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Restaurantkritik 12.Juli 2018

Highlight in Heeze

Wir befinden uns in Holland. In Heeze, einem Vorort von Eindhoven. Alles sehr nett und beschaulich, und auf sympathische Art "typisch holländisch". Warum also trägt unser heutiges Zielrestaurant den Namen "Tribeca"? Um es kurz zu machen: Wir haben keine Ahnung. Inhaber und Küchenchef Jan Sobecki, der das Lokal Mitte 2016 übernahm (davor Heimstatt des Boreas), hatte früher zwar im Craft in New York gearbeitet. Allerdings befindet sich das im Stadtteil Gramercy Park. Hm.

Aber was sind schon Namen? Uns interessieren Stationen und Auszeichnungen viel mehr. Und da war uns Sobecki schon länger aufgefallen. Vor dem Tribeca arbeitete er als Küchenchef im mittlerweile geschlossenen Chapeau in Bloemendal. Dort hatte er zwei Sterne und stattliche 18,5 Punkte erkocht. Auch für sein eigenes Restaurant gab es auf Anhieb zwei Sterne. Der Gault Millau zückte im Guide 2018 satte 19 Punkte. Damit gehört Sobecki zur absoluten Topliga der Niederlande.

Wie so viele niederländische Spitzenrestaurants befindet sich das Tribeca in einem relativ unscheinbar aussehenden Gebäude, das auch ein Einfamilienhaus sein könnte. Drinnen herrscht dezenter Luxus, eher gemütlich als prunkvoll. Sehr angenehm.

Wir nehmen heute aber nicht im Gastraum Platz, sondern haben am "Chefs Table" reserviert. Der besteht aus einer Theke mit 12 Plätzen und befindet sich in einer primär für diesen Tresen erbauten Küche (heißt: es gibt noch eine weitere Küche für den herkömmlichen Gastraum). Dadurch wirkt das Ganze eher wie ein eigenständiges Restaurant. Beeindruckend ist die Preisgestaltung: Das feste 12-Gang-Menü (plus Amuses) kostet gerade einmal 145 Euro.

Stilistisch, so erläutert Sobecki zu Beginn des Abends, unterscheidet sich das Menü am Chef's Table vom Menü im Hauptrestaurant: Während dort sehr kleinteilige und kompositorisch aufwändige Kreationen auf den Tisch kommen, geht es am Tresen puristischer zu – aber nicht weniger anspruchsvoll. Auch dient der Chef's Table teilweise als eine Art Testlauf für Ideen, die später vielleicht in ausgeschmückter Form auf der Restaurantkarte landen.

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Den Auftakt zum Apéro macht ein krosser Chip: Topinambur mit Apfel und Kastanie verbindet Säure, erdige Würze und nussige Süße - ein Volltreffer.

Es folgt eine Foie-gras-Zigarre mit Schokolade und Bergamotte. Extrem fein gearbeitet, leicht knusprig, mit viel Schmelz von Leber und Schokolade, dazu etwas Säure und Fruchtsüße. Ein filigranes Aromen- und Texturspiel.

Nicht minder gelungen ist das Kalbsbries mit Curry und Estragon: würzig und knusprig, zugleich frisch und mit Schmelz. Sehr schön.

Außerdem werden Chips von Karotte, Topinambur und Grünkohl auf den Tressen gestellt. Vor allem letztere gefallen uns mit ihrem papierdünnen Crunch ausgesprochen gut.

Das Menü startet mit Bouillabaisse: Schalentiere, Fenchel und Rouille. Das sieht wunderschön aus, bleibt aber geschmacklich allzu nett und harmonisch. Die diversen Komponenten vermischen sich zu einem undifferenzierten, überraschend milden Geschmacksbild. Es fehlt eine Ecke hier, eine Kante dort - und vor allem fehlt es an Pointiertheit. Alles in allem eher langweilig.

Das können wir vom nächsten Gericht nicht behaupten. Der Weiße Thunfisch mit Passionsfrucht, Koriander und Kakao bringt den Tuna mit einer Eleganz und einer Pointiertheit zum Strahlen, wie wir es bei diesem Produkt selten erleben. Thunfisch, seien wir ehrlich, bringt nicht sehr viel Eigengeschmack mit. Worum es also geht ist, das milde Eigenaroma möglichst gut herauszukitzeln. Sobecki tut dies, indem er das Tatar relativ grob belässt und mit einer Passionsfruchtmarinade einpinselt - die Säure hebt den Thunfischgeschmack. Auch die herbsüßen Kakaobrösel, das ätherisch-herbe Koriandergrün und eine frische Vinaigrette auf Basis von Koriandersaat-Öl unterstreichen das delikate Meeresaroma. Durchaus komplex und überaus köstlich.

Als nächstes gibt es Carabinero mit Aanno-Gold-Kaviar und Ponzu - ein Knaller! Das Bild sagt im Grunde alles: Ein saftiger, fleischiger Carabinero von exzellenter Qualität wird von einer samtigen, feinsäuerlichen Ponzu-Hollandaise umspielt (die aus einem Espuma-Spender kommt). Eine Gaumenschmeichelei par excellence. Als i-Tüpfelchen gibt es ordentlich Kaviar aus einem Zuchtbetrieb in Eindhoven. Er ist von bemerkenswerter Qualität und setzt mit seiner meerigen Salzigkeit nochmal einen wichtigen Akzent. Ganz hervorragend.

Die Auster mit Kohlrabi, Bockshornklee und Iberico-Schinken hat eine ordentliche Intensität, die sich aus der Jodigkeit der Prachtmuschel und der Nussigkeit des Schweins speist. Das Zusammenspiel funktioniert sehr gut, zumal der Gemüsekohl eine schöne Saftigkeit liefert. Lediglich die Dopplung der cremigen Textur zum vorherigen Gericht hätte nicht sein müssen.

Weiter geht's mit Steak-Tatar, Meerrettich, Seeigel und Ziegenkäse. Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Kombination, die für unser Empfinden nicht so ganz funktioniert. Das Fleisch, der Meerrettich und der Ziegenkäse passen natürlich prima zusammen. Die Seeigelzungen sollen vermutlich einen kontrastierenden Akzent setzen, entwickeln aber speziell mit dem säuerlichen Käse einen sehr intensiven, leicht stechenden Geschmack. Es bleibt interessant, wird aber nicht wirklich lecker.

Wie eine Beruhigung wirkt danach der Grüne Spargel mit Butter, Eigelb und Limone. Das ist ein What-you-see-is-what-you-get-Gericht: sehr guter, knackig-buttriger Spargel, dazu pochiertes Ei und eine zitronig-frische Sauce. Passt, schmeckt, hallt aber nicht allzu lange nach.

Nachgerade klassisch fällt der Fischgang aus: Atlantik-Dorsch mit Zwiebeln, Kartoffel und Trüffel - und es schmeckt auch großartig klassisch. Der saftige, perfekt gegarte Fisch sitzt auf einer Kartoffelcrème und wird von Zwiebelconfit und schwarzem Trüffel bedeckt. Dazu eine sämige Sauce aus hausgemachter Trüffelbutter und Hühnerfond, denn Umami kann ja nie genug sein. Als einzigen Kritikpunkt haben wir hier, dass der Trüffel fast schon zu mächtig dosiert ist und dadurch zu dominieren droht. Ansonsten ist das aber ein süffiger, wohliger Fischteller, bei dem wir die letzten Saucenreste unverhohlen mit dem Finger vom Teller wischen.

Schon vor eine Weile konnten wir die Vorbereitung des Entenleber-Ganges beobachten: Dazu wurde die Foie in eine raue Menge von Zitrus-Trockenfrüchten und Gewürzen gehüllt und darin gebacken wie in einem Salzteig. Wir sind mächtig gespannt, wie das schmeckt.

Auf dem Teller sieht die Entenleber mit Gewürzen, Zitrusfrüchten und Quitte dann so aus - nämlich ziemlich unscheinbar. Aber wie das schmeckt! Die Leber ist so aromatisch, als hätte sich ihr Eigengeschmack durch das Backen potenziert. Ihr fetter Schmelz und die aromatische Dichte der süßsäuerlichen Sauce von den Trockenfrüchten ergänzen sich prächtig. Dank der Gewürze kommt dabei auch nie der Eindruck eines verfrühten Desserts auf. Eine ebenso originelle wie exzellente Foie-gras-Kreation.

Als ersten Hauptgang gibt es Anjou-Taube mit Süßkartoffel, Pancetta und Kirsche. Zu erwähnen ist hier zuvorderst die herausragende Qualität und Garung der Taubenbrust mit ihrer krossen, von feinem Fett unterlegten Haut. Ihr Geschmack ist kräftig und von der fruchtig-säuerlich-würzigen Sauce bestens komplimentiert. Dazu braucht es dann gar nicht mehr als etwas Süßkartoffelpüree (eigentlich eher ein Espuma) und das Keulenfleisch im Knusperröllchen. Als Aperçu ein Stück vom Herz und eine eingelegte Kirsche - davon hätten es gerne auch zwei sein dürfen. Ein Gericht von wunderbar schlüssiger Klarheit.

Finalement noch Fleisch: Shortrib mit Pfifferlingen, Zwiebel, Miso und "Cruesli" knüpft konzeptionell an die Taube an. Im Mittelpunkt steht exzellentes Fleisch (Wagyu vom Tajima-Rind), das lediglich von ein paar wenigen Gemüsekomponenten ergänzt wird. Dazu noch ein wenig Sauce auf Miso-Basis und ein Zwiebelpüree (auch dieses wieder mehr ein Espuma). Im Kontrast zur leicht fruchtig-süßlich gerahmten Taube ist das Geschmacksbild hier deutlich herzhaft und von Umami geprägt. Es schmeckt dicht und dunkel, süffig und fleischig - aber nicht schwer oder plump. Genau richtig.

Beim Käsegang verbindet Sobecki Traditionelles mit Originellem: Es gibt Pierre Robert mit Trüffel, Brioche und Manjari. Käse, Trüffel, Brioche - das kennt man, das passt immer bestens. Hier aber wird der Käse als eine Art Crèmesauce mit Trüffel auf Brioche serviert, die wiederum auf einer Schoko-Ganache sitzt. Käse und Ganache? Wir sind zunächst skeptisch, nach dem ersten Löffel aber bass erstaunt, wie gut das funktioniert! Das Herbe der Schokolade und das Würzige des Käses werden vom Trüffel zusammengeführt und von der buttrigen Brioche auch zusammengehalten. Ja, es bleibt ein bisschen schräg, aber diesmal auf positive Weise.

Beim Dessert wird es dann wieder klassischer: Die Kreation aus Blutorange, Basilikum und Pistazie katapultiert uns direkt nach Sizilien. Die Harmonie aus Frucht und Nussigkeit, Säure und süßlicher Pfeffrigkeit vom Basilikum bricht Sobecki auf, indem er Kamille ins Spiel bringt. Deren weicher, aber auch kräuterig-herber Geschmack verleiht der Komposition Spannung, macht sie originell und komplex. Ein simpler Kniff, ein sehr gutes Dessert.

Und zum Abschluss natürlich noch ein paar süße Kleinigkeiten, wenngleich jetzt beim besten Willen nichts mehr reingeht.

Das war gut. Verdammt gut. Wie eingangs erwähnt kennen wir den Küchenstil des Hauptrestaurants nicht, aber was Jan Sobecki mit seinem Team am Chef's Table bietet, war in jeder Hinsicht beeindruckend. Nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Kreationen mit einer sehr überschaubaren Zahl von Komponenten auskamen. Dadurch wirkten sie kompositorisch entschieden und wir konnten uns auch Wochen später noch erinnern, was wir gegessen haben. Besonders in Holland, wo gerne Kleinteiligkeit auf den Tellern herrscht, wirkt Sobeckis Küche durch diese Reduziertheit wohltuend anders. Allein die inflationäre Verwendung von Espumas wurde im Lauf des Abends zu einem Running-Gag – hier wäre weniger mehr.

Geschmacklich waren fast alle Speisen sehr durchdacht, pointiert und zeigten eine schöne Balance aus originellen Ideen und wohliger Vertrautheit. Hier und da merkten wir, dass es sich beim Chef's Table um eine Art Versuchsküche handelt, wo Ideen sozusagen am lebenden Objekt getestet werden. Das macht die Sache durchaus auch spannend - und wenn das Gesamtpaket so rund ist, lassen wir uns gerne auf Experimente ein. Als wir nach Mitternacht leicht beschwingt das Restaurant verlassen, wissen wir zwar immer noch nicht, warum der Laden Tribeca heißt. Aber sicher ist, dass diese Küche auch in New York für Aufsehen sorgen würde.

Fazit

Restaurant im Restaurant: Am Chef's Table des Tribeca serviert Jan Sobecki eine sehr eigenständige, angenehm reduzierte Küche, die fast immer auf Punkt schmeckt - beinahe schon eine kleine Reise wert.

Text: Kai Mihm

Wein

Weinauswahl im Restaurant Tribeca in Heeze

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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