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Restaurantkritik 29.Mai 2018

Bonjour bei Nagaya

Müssen wir das Nagaya wirklich noch vorstellen? Wann immer wir in den sozialen Kanälen etwas über das Restaurant posten, ernten wir begeisterte Kommentare – gerade so, als würden wir vom liebsten Stammlokal all unserer Leser berichten. Tatsächlich gehört das Nagaya auch für uns selbst zu den Lieblingslokalen, allerdings zu jener Sorte, die wir viel zu selten besuchen. Es verschlägt uns eben nur selten nach Düsseldorf. Aber wenn wir da sind, führt kein Weg an der Klosterstraße 42 vorbei. Auf dem fünfminütigen Spaziergang vom Hotel merken wir wieder, dass Düsseldorf die größte japanische Gemeinde Deutschlands hat: In der Gegend zwischen Klosterstraße und Graf-Adolf-Straße findet sich das einzige Japantown Deutschlands, mit diversen Geschäften, Restaurants und Vereinen für die Düsseldorfer mit Nippon-Migrationshintergrund.

Den kulinarischen Mittelpunkt des Viertels bildet zumindest für uns das Nagaya – aber offenbar auch für andere, denn am Mittag unseres Besuchs ist das Restaurant komplett ausgebucht. Gleichwohl sitzen vorwiegend Europäer an den Tischen. Die meisten Japaner, so erklärt uns Herr Nagaya, bevorzugen eher sein Zweitrestaurant Yoshi. Liegt das womöglich an der leicht französischen Prägung des Stammhauses? Uns eigentlich egal, denn wir haben Hunger ...

Fotocredit: Tischnotizen.de

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Als Amuse gibt es ein mit Gänseleber gefülltes Teigröllchen – außen herrlich knusprig, innen samtig-schmelzend. Dazu etwas Frische und etwas Säure, wunderbar. Wenn auch eher französisch als japanisch.

Aber Nippon lässt nicht auf sich warten: Es gibt Shimaaji (japanische Holzmakrele) aus Kagojima mit Rapsblüte und geriebenem Daikonrettich; dazu Yuzu-Soja-Sauce und Ei-Streusel. Die Makrele ist von hervorragender Qualität und hat einen kraftvollen Eigengeschmack. Dieser wird von den ebenfalls kräftigen, aber keineswegs überbordenden Beigaben sehr stimmig umgarnt; insbesondere die köstliche Yuzu-Soja-Vinaigrette bringt den Fisch nochmal besser zur Geltung. Sehr stark.

Der nächste Teller ist ein Überraschungspaket: Unter einem sämig-dichtem Eigelbschaum verbirgt sich eine Kombi aus Jakobsmuschel, Garnele und Schneekrabbe – wow, ist das gut! Wir gehen mit Messer und Gabel beherzt zur Sache, und schnell vermischt das Ganze sich zu einer Art Meeresfrüchteragout erster Güte, mit knackiger Garnele, zarter Muschel und der ganz speziellen, zwischen Zartheit und Biss changierenden Textur des Krabbenfleischs. Alles auf den Punkt gegart und exakt gewürzt (nämlich eher dezent). Dazwischen Stücke von Cashews für den speziellen Knack und natürlich der grandiose, alles vereinende Eigelbschaum, der wie ein Geschmacksverstärker wirkt. Trotzdem, und das ist so verblüffend, bleibt es elegant und filigran. Ein Meisterstück und eine Götterspeise.

Wir bleiben bei den Meeresfrüchten: Beim Raviolo von argentinischer roter Garnele irritiert uns die Bezeichnung als Teigtasche, denn es handelt sich eher um ein leicht in Tempurateig ausgebackenes Krustentier. Insofern bewegen wir uns doch wieder auf japanischem Küchenterrain. Das soll uns recht sein, denn mit der hauchdünnen, krossen Hülle gefällt uns das Teil ganz ausgezeichnet – und weder die knackige Textur noch der delikate Eigengeschmack der Garnele werden von einem Nudelteig erdrückt. Dazu eine exzellente Hummer-Bisque, harmonisch kombiniert mit Orangen-Ingwer-Schaum. Mehr braucht es nicht. Sehr rund, sehr köstlich.

Und nochmal Meeresfrucht, diesmal in Gestalt der von uns so heiß geliebten Königskrabbe, pochiert und gewürzt mit Avocadopüree und Yuzu-Miso-Sauce. Auch hier sind die würzenden Elemente – sprich: Püree und Sauce – so exakt dosiert, dass sie die ungemein delikate Krabbe unterstützen, ohne ihr in die Quere kommen. Einmal mehr ganz große Klasse.

Beim nächsten Gang bleibt es mit confiertem weißem Heilbutt, Gemüsegarten und Spicy Lemon Sauce maritim. Hier besticht die hervorragende Qualität des Hauptprodukts, und auch die Gemüsestückchen sind bemerkenswert knackig auf den Punkt gegart. Dazu eine Limonenvinaigrette, deren feine Schärfe etwas Spannung an den Gaumen bringt. Alles hübsch und gut, aber auch etwas brav und konventionell mediterran. Oder anders gesagt: Dieser Teller kann uns nicht so begeistern wie die vorherigen Gänge.

Umso besser gefällt uns die kleine Auswahl an Nigiris (von rechts): mit Jakobsmuschel, japanischer Dorade, Thunfischrücken und Thunfischbauch. Neben der schieren Produktqualität und der (für unsere relativen Sushi-Laiengaumen) hervorragenden Körnung, Temperatur und Würze des Reises begeistert uns auch der Verlauf beim Mundgefühl: Es geht los mit der zarten, mageren Jakobsmuschel, gefolgt von der etwas festeren Dorade, hin zum kernigen Thunfischrücken und dem fetten Schmelz des Thunfischbauch. Großartig!

Jetzt gibt es Fleisch – endlich, möchten wir fast sagen. Das Filet vom trocken gereiften Holstein-Rind wird von einem unglaublich dichten Trüffeljus umspielt, dazu im Schälchen ein Kartoffelespuma mit Trüffel und Pekannusssowie eine Kartoffel-Kohle-Krokette. Das klingt vielleicht nach anstrengender Kleinteiligkeit, aber beschreiben wir das Ganze mal anders: Rind-Kartoffel-Trüffel – wenn man es auf die Hauptingredienzen runterbricht, merkt man plötzlich, von welch zwingender Logik dieser Teller ist. Wie man es auch dreht und wendet, ist das jenseits aller Gedankenspiele ein wohltuend überschaubarer, harmonischer und schlichtweg exzellent austarierter Hauptgang. Nicht sehr japanisch, aber sehr, sehr gut.

Auch das Dessert mutet im ersten Moment eher französisch an – was insofern unrichtig ist, als dass diese Art der Pâtisserie auch in Japan stark kultiviert wird. In einer Glaskugel (kein Zuckerball!) haben wir ein Ananasragout mit Sanonto-Eis (japanischer Zucker), Schokoladenmousse und Kakao-Sauce. Wir fürchten zunächst einen Schoko-Overkill, sind dann aber umso überraschter ob der (relativen) Leichtigkeit dieser Süßspeise. Die Ananas könnte zwar etwas aromatischer sein, aber die Mousse ist flaumig-zart und das Eis von einer schönen Karamelligkeit – kein Wunder, denn "Sanonto" bezeichnet schlichtweg karamellisierten weißen Zucker. Alles in allem ein gutes Dessert.

Was war das wieder mal für ein befriedigender Mittag in der Klosterstraße 42. Wir wüssten nicht, wo man in Deutschland eine vergleichbare Küche findet – was wir vor allem auf die Stilistik beziehen. Yoshizumi Nagaya wandelt mit erstaunlicher Souveränität auf dem Grat zwischen japanischer und französischer Küche – wobei letzterer seit jeher eine starke Gewichtung zukommt, unterfüttert mit dezenten Komponenten seiner Heimat. So können wir hier sicher nicht von "japanischer Küche" sprechen, aber auch nicht von modischer "Fusion Cuisine". Vielmehr hat Yoshizumi Nagaya aus der Kombination von europäischer Komplexität und der Philosophie der japanischen Kochkultur – ihrer Reduktion und ihrer aromatischen Klarheit – eine ganz eigene Stilistik entwickelt. Und die schmeckt uns einfach verdammt gut. 

FAZIT

Düsseldorf hat nicht nur das einzige Japantown Deutschlands, sondern mit dem Nagaya auch ein einzigartiges Restaurant, das mit großer Authentizität eine Brücke zwischen japanischer und mitteleuropäischer Kochkunst schlägt.


Text: Kai Mihm

Wein

Die Weine im Restaurant Nagaya in Düsseldorf

Krug Grand Cuvee, Champagne 

2011 "Ried Lamm" Grüner Veltliner, Weingut Jurtschitsch, Kamptal

2015 Mercurey Chateau Chamirey, Burgund

Sake Gazanryu Tokubetsu "Akiagan"

Eure Meinung?

Japanische Küche in Deutschland – für Euch eine Option?

 

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