Anzeige
Restaurantkritik 29.September 2017

Mast Visit?

Kahle, hohe Holztische mit Sitzbänken und Barhockern. Ein gewisser Industrial Chic. Im ersten Moment könnte man glauben, sich im nächsten austauschbaren Hipsterbistro in einer beliebigen Metropole wiederzufinden. Doch der zweite Blick offenbart Besteck aus Dänemark. Mark Thomas Gläser. Hochwertige Handarbeit. Hier ist jemand am Werk, der auf Qualität setzt. Das im Mai eröffnete Mast im 9. Wiener Bezirk ist ein Joint Venture der beiden Spitzensommeliers Matthias Pitra und Steve Breitzke. Dass die beiden Somms nicht nur den Wein ernst nehmen, zeigt die Tatsache, dass sie sich mit dem Vorarlberger Martin Schmid einen erfahrenen Küchenchef ins Haus geholt haben – den des Döllerer. Schmid stand vor seiner Tätigkeit in Golling auch bei Heinz Reitbauer im Steirereck und bei Silvio Nickol im Palais Coburg am Herd. Und bei anderen Größen wie Sergio Herman, Jonnie Boer, Heston Blumenthal und Kobe Desramaults. Eine hochspannende Vita, vor allem, wenn man bedenkt, dass er nun in einem Bistro kocht, in dem der Wein im Vordergrund steht. Bei den beiden Patrons kein Wunder. Sie wurden 2016 zu Sommeliers des Jahres erkoren: Breitzke für seine Arbeit im Das Loft vom Rolling Pin und Pitra als Weinguru des Tian vom Gault Millau. Beide haben ihre Posten aufgegeben, um sich ihrer Vision eines urbanen Weinbistros zu widmen. Wer sie kennt, weiß auch in etwa, wie das aussehen wird. Bio, natürlich und spannend. Gepaart mit der Küche des ambitionierten Schmid dürfte das sehr interessant werden.

Wien begrüßt uns an diesem Mittag mit seinem schönsten Gesicht. Der Sommer steht auf der Türschwelle. Wir sind hungrig, durstig und vor allem: gespannt. Los geht's...

Ein Grissini mit Crème fraîche und Schnittlauch wird begleitet von einem Cidre namens „This Side Up“ von Cyril Zangs aus der Normandie. Es folgen Sardinen mit getoastetem Brot und Salat, Tomaten mit Physalis und Gegenbauer Riesling Essig, zu denen ein La Fino Bota 54 Equipo Navazos aus Andalusien in den Gläsern ist. Gut.

Anzeige
|

Ein Öfferl Brot von Madame Crousto & Rohmilchbutter verkürzt die Wartezeit auf die nächste Trilogie: Grüner Spargel mit Kernen und Parmesan, Forelle mit Kohlrabi und Eiskraut und Melanzani mit Paprika und Minze. Das taugt wunderbar als etwas gehaltvollerer Gegenpart zum fantastischen Werlitsch Ex Vero II 2006 von Ewald Tscheppe aus der Südsteiermark.

Als erstes Einzelgericht kommt Zander 'Ceviche', Avocado und rote Zwiebel. Die Textur des Fisches ist durch das Beizen irgendwo zwischen buttrig und bissfest. Die eingelegten Zwiebeln bringen etwas Punch, dem die (nicht ganz reife) Avocado mit der ihr eigenen Cremigkeit entgegensteuert. Im Glas dazu ein 2014er Les Noëls de Montebenault von Richard Leroy von der Loire. Der Wein verhilft hier dem eher zahmen Gericht zu höheren Weihen. Sehr gut.    

Mit Lauch, Miso, Erdnuss und Senfsalat folgt der Übergang zu den warmen Gerichten. Süße, Crunch, dezente Schärfe, alles da. Nur die Miso hätten wir uns ein wenig präsenter gewünscht. Wie beim Gang zuvor trägt auch hier der Wein zur Verbesserung des Esserlebnisses bei – ein superber 2014er Arbois Blanc Les Tourillons von Bruyère & Houillon aus dem französischen Jura.

Pulled Pork, Brot, Senfmayo und Vogerlsalat setzt im Gegensatz zu den vielen, vielen schlechten Inkarnationen dieses BBQ-Klassikers nicht auf übersüßte Effekthascherei, sondern wirkt geradezu elegant. Da trägt sicher auch das sehr gute Sauerteigbrot seinen Teil bei – und natürlich die mundfüllende und dennoch leichte Senfmayo. Nur den Salat hätten wir nicht gebraucht. Breitzke und Pitra überraschen zu diesem Gang mit einem Bier: UPA von Ulrich Leitner aus dem Burgenland. Das funktioniert natürlich, jedoch hätte ein außergewöhnlicher Wein sicherlich mehr Spannung erzeugt. 

So langsam geht’s auf den Hauptgang zu. Geschmortes Schweinsbackerl, Eierschwammerl und Spitzkraut schmeckt genau so, wie es sich liest. Füllig, mit viel Umami und einer leichten Säure. Ein Klassiker der Weinwelt landet dazu im Glas: Lopez de Heredia Vina Tondonia Crianza 6 Anos Rioja, der vermutlich aus dem Jahr 1983 stammt. Das wurde Breitzke beim Kauf des Weines zumindest als Ursprungsjahr genannt. Ein großartiger Saft, der trotz seines Alters noch ungemein frisch wirkt. Als ob er noch einmal 34 Jahre im Keller vergessen werden könnte.

Glaciertes Kalbsbries mit Mark-Erdäpfeln und Zwiebel lässt uns etwas ratlos zurück. Das Bries ist zwar von guter Qualität, weist jedoch diese leicht unangenehme, schmierige Textur auf, die bei dieser Innerei den Genuss doch merklich trübt. Da die Einfassung (zu) simpel ausfällt und geschmacklich leider wenig zum Gericht beiträgt, ist der Hauptgang eine kleine Enttäuschung. Vor allem auch, weil wir das Bries immer als eines der Highlights bei Döllerer in Erinnerung haben. Der 2015er Les Tabenaux von Benoit Courault aus Anjou bewirkt hier auch keine Wunder. Schade.

Angenehm rustikal kommt der Bergkäse mit Zwiebelchutney und Heurigen daher. Wir sind zu diesem Zeitpunkt zwar schon gut gesättigt, doch ein paar Probierbissen des ausgezeichneten Käses müssen schon sein. Die Somms servieren dazu den 2013er Vitovska T von Paolo Vodopivec aus dem Karst.

Mascarponecrème, Ribiselkuchen und Minzpesto sorgt für einen cremigen, frisch-fruchtigen und gelungenen Abschluss. Der Weinpfad wird hierfür erneut verlassen, denn begleitet wird das Dessert von einer äußerst schmackhaften und sommerlichen hausgemachten Ribisel-Granatapfel-Limo.

Was Breitzke, Pitra und Schmid hier auf die Beine gestellt haben, ist ein sehr spannendes Projekt. Naturgemäß steht der Wein der beiden Sommeliers hier etwas mehr im Vordergrund als das Essen. Aufgrund der bisherigen Stationen des Chefkochs würde man vielleicht eine etwas elaboriertere Küche erwarten. Doch schlussendlich ist das Mast eine Weinbar, und daran gemessen sind die Gerichte vorzüglich und funktionieren gut, wenngleich sie oft ein wenig brav daherkommen. Die Küche wird sich zusätzlich etablieren müssen, um nicht nur die Weinfreaks anzulocken, sondern auch für sich genommen Gäste anzuziehen. Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass die drei das schaffen und exzellente Weine und schmackhafte Küche irgendwann als eins wahrgenommen werden.

Fazit

Exzellente Weine, gutes Essen und eine lässige Atmosphäre. Wien ist um eine Go-to-Adresse reicher geworden.    

Wein

Weinauswahl im Weinbistro Mast in Wien

Apero Cider This Side Up, Cyril Zangs, Normandie

La Fino Bota 54 Equipo Navazos, Andalusien

2006 Ex Vero II, Werlitsch, Ewald Tscheppe, Südsteiermark

2014 Chenin Blanc Les Noels, Montebenault Leroy, Loire

2014 Arbois Blanc Bruyere & Houillon, Jura

UPA Bier, Uli Beck, Burgenland

Lopez De Heredia, Vina Tondonia, Crianza 6 Anos, Rioja

2015 Les Tabenaux, Benoit Courault, Loire

2013 Vitovska T, Paolo Vodopivec, Karst

Hausgemachte Ribisel-Granatapfel-Limo

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

Umfrage

Welche Rolle spielt der Wein für Euch bei einem Restaurantbesuch?

 

Das könnte dich auch interessieren