet vom geangelten Island-Kabeljau befürchten wir die klassische Fisch-Langeweile - nicht zuletzt, weil Kabeljau ein grundsätzlich langweiliger Fisch ist, egal, woher er stammt. Tatsächlich scheint der erste Bissen mit Schalottenbutter (als Kruste) und Kaviar (aus Fulda!) unsere Befürchtung zu bestätigen. Dann nehmen wir etwas Dashi mit Erbsen und Ingwer dazu - und siehe da: schon besser, voller und dichter im Geschmack, würzig und ganz leicht süßlich von den Erbsen. Der Clou kommt allerdings in Form einer Wasabi-Kartoffel-Crème dazu, also einem mit Wasabi verschärften Kartoffelpüree. Und genau diese cremig daherkommende Schärfe gibt dem Gericht den entscheidenden Kick. Sie ist exakt richtig dosiert, um die Papillen für die anderen Zutaten zu spitzen, besonders für den Fisch, der auf einmal gehörig an Geschmack gewinnt. Auch der Kaviar wird durch das kartoffelige Wasabi ganz neu inszeniert. Wow. Dachten wir zu Beginn noch, dass wir diesen Gang kaum anrühren würden, geht am Ende ein komplett leergeputzter Teller zurück.

Nun wird es wieder vegan, mit grünem Spargel und gebratenen Artischocken mit Trüffeljus, Balsamicoschalotten, Polentacrème und Champignons. Das ist sehr klassisch, bewährt in der Kombi und makellos in der Umsetzung: knackiger Spargel bester Qualität, nussige Artischocken, erdiger Trüffel und süßsäuerliche Schalotten - wunderbar. Wie exakt Krolik seine Kompositionen durchdenkt, erkennt man an den Details: Ein bisschen Champignoncrème, hauchdünne Champignonscheibchen und ein paar Artischockenchips für die Textur, das gibt dem Teller das entscheidende Quäntchen Finesse.

Noch viel besser gefällt allerdings das alternative Vegan-Gericht aus jungem Spinat, Kohlrabi-Sellerieröllchen, Yuzuschale, Kohlrabivelouté, Senfkörnerjus und Selleriecrispie. Der Spinat ist unglaublich zart, mit leicht nussigen, feinherben Noten - eine Geschmackswelt, an die Kohlrabi und Sellerie perfekt andocken. Und obwohl diese Knollengemüse potenziell schwer und deftig sind, wirken sie hier filigran und elegant. Ein paar Zesten Yuzu verleihen dem Ensemble ätherische Frische, ideal ergänzt vom dezenten Senfkörnerjus. Das ist alles so fein, so präzise und von einer so perfekten Harmonie, dass zumindest der Verfasser dieser Zeilen seine persönliche Götterspeisen-Karte zieht.

Ein Signature-Gericht von Andreas Krolik sind die Bouillons mit Foie-Ravioli vor dem Hauptgang. Diesmal eine Taubenbouillon mit Ravioli von der Bio-Gänseleber und Wachtelei - intensive, heiße Suppe, perfekt gearbeitete Teigtaschen mit schmelzender Füllung, das ist einfach jedes Mal wieder sensationell!

Leider können wir das vom Hauptgang nicht sagen. Die gewürzte Étouffée-Taubenbrust mit kandierten Oliven, Praline von Taubenconfit, Chicorée-Karotten-Tatar und Bergamottejus gehört laut Krolik zwar zu den beliebtesten Gerichten des Menüs. Uns aber kann die Kreation nicht recht überzeugen. Das Spiel mit leicht bitter-herben und süßlichen Aromen ist grundsätzlich spannend, aber insgesamt ist uns auf diesem Teller zu viel los. Neben den bereits genannten Komponenten gibt es nämlich noch eine Morcheltapenade, Bohnencrème und einen Panisse-Würfel. Wozu diese Ablenkung von der zentralen Idee? Von diesem wilden Sammelsurium abgesehen, empfinden wir auch die Kruste auf dem Fleisch als zu mächtig und intensiv, gerade auch wegen der ebenfalls sehr intensiven Innereienpraline, so gut sie für sich genommen auch ist.

Nach diesem wuchtigen Fleischgang kommt das Pré-Dessert aus Basilikumschaum, Cidergranitée und Apfel-Staudensellerie gerade recht: leicht, frisch, kühl, mit einer wohldosierten Säure.

Bei den Desserts fahren wir wieder zweigleisig. Für einen von uns gibt es Feines von Rhabarber mit Ziegenfrischkäse, Matcha, Eis von Frankfurter grünen Kräutern und Pistazie. Hier spielt die Pâtisserie mit einer Kombination aus herben und säuerlichen Komponenten - was schnell eintönig wirken könnte, wenn die Produkte nicht so originell gewählt wären: Frankfurter Kräuter und Ziegenfrischkäse sind nicht unbedingt konventionelle Dessert-Zutaten, werden hier aber in mehrheitsfähiger Weise eingesetzt. Der milde Käse wirkt dabei wie eine Brücke zwischen dem säuerlichen Rhabarber und dem süß-herben Eis; Pistazie und Matcha geben dem Ganzen Textur und Substanz. Klingt vielleicht verkopft, ist jedoch von einer äußerst schmackhaften Eingängigkeit.

Noch besser mundet das vegane Dessert aus marinierten Mispeln, Physalis, Grand-Cru-Schokolade, Duftreis-Crème und Tahiti-Vanilleeis. Mispeln bekommt man in Frankfurt normalerweise nur in Äppelwoi-Kneipen, und zwar aus der Dose und mit Calvados aufgefüllt (ein Top-Absacker nach schwerer Kost). Bei Krolik sind die Früchte fein mariniert, sodass ihr süßer und feinsäuerlicher Eigengeschmack erhalten bleibt. Dazu (unter anderem) ein großartig vanilliges Vanilleeis, knuspernde Schokolade als Erdung und vor allem eine gar göttliche Duftreis-Crème, die dem Ensemble einen hintergründigen asiatischen Touch gibt. So ein Dessert, im Grunde absolut klassisch, macht richtig Freude.

Die Petits Fours: Baileys-Praline, Salzkaramell, Himbeerpraline und Cheesecake. Und ja, die haben wir auch alle noch verputzt ...

Zufrieden, nein: sehr zufrieden lehnen wir uns nach diesem großartigen Menü zurück. Tatsächlich haben wir den Eindruck, dass Andreas Krolik seit unserem letzten Besuch nochmal eine kleine Schippe draufgelegt hat (von der Taube einmal abgesehen). Für uns zeigte sich das insbesondere an raffinierten Details, die den Kreationen den entscheidenden Kick gaben – sei es das Wasabi-Püree beim Kabeljau oder die Yuzuschale beim Spinat.

A propos Spinat: Die veganen Gerichte begeisterten uns diesmal so sehr wie nie zuvor. Sie waren originell und köstlich, als würde die Auseinandersetzung mit den beschränkteren Möglichkeiten zu intensiveren und noch durchdachteren Kreationen führen. Aktuell wüssten wir in Europa keinen Chef, der bei dieser Küchenrichtung Kroliks Niveau erreicht. Sämtliche Gänge waren purer Genuss. Seine Kreationen, ob vegan oder omnivor, wirken klassisch, haben bei aller Präzision auch etwas angenehm Spielerisches. Eine schöne Mischung.

Bemerkenswert auch, dass an diesem Abend unter der Woche (!) das Haus voll war. Das erleben wir in Deutschland oft genug anders, speziell auf diesem (Preis-)Niveau. Was uns zu einem Kritikpunkt bringt, den wir ausgesprochen häufig von Lesern hören und den wir hier nur am Rande als dezente Anregung formulieren möchten: Die Weinkalkulation (speziell auch beim Aperitif) sollte man überdenken, denn sie scheint für so manchen der Hinderungsgrund für einen Besuch (oder eine Rückkehr) zu sein. Andererseits zeigt die Auslastung an diesem Abend: Der Erfolg gibt der Küche recht. Der Wohlgeschmack sowieso.

Fazit

Immer noch Nr. 1: Besser als bei Andreas Krolik im Lafleur kann man in Frankfurt nicht essen - vegan noch viel weiter darüber hinaus...

Wein

Die Weine im Restaurant Lafleur in Frankfurt

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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