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Restaurantkritik 17.Januar 2018

Pakt(a) mit dem Genuss

Es lässt sich nicht anders sagen: Wenn Albert Adria etwas anpackt, dann macht er keine halben Sachen. In unserem Bericht über das Enigma erwähnten wir bereits das kleine Gastro-Imperium, das er sich nach der Schließung des El Bulli (wo er tatkräftig mitwirkte) aufgebaut hat. Das Enigma war der Anlass unserer Reise - aber wir wollten noch mehr Adria ausprobieren. Nur was? Die extrem angesagte und immer ausgebuchte Tapas-Bar Tickets wäre eine nahe liegende Wahl, aber aus irgendeinem Grund sind wir skeptisch.

Nach langem Hin und Her erscheint uns schließlich das Pakta am spannendsten. Es genießt ebenfalls einen hervorragenden Ruf und bietet zudem eine uns gänzlich unbekannte Küche: Die Nikkei-Cuisine, eine Fusion von japanischer und peruanischer Küche, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand, als Tausende japanischer Arbeitsmigranten nach Peru kamen und ihre heimischen Kochtraditionen mit lokalen Zutaten variierten - auch mit Produkten, die von Peruanern kaum verwendet wurden: Aal und Oktopus waren Tierfutter, Jakobsmuscheln und Thunfisch galten als Arme-Leute-Essen. Offenbar verfeinerten die Japaner sogar die traditionelle Ceviche erst zu jener Delikatesse, als die wir sie heute kennen.

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All das klingt für uns extrem spannend, und eine kurze Recherche zeigt, dass im Pakta auch überwiegend Peruaner arbeiten. Keine Pseudo-Küche also. Lange Rede, kurzer Sinn: Für den Mittag vor unserem Abflug wird flugs ein Tisch reserviert.

Beim Betreten des Gastraums fällt uns zunächst auf, dass er recht kühl klimatisiert ist. Ob dies mit irgendeiner Tradition zusammenhängt, wissen wir nicht, aber wir lassen unsere Sakkos trotz der legeren Stimmung lieber an. Ansonsten gefällt es uns hier ausgesprochen gut. Es gibt viel Holz, warmes Licht und tresenartige Tische wie in Japan. Die Wände und Decken sind mit typisch peruanischen Webstühlen dekoriert - man fühlt sich fast wie im Innern einer peruanischen Großweberei. Sehr originell und atmosphärisch.

Als Aperitif serviert man uns den peruanischen Nationaldrink Pisco Sour. Der Cocktail ist perfekt: würzig, aber nicht zu sauer, alkoholisch, aber leicht und angenehm cremig am Gaumen.

Sodann startet das große Pakta-Menü mit Sojamilch-Yuba mit Perretxikos (Ritterling) und Pinienkernenöl. Leider bleiben sowohl der Yuba (getrocknete Milchhaut) als auch die rohen Pilzscheiben geschmacklich sehr blass. Auch das Pinienkernöl entfaltet keine nennenswerte Wirkung. Ein schwacher Start.

Zum Glück geht es mit der nächsten Kleinigkeit bergauf: Die Seeteufelleber mit gereifter Soja-Luft und "Leche de tigre"-Gelee schmeckt ebenso ungewöhnlich wie elegant. Der delikate Geschmack und der zarte Schmelz der Leber werden vom Soja-Air ganz fein untermalt. Hier ergibt ein Air ausnahmsweise mal Sinn. Für einen schönen Kick sorgt das Gelee von Tigermilch - so nennt man den Zitrus-Gewürzfond, in dem vorher Fisch für Ceviche eingelegt war. Eine sehr originelle Kreation - und sehr gut!

Es folgt ein weißer Spargel mit Petersilien-Kimizu, einer klassischen japanischen Sauce aus Eigelb und Reisessig, in etwa vergleichbar mit der europäischen Hollandaise, nur ohne Butter oder Öl. Mit ihrer milden Säure und der leichten Bitterkeit von der Petersilie passt die Sauce prima zum Spargel; schwarzer und weißer Sesam verschieben das Ganze noch mehr in Richtung Japan. Sehr gut.

Als nächstes stellt der Service mehrere Teller auf den Tisch: Mandel-Tofu mit Codium-Gelee und Ikura (im Schälchen vorne), Bottarga mit Kristallmandeln (auf den Löffeln) und Mandel-Tigermilch (im roten Schälchen). Okay, jetzt legt die Küche richtig los - diese Trilogie ist der Hammer. Das Tofu ist seidig zart, leicht nussig und vom Seegras-Gelee angenehm jodig-frisch; die Kaviar-Kugeln (Ikura) setzen blitzartige Akzente. Große Klasse. Die unvergleichlichen Kristallmandeln (unser Produkt des Jahres 2017!) werden zu recht wie Kaviar von Perlmuttlöffeln gegessen, der Bottarga gibt ihnen salzig-meerige Würze. Und als Abschluss die Tigermilch pur - ein dichter Geschmack zwischen Frische und intensiver Würze breitet sich am Gaumen aus, säuerlich und scharf, wir schmecken Fisch, Zitrus und Mandel. Wie hier das Thema Mandel-Fisch-Rogen zwischen Japan und Peru durchgespielt wird, ist einfach nur "Wow".

Und es geht köstlich weiter, mit Herzmuscheln in Apfel-Kimchi-Sauce mit Daikon und geräuchertem Kokospulver. Dieser kleine Eintopf ist angenehm warm temperiert, wodurch sich das Aroma der bissfesten kleinen Muscheln noch besser mit der fruchtig-scharfen Säuerlichkeit der Sauce verbindet. Dazwischen kleine Stücke knackigen Daikon-Rettichs und obenauf das Kokospulver, welches überraschend mild ausfällt - um nicht zu sagen: Es schmeckt nach fast nichts. Das ist schade, denn wir stellen uns vor, dass Kokos fein zu der Kombination gepasst hätte. Aber auch so bleibt das ein sehr gutes Gericht.

Nun geht es deutlich Richtung Japan: Bei Sashimi im Meer liegen dünn aufgeschnittene Scheiben vom Wolfsbarsch in einer Suspension aus Meerwasser und Algen. Der Fisch (natürlich von hervorragender Qualität) wird quasi von seinem ursprünglichen Lebensraum gewürzt - eine schöne Idee, die prima funktioniert. Am Gaumen entwickelt sich ein Spiel aus Abstufungen von Jodigkeit, Salz sowie weichen und schmelzigen Texturen. Sehr gut.

Sodann folgt ein peruanischer Gegenpart: Bonito-Ceviche mit Tamarinde. Kurz gesagt ist das die beste Ceviche, die wir je gegessen haben. Hier stimmt einfach alles, sowohl in Sachen Produktqualität als auch in der Abstimmung der einzelnen Komponenten. Da ist die Dichte der größenmäßig idealen Fischwürfel im Zusammenspiel mit dem Schmelz der Avocado, die feine Süßsäuerlichkeit der Marinade zur Fruchtigkeit des Mangopürees, dazwischen knusprige Maiskörner und obenauf Seetang als "meeriger" Akzent. Wir wollen gar nicht mehr aufhören zu löffeln - kein Tröpfchen des wunderbaren Elixiers bleibt in der Schale. Eine solche Götterspeise muss wohl auch Ferran Adria genossen haben, als er sagte, dass die nächste große Weltküche in Peru zu finden sei.

Zum Runterkommen gibt es danach ein Mini-Wuchthappen: Concha Fina (Braune Venusmuscheln) mit Refrito-Nikkei-Sauce. Durch die Sauce (unter anderem aus Austernsauce, Ingwer und Limette) bekommt diese unscheinbar wirkende Kleinigkeit eine enorme Intensität. Eigentümlicher weise empfinden wir die Aromatik (auch durch die Glasnudeln) eher als chinesisch denn als peruanisch oder japanisch. Auf jeden Fall schmeckt es gut.

Die nächsten zwei Gänge stehen im Menü unter der Überschrift "Pures Japan". Zunächst kommt ein Seegurken-Nigiri von bestechender Qualität auf den Tisch. So zart und doch leicht bissfest haben wir Seegurke selten erlebt, allein das ist schon denkwürdig. Zusammen mit dem feinsäuerlich gewürzten, leicht bissfesten Reis ergibt das einen zutiefst befriedigenden Happen.

Teil Zwei des Japan-Duos besteht aus chilenischem Wagyu-Tataki mit Kartoffelchips und Chifero-Ponzu. Im Grunde könnten wir hier das Bild für sich sprechen lassen, nach der Maxime "What you see is what you get" - und wohl jeder wüsste sofort, dass es grandios ist. Aber gut, fassen wir es noch kurz in Worte: hervorragendes Fleisch, hocharomatisch und am Gaumen schmelzend; dazu eine würzig-süßlich Sauce, bei der Ponzu mit Soja, Limette und Austernsauce angereichert wurde. Für die Textur eine Reihe hauchdünner, perfekt krosser Kartoffelchips. So geht das! Und wir sind fast versucht, eine zweite Götterspeise auszurufen.

Nun folgt ein Duo unter der Überschrift "Pures Peru": Als erstes gibt es eine Maki Causa von Königskrabbe mit Acevichada-Sauce. "Maki Causa" bezeichnet die peruanische Version des Maki, bei der eine Art Kartoffelpüree mit gegartem Gemüse (hier: Lauch) belegt und aufgerollt wird. Obenauf kommt Fisch oder Krustentier. Diese Maki-Variante zeichnet sich durch eine samtig-weiche Beschaffenheit aus. Die Kartoffel bekommt eine überraschende Eleganz, gerade auch in dem ungewöhnlichen Zusammenspiel mit dem Krabbenfleisch. Für den würzigen Kick sorgt die Acevichada-Sauce, die - der Name deutet es an - auf der Basis von Ceviche-Fond montiert wird. Sehr schön.

Danach gibt es gegrillten Iberico-Bauch mit Siu-Panca-Sauce. Auch hier kommt als Träger Kartoffel ins Spiel, diesmal in Form eines konfierten Quaders. Darauf fettreich-aromatischer, hauchdünner und leicht krosser Schweinebauch mit einer Sauce aus Soja, Sesam und peruanischem rotem Pfeffer (Ají panca). Gut, aber nicht so spektakulär wie Vieles davor.

"Gut" ist auch das passende Adjektiv für das Cornet mit Thunfischbauch und Rogen. Das Fischtatar ist fein gewürzt, das Hörnchen knusprig, aber das war es dann auch.

Das Seeanemonen-Tempura klingt erstmal exotisch, aber tatsächlich kennt man diese Zutat in dieser Zubereitung sogar in Europa: An der andalusischen Atlantikküste sind frittierte Seeanemonen (auch Seerosen genannt) ein beliebter Snack (es handelt sich übrigens nicht um eine Pflanze, sondern um Tiere). Die Version im Pakta gefällt durch eine makellos knusprige, aber nicht fettige Teighülle; der Geschmack der Seeanemone bleibt relativ dezent, wie ein Dufthauch von Meer am Gaumen. Dazu gibt es eine würzige Wong-Kung-Sauce, die den nötigen Pep bringt.

Konventioneller wird es beim Hummer-Wan-Tan in Brühe. Das (norwegische) Hummerfleisch ist statt in klassischen Wonton-Teig in dünnes Gelee gehüllt. Das macht die Sache weniger schwer und bringt den milden Eigengeschmack des Hummers besser zur Geltung. Besonders spannend schmeckt es trotzdem nicht. Das Beste an diesem Gericht ist die aromatische, heiße, dichte Brühe.

Nachdem es nun mehrere etwas harmlosere Speisen gab, hoffen wir langsam auf ein weiteres Highlight - und es kommt, in Gestalt von Seehecht-Kokotxas-Sudado. Die Kiemenbacken (Kokotxas) des Seehechts wurden hierfür im typisch peruanischen Sudado-Fond (Röstgemüse-Fond mit Kokosmilch) gekocht. Diese Garung lässt sie weniger glibbrig werden, und auch geschmacklich passt die exotische Einfassung sehr gut zu dem ungewöhnlichen Fischteil. Bemerkenswert köstlich auch die geschälten Datteltomaten, die sich mit dem Kokos-Gemüse-Fischsud vollgesogen haben. Alles zusammen schmeckt wie ein süffiger, fein gearbeiteter Eintopf.

Als Hauptgang trägt der Service "Bocado de la Reina" (Biss der Königin) vom Wagyu auf. Gut gewürzt und knusprig gegrillt, butterzart und trotzdem kernig. Ein tolles Produkt, toll zubereitet (und bevor jemand meckert: die etwas kitschige Präsentation orientiert sich an japanischen Traditionen). Dazu gibt es Grünkohl, Kimchi, eingelegtes Gemüse und eine Koriander-Emulsion, deren intensive Koriander-Frische bestens zum gerösteten Fleisch passt. Ein sehr befriedigender Hauptgang, von dem es lediglich etwas mehr hätte sein dürfen (die Portion im Bild ist für 2).

Nun sind wir auf die Desserts gespannt. Als erstes gibt es einen peruanischen Klassiker: Humita mit Kaffee-Toffee und Schokoladeneis mit Zimt. Die Humita, eine Art Maiscrème, schmeckt uns gut, gerade auch in Verbindung mit dem süß-bitteren Kaffee-Toffee. Nur ist sie uns auf Dauer etwas zu mächtig, was durch das intensive Schokoladeneis noch verstärkt wird. Ein solides Dessert, aber keines, das uns begeistert.

Besser gefällt uns das Kokos-Kakigori mit Holunder und Ingwer. Bei Kakigori - auch dies ein peruanischer Klassiker - handelt es sich um ein geschabtes Eis. Hier ist es so zart wie frisch gerieselter Schnee, der sich auf ein mit Ingwer gewürztes Holundergelee gelegt hat. Es schmeckt süß und nussig, erfrischend und leicht scharf vom Ingwer. Sehr gut.

Den Höhepunkt bildet dann das finale Dessert: Reis mit Milch und Chicha Morada. Der Reis kommt in Form einer Milchreis-Kugel und als Milchreis-Crème auf den Teller. Vor allem Letztere schmeckt ungemein gut, wie die Essenz des Milchreis-Geschmacks. Dazu gibt es eine angedickte Saucenvariante des peruanischen Erfrischungsgetränks Chicha Morada, für das lila Mais mit Ananas- und Quittenschalen, Zimt und Gewürznelken ausgekocht und mit Zucker und Zitronensaft abgeschmeckt wird. Die fruchtig-herbe Süße dieser Mixtur nimmt dem Reis die Schwere und wird gleichzeitig von der Milch gemildert und harmonisiert. Es schmeckt süß und üppig, aber trotzdem schön leicht. Sehr gut.

Zum Kaffee dann ein paar gute Petits Fours: Süßkartoffel-Tempura mit Feigen und Zimthonig, Sake-Marshmallow und Pakta-Schokolade.

Für uns war der Besuch im Pakta eine kulinarische Sternstunde. Selten passten das Essen, die Atmosphäre und der Service derart gut zusammen: Köstlich, warm und herzlich sind hier die jeweils passenden Adjektive. Was die Kreationen betrifft, waren diese aromatisch, aber niemals überbordend; sie schmeckten originell, aber immer klar einer konkreten kulinarischen Tradition entspringend. Und das ist auch einer der faszinierendsten Aspekte des Pakta: dass uns hier eine Küche nahe gebracht wurde, die wir tatsächlich noch nicht kannten. Peruanisch und japanisch klangen für uns wie Gegensatzwelten. Aber die Nikkei-Cuisine beweist das Gegenteil. Maki aus Kartoffelpüree, Tofu mit Tigermilch - Kombinationen, die so ungewöhnlich wie schlüssig sind. Und zwar nicht als kulinarische Kopfgeburten, sondern als Resultat einer über Jahrzehnte sich entwickelnden Fusion. Und ja, wir glauben, dass sich dieser Unterschied schmecken lässt.

Bemerkenswert ist einmal mehr, wie traditionell in einem Restaurant der Adria-Brüder gearbeitet wird: Im Pakta gibt es keine molekularen Ausflüge, sondern klassische Techniken der jeweiligen Länder. Trotzdem wirkt die Küche ultramodern - wegen der Feinheit in der Umsetzung. Und selbst wenn nicht jeder Gang ein Volltreffer war und Manches sogar etwas banal schmeckte, war der Gesamteindruck trotzdem hervorragend. Beim nächsten Barcelona-Besuch gibt es jedenfalls kein Zögern mehr, wo wir als erstes reservieren.

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Fazit

Ungewöhnliche Küche in wundervollem Rahmen - das Pakta zählt für uns zu den besten Adressen in Barcelona.

Weine

Eine Auswahl der Weine des Restaurants Pakta in Barcelona

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