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Restaurantkritik 24.Oktober 2018

Frankreich in Köln – nur besser

Müssen wir das Le Moissonnier wirklich noch vorstellen? Das Restaurant ist ja längst eine Legende und zu Recht weit über Kölns Stadtgrenzen hinaus be- und gerühmt. Im April 2018 feierte man das 30-jährige Jubiläum. Was nicht heißen soll, dass es hier angestaubt zugeht, im Gegenteil: Die Küche von Eric Menchon ist immer in Bewegung, voller Energie und Ideenreichtum. Und nur wenige Orte in Deutschland transportieren französisches Savoir-vivre so wundervoll, wie dieses "Bistro" in der Krefelder Straße. Aber dazu unten mehr. 

Wir freuen uns an diesem Mittag, endlich wieder hier einzukehren. Viel zu lange ist der letzte private Besuch her (nämlich ein Jahr), der letzte Bericht sowieso (nämlich drei Jahre). Selten ist unsere Ungeduld auf einen Restaurantbesuch so groß wie an diesem Tag, und noch seltener warten wir schon vor der mittäglichen Öffnungszeit an der Tür. Obwohl die Kölner Nacht verdammt lang war, sind wir vom Vorfreude-Adrenalin hellwach. Punkt 12 treten wir ein, das Lokal ist noch leer. Diese Ruhe vor dem Mittagsansturm hat eine ganz eigene Aura.

Wir nehmen diesmal am Stammtisch Platz, einem alten Holzplankentisch im hinteren Bereich, zwischen Tresen und Küche, leicht separiert und trotzdem nicht abseits. Die anderen Tische werden sich bald füllen, über vielen hängt ein dezentes Messingschildchen mit den Namen der prominenten Besucher und Stammgäste. Die beeindruckende Bandbreite reicht von Michael Caine über Bruno Ganz und Roger Willemsen bis Wolfram Siebeck. Auch mancher Star weiß bzw. wusste gutes Essen zu schätzen. Wir genießen die Atmosphäre, plaudern angeregt mit Vincent Moissonnier, der stets interessant-amüsante Anekdoten auf Lager hat und ganz nebenbei und unaufdringlich auch über die aktuellen Speisen informiert. Wir können uns kaum einen angenehmeren Gastgeber vorstellen.

Ein Tag im Le Moissonnier ist immer ein besonderer Tag, deshalb soll es für uns heute anstelle des Degustationsmenüs eine Auswahl an (teilweise unterschiedlichen) À-la-Carte-Gerichten sein. Allez-y, messieurs...

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Grand Vintage 2009

Des Kellermeisters persönliche und freie Interpretation der einzigartigen Qualität der Trauben.

Sobald das Haus einen Jahrgangschampagner freigibt, wird er Teil der Moët & Chandon Grand Vintage Collection. Als eine der weltweit größten und renommiertesten Sammlungen von Jahrgangschampagnern verkörpert die Grand Vintage Collection Savoir-Faire und Wein-Know-how in höchster Vollendung. Ein Moët & Chandon Grand Vintage drückt ein außergewöhnliches Jahr in der Champagne aus, wie der Grand Vintage 2009, geprägt von einem gesamtheitlichen vollendeten Geschmack, zugleich generös und lebhaft.

Mehr erfahren Sie hier...

Als Amuse kommt ein Wiener Schnitzel von der Kalbszunge mit Kartoffel-Gurken-Salat auf den Tisch. Sehr schön kross, die Zunge zart und mit einem ganz speziellen Geschmack. Dazu der bestens gewürzte, knackige Salat – eine rustikale Einstimmung, die ganz wunderbar ins lässige Bistroambiente passt. Neulinge kann sie aber trotzdem in die Irre führen, denn alles Folgende geht in gänzlich andere Richtungen, ...

... so schon der erste Gang mit den Namen "Comme une Bouillabaisse légère": Auf dem Hauptteller liegen gegrillter Saint Pierre, lackierter Drachenfisch und gebratene Langoustine, allesamt von hervorragender Qualität und bestens gegart, nur leider nicht so heiß, wie es optimal wäre. Glücklicherweise hat die nachträglich angegossene Bouillabaisse-Emulsion nicht nur einen köstlichen Duft und herrlich intensiven Geschmack, sondern bringt auch eine gute Temperatur mit. Alles zusammen ist ganz einfach großartig. 

Nicht zu vergessen die beiden separaten Teller: Da gibt es einmal ein Stück vom gegrillten Oktopus mit Rinderbratensaft, ungemein zart, ungemein dicht im Geschmack. Außerdem ein Panini von geräuchertem Butterfisch auf Eigelbschaum und Kapernpaste – knusprig und heiß, saftig und kräftig. Mit größter Wonne gabeln wir uns durch dieses dreiteilige, opulente Meerestierschlaraffenland.

Fast genauso gut gefällt uns das Meerhecht-Filet, pochiert und gebraten, mit Pulver von Piment d'espelette und Beurre blanc. Wir sehen der glänzenden Tranchedie Saftigkeit bereits an, und der geschmacksstarke Fisch kommt mit dem würzigen, leicht crunchigem Pulver nicht nur bestens zurecht, er gewinnt durch die feinfruchtige Schärfe des französischen Piment sogar noch an Eigengeschmack. Der Clou ist allerdings die Beurre blanc, die mit Marc d'Irouleguy aromatisiert wurde, einem edlen Tresterbrand. Dadurch bekommt sie eine herbere, aber auch leicht süßliche Note, was wiederum bestens zur Pimentwürze passt. Diese puristische Komposition mundet so gut, dass wir – wir geben es zu – die Komponenten der beiden Extrateller gänzlich verdrängt haben.

Umso großartiger sind die Beigaben beim nächsten Gericht, mit denen wir deshalb auch beginnen: im Bild die "Hommage an die Rolling Stones": Gelbe Charentais-Melone in Zitronensaft gebeizt, Paste von Thunfisch, Chioggia-Rübe und Schoko-Minze.Die üppige Süße der Melone wird hier durch die säuerlich-herbe Beize ideal ausbalanciert. Die teils würzigen, teils frischen Crèmetupfer verschieben das Ganze in eine herb-mediterrane, fast schon orientalisch anmutende Geschmackswelt – das arabisch geprägte Trapani in Sizilien kommt uns vom Gaumen aus in den Sinn, und die Südspitze Andalusiens, wo man in der Ferne die Küste Nordafrikas sehen kann: Diesem verheißungsvollen Blick gleicht diese herrlich sinnliche Miniatur.

Dazu passend gibt es in einem Schälchen (nicht im Bild) den andalusischen Suppenklassiker Ajoblanco, angereichert mit Sirup von geräucherter Roter Bete. Ajoblanco ist der Gazpacho verwandt und besteht traditionell aus altbackenem, eingeweichtem Weißbrot und gemahlenen Mandeln; die Würze erhält die kalte Suppe durch Knoblauch, Olivenöl und Salz. In Málaga isst man oft Honigmelone dazu. Menchons Version ist schaumig-leicht und frisch, aber trotzdem geschmackstief, der Sirup nur dezent rauchig. Naturgemäß passt das Süppchen großartig zur "Zunge" und zum Krustentier, ... 

... womit wir zum Hauptteller kommen, der die atlantische Dreifaltigkeit vervollständigt. Auf einer Crèmesauce von Cidre, Cognac und Foie gras thront eine in Olivenöl pochierte Langoustine. Und was für ein Prachtexemplar das ist! Und was für eine prachtvolle Sauce das ist! In ihr treffen die Regionen Normandie (Cidre), Nouvelle-Aquitaine (Cognac) und Occitanie (Foie gras) zusammen und vereinen sich zu einer köstlichen Essenz Frankreichs, cremig, süßlich, säuerlich, fruchtig, üppig. Genau richtig für die fleischige Langoustine (vulgo: Kaisergranat) aus dem isländischen Atlantik mit ihrer feinen, nussigen Süße. Eine Trilogie zum Schwelgen.

Da kommt der nächste Gang nicht ganz mit. Das gegrillte Rotbarben-Filet, glasiert mit Krustentier-Sternanis-Sirup, bleibt geschmacklich überraschend flach. Trotz Bärlauch-Öl und (sehr milder) Sauce Bourride. Ja, der Fisch selbst ist gut, aber es stellt sich keine rechte Spannung ein. Zudem ist auch dieses Gericht nicht so warm, wie es sein sollte. 

Sehr viel besser gefällt uns der Nebenteller mit einer süffigen Pasta-Kreation: Tagliolini mit Lavendel-Crème, Tomaten-Kaviar, geschmorten Zucchini, Pastis-Safran-Emulsion und geriebenem Comté. Das hat es in sich, ist eher ein Ragout mit etwas Nudeln als Nudeln mit Sauce. Mit jedem Bissen geht die Sonne der Provence ein bisschen mehr auf – große Klasse.

La Provence heißt dann auch lustigerweise der folgende Teller, eine brandneue Kreation, die von der Küche zusätzlich eingeschoben wird: nochmal Langoustine, weil es so schön war! Diesmal gebraten und glasiert mit Enzian – exzellent, und durch den süßlich-bitteren Enzian erfrischend anders. Bezeichnenderweise liegt das Krustentier aber auf dem Nebenteller, denn der Star sind die gefüllten Garganelli mit altem Comté, Pecorino, Minze und Barigoule: Oh là là, diese Teile tragen die gelben Warnstreifen zu Recht, denn sie haben es in sich! Nämlich eine sensationelle Füllung mit bestem Käse, aufgefrischt mit etwas Minze. Das ist so klassisch wie genial. 

Etwas schwieriger finden wir die Beigaben auf Teller 3, nämlich ein Eis von weißer Schokolade und Basilikum auf gelierter Tomatenconsommé mit Balsamessig. Losgelöst vom Rest ist das prima, mutet aber durch die Süße von Eis und Balsamico sowie die Tomatenfruchtigkeit fast wie ein Dessert an. Zudem wird der Wechsel zwischen den 3 Tellern zu einem Wettlauf gegen das schmelzende Eis.

Weiter geht's mit Fleisch. Als da wäre: Beef Short-Rib, lackiert mit Süßholz, auf getoastetem Brioche mit Foie gras. Dieses Grillsandwich deluxe gehört zu den befriedigendsten Hauptgängen der jüngeren Zeit. Es hat einfach alles: Knusprigkeit und dichten Gänseleberschmelz, Röstaromen und jede Menge Umami vom butterzarten Fleisch. Obenauf krosse Zwiebelringe für die Extrapower und eine leicht geräucherte Kirschtomate, die wie Zierde aussieht, tatsächlich aber einen wichtigen, frischen Akzent setzt.Dass die angekündigte BBQ-Sauce eher homöopathisch dosiert ist, mag man bemängeln, uns fehlt angesichts des tropfsaftigen Fleischs gar nichts. Ein großartiges Gericht.

Ach ja, die beiden Satellitenteller: Das ist einmal Crème brûlée von Mais mit Mumbai-Curry (nicht im Bild), ganz exzellent zwischen der typischen Mais-Süße und exotischer Würze austariert. Rechts im Bild weiße Polenta mit Rum, Parmesan-Milchschaum, Petersiliencrème und gegrilltem Lauch – auch dies sehr köstlich und originell, als Modernisierung des norditalienischen Klassikers.

Der alternative Hauptgang hat Taube zum Thema: In der Mitte Täubchen, in Pastilla gegrillt, auf Falafel-Pulver mit Gibelotte-Sauce. Gibelotte bezeichnet ein nordfranzösisches Schmorgericht, das unter anderem mit Wein (und gerne auch Cognac) angereichert wird. Der geneigte Leser muss eigentlich nur einen Blick auf die seidig glänzende Sauce werfen, um den Wohlgeschmack zu erahnen. Dazu das perfekt gebratene Täubchen, der knusprige Strudelteig und das maghrebinische Würzpulver – Menchon umschifft sämtliche Exotik-Klischees, vermeidet Plakativität, steuert alle Gewürze perfekt aus. Das geht rein wie nix.

Darüber vergessen wir beinahe die Zusatzteller. Oben rechts eine bestens abgeschmeckte, intensive Bolognese von der Keule mit Honig-Soja-Reduktion und Tempura von Shiso; oben links ein Salpicon von geschmorter Chioggia-Rübe mit Orange, Kardamom und geräucherter Selleriecrème. Auch dies ganz ausgezeichnet. Anders als bei einigen anderen Gerichten greifen die beiden à-parts das Thema des Haupttellers auf und spinnen es asiatisch-orientalisch weiter. Jeder der drei Teiler ein Meisterstück, nicht weniger.

Jetzt sind wir reif fürs Dessert. Nummer Eins nennt sich Réglisse / Biere Brune: Schokoladen-Süßholz-Ganache mit Crumble von dunklem Bier und Schokolade sowie Erdbeerbaum-Gelee. Das sieht etwas trocken aus, erweist sich aber als angenehm feuchte, fast schon saftige Melange von sanft bitterer Schokolade, malzigem Bier und der leichten Anisnote vom Süßholz. Klingt dicht und schwer, schmeckt jedoch bemerkenswert leicht, geradezu frisch. Die Meringue-Stäbchen geben etwas Biss, die milden Erdbeerbaumfrüchte bringen eine hintergründig leuchtende Fruchtigkeit in die dunkle Aromenwelt. Separat gibt es noch ein Eis von Malz und weißer Schokolade auf Muscovado-Biskuit mit Malzcrème: eine wohlschmeckende und sehr stimmige Ergänzung, insbesondere durch das Eis. Bravo!

Sehr skeptisch sind wir beim zweiten Dessert namens "After Nine". Hier wird natürlich auf jene berühmt-berüchtigten Minz-Schoko-Täfelchen angespielt, die uns als Kinder wegen ihrer edlen Optik stets verlockten, sich dann aber doch immer wieder als ein Graus entpuppten, mit ihrem parfümierten Geschmack. Schokolade und Minze ist einfach schwierig, als würde man zur zuckrigen Praline die Zahnpasta gleich mitessen. Aber was sollen wir sagen, die Variante von Pâtissier Olivier Toussaint funktioniert prächtig! Sie besteht aus Minz-Biskuit mit Nyangbo-Schokolade und Crystal. Dazu ein Minzmarmelade-Kardamom-Eis mit Kakaobonen-Nougatine und Schoko-Baiser. Sowohl beim zarten Biskuit als auch beim Eis im Schälchen ist die Minze so meisterhaft dosiert, dass sie nie penetrant oder parfümiert schmeckt (im Eis stimmig erweitert durch den Kardamom). Vielmehr öffnet die Minze unsere Papillen für die Schokolade (als Crème und Sauce), macht diese leicht und entlockt ihr ganz neue Nuancen. Ein tolles Dessert, dass zu Recht "After Nine" heißt, denn hier ist man dem Vorbild wirklich ein ganzes Stück voraus. 

Zum Abschluss noch ein paar solide Petits Fours: Joghurette-Macaron, Passionsfrucht-Mäusespeck, Karamellbonbon und Orangenlollis.

Welch ein Festmahl! Euphorisiert und pappsatt, aber ohne jedes Völlegefühl verlassen wir diese französische Genussoase inmitten der Betonwüste von Neustadt-Nord. Ein bisschen kommt uns das gerade Erlebte wie ein Traum vor, wohlig und aufregend und so schön, dass man gar nicht mehr aufwachen will. Aber auch ganz nüchtern betrachtet sind wir jedes Mal aufs Neue erstaunt, mit welcher Menge an Ideen uns Eric Menchon (2.v.l.) überrascht, ohne dass es je forciert oder manieristisch wirkt. Die Kreativität scheint aus dem Mann nur so herauszuquellen. 

Bemerkenswert ist dabei, wie klassisch Menchons Küche einerseits wirkt – mit Bouillabaisse und Beurre blanc, Pastilla und Foie gras –, und wie modern sie andererseits daherkommt, mit all den originellen und teils schrägen Ideen. Trotzdem wirkt fast alles durchdacht und stimmig, die Satellitenteller erweitern die Gerichte, statt den Hauptteller einfach nur zu variieren (was natürlich auch seinen Reiz haben kann). Harmonische Komplexität ist ein wichtiges Kennzeichen dieser ganz und gar eigenständigen Küche. 

Dem Vielteller-Schlaraffenland mag allerdings auch geschuldet sein, dass einige Speisen nicht so heiß auf den Tisch kamen, wie sie eigentlich sein sollten. Wir haben es nicht jedes Mal im Text erwähnt, da es auf Grund der schieren Köstlichkeit nicht so massiv ins Gewicht fiel. Trotzdem ist dies ein wichtiger Kritikpunkt – und glücklicherweise unser einziger. 

So steigen wir in den Zug, ein bisschen wehmütig durchaus. Aber auch in Aufbruchsstimmung: Denn das Le Moissonnier macht nicht zuletzt dank des Service-Teams um das Ehepaar Liliane (Mitte) und Vincent Moissonnier Lust auf Frankreich und die dortige Genussvielfalt. Lyon, Paris, Marseille – das muss nun bald wieder sein. Oder vielleicht doch lieber die Krefelder Straße? Sicher ist jedenfalls, dass wir in Frankreich kaum je besser gegessen haben.

Fazit

Klein-Frankreich in Köln: Dieses lässige Schlaraffenland macht süchtig – und so mancher französische Dreisterner könnte sich eine dicke Scheibe abschneiden.

Text: Kai Mihm

Wein

Die Weinbegleitung vomn Vincent Moissonnier

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Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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