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Restaurantkritik  9.Mai 2017

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Als der Michelin 2017 erschien, freute uns die Auszeichnung mit dem zweiten Stern für das Opus V in Mannheim ganz besonders. Seit der Eröffnung hatten wir mehrfach dort gegessen. Mal war es grandios, mal eher etwas durchwachsen. Aber es war immer spannend, und man spürte die Ambition des Küchenteams um Tristan Brandt auf höhere Weihen – manchmal vielleicht etwas zu sehr. Daher waren wir umso gespannter, wie das Menü aussehen und schmecken würde, nachdem das Etappenziel vom zweiten Stern erreicht war.

Also ab ins Modekaufhaus Engelhorn, vorbei am Gewusel der Shoppingverrückten und am verführerisch bestückten Pâtisserie-Stand im Erdgeschoss. Mit dem Aufzug hoch in den sechsten Stock, dann durch etwas labyrinthisch anmutende Gänge, vorbei am Bistro zum beinahe versteckt liegenden Opus V.

Das Restaurant ist an diesem Mittag nahezu ausgebucht, die Stimmung entspannt, das Publikum bunt gemischt. Auch dies sicher ein Vorteil der Lage in einem Modekaufhaus der deutlich gehobenen Kategorie.

Eine bunte Mischung ist auch die "kulinarische Einstimmung" unter dem Motto süß - sauer - salzig - scharf. Sie besteht aus Unagi-Aal mit Reis und rosa Ingwer, saurer Gurke mit Ponzu, Dorade mit Miso sowie Büffelmozzarella mit Yuzu-Kosho. Elegant und intensiv werden hier die "Grundfarben des Geschmacks" durchgespielt, alles mit einem deutlich asiatischen Einschlag. Besonders gut gefallen uns die säuerliche Gurke und insbesondere der süßlich lackierte Aal mit dem ebenfalls ganz süßlich-getreidigen Sushireis.

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Die Geschmacksrichtung "Umami" folgt separat, in Form von Avocado mit Rettich und Umamisud. Überraschenderweise fällt diese Petitesse geschmacklich genauso filigran aus, wie sie angerichtet ist. Die Umami-Herzhaftigkeit hält sich in Grenzen, im Vordergrund steht für uns eher die Nussigkeit und Cremigkeit der Avocado. Bei genauerem Hinschmecken besteht der Clou für uns aber genau darin, Umami eben nicht als Selbstzweck einzusetzen, sondern als subtilen Unterstützer anderer Aromen.

Als finales Amuse gibt es Lachsforelle, Feldsalat und Meerrettich – und das ist es dann auch, ein sehr gut angemachter Salat mit sehr guter Lachsforelle und ihrem Kaviar sowie etwas Meerrettich. Klingt und ist erstmal unspektakulär, besticht aber durch die exakte Zubereitung und Proportionierung. Auch das ist eine Kunst.

Der erste Gang des Menüs, Thunfisch, Huhn und Kimchi, kommt zweigeteilt: Zunächst gibt es marinierte Thunfischwürfelchen mit krosser Hühnerhaut und allerlei Würzelementen. Das wirkt in der Kombination süßlicher, säuerlicher und umamihaltiger Elemente fast wie eine Fortführung der Amuse-Idee. Es schmeckt süffig, dabei komplex und zugänglich. Sehr schön.

Im Schälchen darunter wird das Dreierlei aus Thunfisch, Huhn und Kimchi in variierter Form dargeboten. Die geschmackliche Wirkung ist grundsätzlich dieselbe, wird aber durch die leichte Wärme und den gelierten Fond in der Wirkung noch einmal erweitert. Das ist subtil gearbeitet, trotzdem gefiel uns die obere, im Vergleich etwas plakativere Variante besser.

Nach diesem asiatischen Auftakt wird es klassisch europäisch: Rote Bete, Trüffel und Brot verbindet die leicht süßliche Erdigkeit der Bete mit der ganz speziellen, eher etwas moschusartigen Erdigkeit der Trüffel auf kongeniale Weise. Dies verdankt sich nicht zuletzt dem dezenten Einsatz des Luxuspilzes, der uns speziell in seiner schwarzen Variante schnell zu dominant ist. Wird er wie hier als eine Art Würzelement eingesetzt, ergibt sich ein feines, aber trotzdem sehr vollmundiges Aromenspiel. Essentiell sind aber auch die Brotelemente, die einen krossen Akzent setzen. Ein toller Teller.

Weiter geht’s mit Jakobsmuschel, Kohlrabi und Kiwi. Von der Idee her gefällt uns diese Kreation ausgesprochen gut: Die Meeresaromen der Muschel mit der feinherben Kohligkeit und der exotischen Kiwisäure zu verbinden - das hat was. Aber davon abgesehen, dass die Muschel etwas zu durchgegart und leicht faserig ist, stellen wir uns das Ganze mit einem Krustentier – sei es ein knackiger Kaisergranat oder zarte Hummermedaillons – noch spannender vor. So bleibt der Eindruck einer glänzenden Idee, der der letzte Schliff fehlt.

Beim Anblick des nächsten Gangs entfährt dem Fisch-Skeptiker am Tisch sogleich sein Standardsatz: "Ich sehe es schon, das wird die große Fisch-Langeweile...".  Nun, zumindest nach Meinung des anderen Sternfressers am Tisch ist das weit gefehlt. Der St. Pierre mit Petersilienwurzel und Brunnenkresse erweist sich als fein ziselierte Komposition, bei der der geschmacksstarke Fisch von den grünen, leicht scharfen Kresse-Aromen bestens nach vorne gebracht wird. Als Gegenspieler dient die erdige Süße der Petersilienwurzel, während die Kumquats fruchtig-saure Akzente setzen und als Bindeglied zwischen Kresse und Wurzel dienen. In Summe wird daraus eine spannungsvolle Harmonie, bei der lediglich etwas zu viel Cremiges auf dem Teller ist – warum ein wenig Wurzel nicht als Stücke dazugeben?

Mit Bries, Aal und Miso startet nun der fleischige Teil des Menüs – und wie! Das krosse, saftige, schmelzige Bries ist an sich bereits sensationell. Die sehr gute, angenehm milde Miso-Hollandaise dient denn auch vor allem zum Unterstreichen des Eigengeschmacks. Ob es den kräftigen Aal in dieser Menge wirklich braucht, darüber gehen die Meinungen am Tisch etwas auseinander. Sehr sparsam dosiert wirkt er jedenfalls wie ein schöner Geschmackskatalysator. Einigkeit herrscht beim wilden Brokkoli, der eine willkommene, wichtige Gemüsenote einbringt. Ein toller, puristischer Gang und nicht umsonst ein „Signature Dish“ des Hauses.

Auf zum Hauptgericht. Das Lamm mit Bohnenkraut und Bergamotte sieht unscheinbar aus, hat es aber in sich. Da ist erstmal das exzellente Fleisch auf einem Jus, der so dicht und dick ist, dass er nicht einmal auseinanderfließt, und so seidig glänzend wie ein frisch polierter Lackschuh – man beachte, wie das Fleisch sich darin spiegelt! Dazu ein grünes Püree, das sich als Tarnkappenbomber erweist: Wir erwarten ein Bohnenpüree, doch wie groß ist die Überraschung, als es sich als Kartoffelpüree entpuppt, das mit Bohnenkraut grün gefärbt wurde. Geschmacklich und texturell (nicht zu flüssig) ist das von allererster Güte. Und nicht zuletzt: Es ist schön heiß! Einmal mehr wird uns klar, wie wichtig eine gute, sprich: hohe Temperatur für die sensorische Wirkung ist. Als i-Tüpfelchen gibt es ein paar knackige Bohnenkerne und geschmorte Lammstückchen. Ein herrlich schmeckendes und herrlich souveränes Hauptgericht!

Danach gibt es Käse von Affineur Waltmann – da muss man nicht viele Worte machen: exzellent.

Das Pré-Dessert Milchreis, Kirsche und Zimt weckt bei einem von uns traumatische Erinnerungen an verkochten Reisbrei mit dicker Zimthaube. Jenseits solcher höchst subjektiven Vorbehalte konstatiert der andere Sternefresser eine exzellent gearbeitete Süßspeise, die gerade durch das Aufgreifen eines nostalgischen Geschmacksbildes prima zum süßen Teil des Menüs überleitet.

Dessert Nummer eins, Mandarine, Erdnuss und Karamell, ist mit dem Mund auf dem Teller natürlich von Jonnie Boers legendären "Kuss von Therese" inspiriert. In den üppig geformten Lippen verbirgt sich im Opus V eine Art Mandarinensauce, die für unser Empfinden aber etwas dünn ausfällt – ein Coulis würde sich besser mit den anderen Komponenten verbinden. Diese bestehen in erster Linie aus Varianten der drei Hauptkomponenten, etwa als eine Art Küchlein, als Créme und als Eis. Das ist alles gut gemacht, und es schmeckt auch alles nett und gut, ohne aber so recht zu zünden.

Das zweite Dessert reißt das leider auch nicht raus. Die Kreation aus dunkler Schokolade, Ananas und Mascarpone leidet vor allem unter der wenig aromatischen Ananas, die weder richtig süß ist noch nennenswerte Säure mitbringt. Dies führt wiederum dazu, dass es an einem Mit- und Gegenspieler zur Schokolade und dem fetten Mascarpone fehlt. Allerdings haben wir den Eindruck, dass selbst bei einer präsenteren Frucht dieses Dessert vor allem eine kleine, nicht so spannende Schokoladenvariation gewesen wäre.

Die Petits Fours zum Kaffee gefallen uns da schon wieder wesentlich besser, wenngleich unsere Sättigung zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich ist, so dass wir die Cannelés und die Mini-Gugelhupfe diskret für die Zugfahrt in der Tasche verschwinden lassen…

Das war über weite Strecken ein sehr starkes Menü. Es hatte Kraft und Eleganz, war zugänglich und an den richtigen Stellen komplex. Und erst später ging uns auf, dass Tristan Brandt im Grunde bereits mit den Amuses das Thema für das eigentliche Menü setzte: In fast allen Gängen spielte er mit einem oder mehreren der fünf Geschmacksrichtungen (allein die Schärfe kam vielleicht etwas zu kurz). Das wirkte jedoch in keinem Moment plakativ oder aufgesetzt, sondern immer stimmig und subtil. Gleiches gilt für den japanischen Einschlag, der bei diesem Menü sehr deutlich, aber nicht übermächtig war – die Miso-Hollandaise und der Brokkoli mit Sesam sind schon Klassiker in Brandts Repertoire.

Weniger überzeugend fielen für uns leider die Desserts aus. Hier fehlte uns der Schuss Originalität, der zum Rest des Menüs passt. Sie waren zwar nicht schlecht, aber für ein Restaurant dieser Klasse darf das bei weitem nicht genug sein. Hier sollte man alles daransetzen, für diese Position einen adäquaten Mitspieler zu finden. Gleichwohl wissen wir nur zu gut, dass exzellente Pâtissiers selten sind, gehören die Desserts doch nicht nur in Deutschland zu unseren häufigsten Kritikpunkten. Das soll den Spaß in Mannheim freilich nicht trüben. Zuversichtlich bleiben wir sowieso immer.

Fazit

Einmal mehr eine souveräne Leistung in Mannheim: Das Opus V beeindruckt uns auch diesmal mit süffigen, aber nie banalen Kreationen. Nun muss nur noch der Nachtisch nachziehen …

Weine

Weinauswahl im Restaurant von Tristan Brandt in Mannheim

Giac' Bulles, Vin pétillant, Domaine Giachino, Jura 

Cuvée "Umami" Millesime Grand Cru Extra Brut, De Sousa et Fils, Champagne 

2014 Muscat, Terroir al Limit, Priorat

2002 "Hochheimer Hölle" Riesling Auslese trocken, Weingut Künstler, Rheingau

2003 "Idig" Spätburgunder Großes Gewächs, Weingut Christmann, Pfalz 

2009 Cuvée "Sève" Rosé de Saignée Extra Brut, Olivier Horiot, Champagne

2008 Tokaji Furmint Sec, Királyudvar, Tokaj 

2015 "Trittenheimer Apotheke" Riesling Feinherb, Weingut Ansgar Clüsserath, Mosel

2015 Nossa Calcario Branco, Filipa Pato & William Wouters, Bairrada, Portugal

2014 "Las Trabasseres", Côtes Catalanes rouge, Roc des Anges, Roussillon

1999 Barbera d’Alba Riserva, Roberto Voerzio, Piemont

2014 Muscat Fronholz, Domaine Ostertag, Elsass

2009 Vintage Port, Quinta do Vale Dona Maria, Douro, Portugal

2014 "Altenbourg" Riesling Vendanges Tardives, Domaine Albert Mann, Elsass 

2009 Thor "Le Chien", Terra de Verema, Priorat

Fragen an den Suffmeister (a.k.a. Sommelier) Marko Frommberger

Anzahl der Positionen?
Wir haben knapp 600 Weine und 120 Champagner auf der Karte.

Haben Sie einen besonderen Fokus bezüglich der Weinkarte?
Ich lege Wert auf Sortenvielfalt und Terroir, sowie auf vielseitige Ausbaumethoden.

Welche ist Ihre preiswerteste/teuerste Flasche?
Preiswerteste Flasche: 2015 Verdejo "Comenge" von der Bodega Comenge im Rueda für 25€
Teuerste Flasche: 2011 Chateau Petrus aus dem Pomerol für 3200€

Die ungewöhnlichste Rarität?
2013 Thalassitis Assyrtiko vom Gaia Estate auf Santorini.

Welches ist Ihr meistverkaufter Wein der letzten 12 Monate?
Das ist der 2015 Himmelspfad Silvaner Retzstadter Langenberg vom Weingut Rudolf May.

Ihre Entdeckung der letzten 12 Monate?
2013 Nostos Roussanne von der Manousakis Winery auf der Insel Kreta.

Ihr Lieblingswein?
Der Muscat 2014 von Terroir al Limit aus dem Priorat – ein Wein mit Charakter, der sein Terroir widerspiegelt, Ruhe ausstrahlt und mich mit jedem Schluck immer wieder begeistert.

Der ausgefallenste (vinophile) Gästewunsch, mit dem Sie konfrontiert wurden?
Ein Rotwein ohne Frucht und Säure,wenig Alkohol, furztrocken und richtig kratzen soll er.

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

Eure Meinung?

Hervorragend Essen und Shoppen – geht das für Euch zusammen? 

 

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