Anzeige
Restaurantkritik 14.April 2017

No. 1 at Madison Park

Daniel Humms Eleven Madison Park (kurz: EMP) ist bekanntermaßen eine unserer Lieblingsadressen in New York, mit der Kombination aus puristisch-fokussierter Küche, entspanntem, aber perfektem Service und dem großzügigen, elegant-nostalgischen Speisesaal. Dass wir nicht die einzigen Fans sind, zeigte sich gerade bei der Präsentation der The World’s 50 Best Restaurants, wo das Team aus New York zum ersten Mal den Spitzenplatz belegte. Woanders würde man bei solchen Erfolgen erstmal, und wahrscheinlich auch für länger, auf ein "weiter so" setzen, aber in der Stadt die angeblich niemals schläft wurde kurz vor der Krönung zur neuen Nummer 1 die temporäre Schließung des Restaurants im Juni bekanntgegeben. Vor allem die Küche soll renoviert werden, aber auch im Speisesaal soll es Veränderungen geben. Vor allem aber sind angeblich auch Konzeptveränderungen im Gespräch. Gründe genug, um unseren letztjährigen Besuch auch für Euch noch einmal Revue passieren zu lassen: Waren wir im besten Restaurant der Welt? Oder einfach nur im Restaurant mit der besten PR-Maschinerie?

Dabei war auch schon dieser Besuch von Veränderungen geprägt, denn zum wiederholten Mal hatte man das Format des Menüs verändert. Kürzer, fokussierter, mehr Auswahl war das Motto der Speisenfolge mit allerdings immer noch 7 Gängen, davon mehrere mit der Möglichkeit, zwischen 2 Alternativen auszuwählen.

Der Anfang aber bleibt wohlvertraut, mit Black and White-Cookie mit Apfel und Cheddar. Ob es an uns Gewohnheitstieren liegt, oder ob die Küche tatsächlich an diesem eher einfachen Keks immer weiter gefeilt hat: Er schmeckt uns jedes Mal besser, zum ersten Glas Champagner, mit seiner feinen Balance aus cremig-salzigem Käse und der dezent fruchtigen Frische des Apfels.

Anzeige
|

Einen Zahn zu legt die Küche bei den Apéros, und wie immer hat sie ein besonders gutes Händchen mit Meeresfrüchten. Sowohl die Widow's Hole-Auster mit Kaviar als auch der Peekytoe-Krabbensalat leben von Zartheit und Frische und dem gefühlten Hauch von Meeresgischt am Gaumen. Wobei das Krebsfleisch durch die Rettichbeigabe einen angenehm erdigen Kontrapunkt erfährt. Rustikaler, aber auch sehr schmackig, sind die Favabohnen-Krokette und die Morcheln mit Roggenknusper.

Eine besondere Freude scheint Daniel Humm an der Neuinterpretation klassischer Gerichte der amerikanischen Diner-Kultur zu haben. Und regelmäßig trifft er dabei voll ins Schwarze, so auch beim Kaviar Benedict mit Mais und Schinken als zweites Amuse Gueule. Das hat durchaus etwas Deftiges, gleichzeitig behält der Kaviar jederzeit seine dominante Rolle. Wobei uns der Mais zum Kaviar erst stutzen lässt funktioniert die dezente Süße erstaunlich gut, gerade auch in Kombination mit dem cremigen Ei. Die Dose ist ganz schnell ausgelöffelt - und wir erwägen kurz, ganz wie im Diner einen "re-fill" zu ordern.

Gebratene Foie Gras mit Sauerampfer und Fava-Bohnen kombiniert Stopfleber einmal nicht mit Süße, sondern setzt der Cremigkeit grün-säuerliche Noten entgegen. Das ist nicht ganz so gefällig, aber durchaus stimmig und stellt die cremige Leber einmal in ein anderes, etwas herberes Licht. Ein erfreulicher Nebeneffekt ist, dass sich diese Zubereitung deutlich harmonischer in Weinbegleitung und Menüfolge einfügt als die üblichen süß-sauer-Süßwein Akkorde.

Noch besser gefällt uns allerdings der alternative vegetarische Gang. Englische Erbsen mit Knoblauch und Joghurt lassen selbst uns bekennende Stopfleberfans jubilieren – auch weil wir große Freunde dieses königlichen Gemüses sind. Nicht nur hübsch ist der Gang, die Erbsen schmecken tatsächlich noch süßlich-grüner als sie aussehen, und ihre knackige Frische wird vom nur leicht milchig-sauren Joghurt geschickt untermalt. Und auch der Knoblauch spielt hier einmal nur die zweite, aber trotzdem essentielle Geige. Fein!

Beim Fischgang offeriert man uns zwei Gerichte die unterschiedlicher nicht sein könnten. Pochierter Heilbutt mit Variationen von Radieschen und Orangenblüten hat eine perfekt zarte Textur und auch die Beigaben sind eher den leisen Tönen verpflichtet. Die Kombination bleibt ganz pianissimo, selbst die Radieschen zeigen hier nur ihre ganz jugendlich-scheue Seite, aber gerade deshalb gefällt uns diese feinsinnige Kreation voller Harmonie.

In Butter pochierter Hummer mit Zitrus, Daikon und Fava-Bohnen ist dagegen eher ein kräftiger Paukenschlag. Das fängt bei der bissigen Konsistenz des Schwanzfleisches an, und auch geschmacklich ist das Schalentier natürlich intensiver als der milde Butt. Das verlangt selbstbewusstere und Kontrapunkte setzende Begleiter, die sich hier im Rettich mit seiner Erdigkeit und der Zitrussäure finden. Hervorragend.

Gemüse gekocht "en vessie" ist inzwischen schon ein Klassiker des Hauses, und der heutige Grüne Spargel aus der Schweinsblase mit Kartoffel und schwarzem Trüffel gefällt uns fast noch besser als zuletzt die Version mit Knollensellerie. War das Gericht mit der Knolle eher etwas erdig und auch aromatisch monochromatisch, so bringt der Spargel dezente grüne Noten ins Spiel, ohne die vollkommene Harmonie mit dem Trüffelaroma aufzubrechen. Dazu ein herrlich geschmeidiges Püree für die Mundfülle. Wunderbar.

Ebenso sehnsüchtig erwarten wir im EMP den Küchenbesuch, der uns heuer einen erfrischenden Snow Cone mit Rhabarber-Erdbeere und Holunderblüten-Gelee bringt. Natürlich tut uns etwas Bewegung und eine kleine Erfrischung gut, aber noch mehr beflügelt uns der erneute Abstecher ins Inner Sanctum, weil wir immer wieder aufs Neue von der professionellen Hingabe der ganzen Brigade, als auch vom kurzen Plaudern mit dem zubereitenden Mitarbeiter begeistert sind.

Zum Hauptgang darf erneut gewählt werden: Die altbekannte mit Honig und Lavendel glasierte Ente mit Frühlingszwiebeln, Rhabarber und Brühe oder Dry aged Ribeye mit Aubergine und Brühe.

Das Fleisch des Federviehs ist gewohnt mürbe und intensiv, allerdings wäre es uns lieber gewesen man hätte den Lavendelstrauß wie sonst vor allem im Entenallerwertesten belassen und nicht in eine etwas dicke und sehr grob-crunchige Kruste verarbeitet. Die unglaublich fokussierte und geradezu süchtig machende Entenbrühe versöhnt uns aber wieder.

Im direkten Vergleich wird am Tisch das perfekt gereifte Steak aufgrund seiner Zartheit und des mineralisch-fleischigen Geschmacks zum Sieger erklärt. Wobei es auch Stimmen gibt, die die beiden à part gereichten Gemüsebeilagenteller fast noch mehr schätzen: Feinaromatische Morcheln in einer zarten Eiercreme und dem Kick von jungem Knoblauch sowie die Variation von Neuen Kartoffeln mit Blumen, deren dünne Kruste es uns sehr angetan hat.

Nach diesen doch eher mächtigen, intensiven Hauptgängen ist es ausgerechnet der Käsegang Hudson Valley-Camembert mit Rhabarber und Sauerampfer, der uns einerseits durch die milchig-säuerliche Käsecreme, aber natürlich noch mehr durch die herbe Fruchtzubereitung erfrischt. Ein Gang der sich schon deutlich im Zwielicht zum Dessertbereich bewegt.

Das Baked Alaska mit Erdbeer-, Zitronen- und Vanilleeis erleben wir hier nicht zum ersten Mal, aber die heutige Variation enthält eine interessante kulinarische Lektion. Dieses klassische Kreuzfahrtdessert hatten wir mit seiner Riesenportion beim ersten Mal als unglaublich mächtig und sehr schnell eintönig werdend empfunden. Heute wird jedem davon nur eine Nocke ausgestochen und auf einmal funktioniert das Ganze, weil die Proportionen stimmen. Auch wenn dies immer noch kein süßer Geniestreich ist, jetzt schmeckt es und fast verlangt es uns nach einer zweiten Nocke.

Auch die folgenden Desserts bleiben dem sehr reduzierten und vor allem auch erstaunlich traditionellen Ansatz der EMP-Patisserie treu. Pochierte Erdbeeren mit Vanille und Holunderblüten nutzt dabei allerdings geschickt das verführerische Parfüm der Hollerblüten als dominante Note um die eher triviale Kombination in etwas Neues und sehr Befriedigendes zu verwandeln. Und insbesondere Frische und Leichtigkeit kommen uns zu diesem Zeitpunkt sehr gelegen.

Sassafras-Eis mit Banane, Vanille-Selter und Karamell ist dagegen mehr in der "lecker aber ein bisschen mächtig" Kategorie. Zu diesem späten Zeitpunkt des Menüs hätten wir eher das ebenfalls aus dem nordamerikanischen Lorbeerbaum herstellbare Ecstasy gebrauchen können um das einsetzende Sättigungsgefühl zu überwinden.

Schokolade "Tipp die Milch" ist eines der Spielchen die man sich hier im EMP mit Leidenschaft ausdenkt und tatsächlich ist es ein großer Spaß die 4 Schokotäfelchen den zur Zubereitung verwendeten Milchsorten zuzuordnen. Die Diskussionen am Tisch sind hitzig und wir sind reichlich zerknirscht wie schlecht wir Kuh, Büffel, Ziege und Schaf auseinanderhalten können. Das war wesentlich schwieriger, als gedacht.

Danach bedürfte es gar nicht mehr der traditionellen Brezel mit Meersalz, bei der auch die dritte Wiederholung keine Fans aus uns macht. Willkommener ist da schon der dazu gereichte Hausbrand aus New Yorker Äpfeln.

Waren wir jetzt im besten Restaurant der Welt? Natürlich nicht. Ganz abgesehen von dem fragwürdigen Zustandekommen der "Weltrangliste", kann es so etwas überhaupt nicht geben. Aber wir hatten im EMP einige Stunden, die nicht hätten schöner sein können. Mit einer fokussierten Küche auf der Höhe der Zeit, die vor allem aus Meerestier und Gemüsen ganz verlässlich fein definierte Preziosen zaubert. Bei einem Team, das auch Gags und Spielchen nicht scheut, ohne dabei ins Dämliche abzudriften. Umsorgt von Servicemitarbeitern, die bei aller Distinguiertheit auch eine persönliche und fürsorgliche Note einbringen. In einer lichten Ruheoase, die einen durch ihr elegantes Flair trotzdem nie vergessen lässt, dass man sich in einer Weltmetropole befindet. So gesehen ist es dann doch kein Wunder, dass es für einige Juroren nicht besser als im EMP geht. Wobei dort ja bald, nach der Sanierung, alles noch besser werden soll – wir bleiben gespannt.

Fazit

Ob Nummer 1, Nummer 11, oder was auch immer – Daniel Humm bleibt mit seiner selbstbewusst eigenständigen Küche ein absolutes Muss. Der exzellente Service macht das EMP zu einem Leuchtturm für die Branche.

Weine

Die Weinbegleitung im Eleven Madison Park in New York City

Suenen, Blanc de Blancs, Extra Brut, Champagne

2011 Bisci, Vigneto Fogliano, Verdicchio di Matelica, Italien

2012 Nicolas Mariotti Bindi, Mursaglia, Patrimonio, Korsika

2013 Domaine de la Taille aux loups, Remus, Loire Valley

2013 Domaine Olivier Merlin, Vieilles Vignes, Burgund

1997 La Chapelle, Paul Jaboulet Ainé, Hermitage, Rhone

Aaron Burr Cidery, Appinette, Wurtsboro, New York

2012 Zweigelt Beerenauslese, Weingut Kracher, Burgenland

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

Eure Meinung?

Welchen Anteil hat der Service am Gesamterlebnis im Restaurant? 

 

Das könnte dich auch interessieren