Restaurantkritik 15.August 2014

MITTAGS MAL MEDITERRAN

Bei einem Restaurantbesuch interessiert uns in erster Linie das Essen und in zweiter ein passender Wein. Ohne Zweifel – und dies an dritter Stelle – kann die Betreuung durch gute Gastgeber sehr zu einem gelungenen Restaurantaufenthalt beitragen, und zu guter Letzt sollten Einrichtung und Ambiente eine angenehme Atmosphäre schaffen.

Zu unserer zweiten Station in Stuttgart nach dem Schlossgarten Restaurant mussten wir nur 400 Meter zurücklegen, um in Maître Pascal Foechterlé einen Vertreter der genannten Gastgeber zu finden. Schwieriger wird es hinsichtlich der 90er-Jahre-Inneneinrichtung im zwar hellen, aber gar nicht nach unserem Geschmack gestalteten Restaurant Olivo im Steigenberger-Hotel Graf Zeppelin.

So widmen wir uns einfach intensiver dem Ausblick auf den Arnulf-Klett-Platz vorm Stuttgarter Hauptbahnhof und philosophieren ein wenig über Stuttgart 21, lassen Erinnerungen an die tolle Stimmung in der Stadt während des Sommermärchens 2006, wie Horst Hrubesch es formulieren würde, noch einmal „Paroli laufen“ und studieren ausgiebig die Menü- und Weinkarte. Die Vorfreude auf ein spannendes Lunch-Menü aus der Küche von Nico Burkhardt, die er selbst als „filigran, französisch inspiriert und modern interpretiert“ bezeichnet, tut ihr Übriges. Der gebürtige Berliner ist seit 2011 Küchenchef im Olivo und erkochte nach seinem Wechsel aus dem Hamburger Seven Seas auf Anhieb einen Stern.

Als hätte der Küchenchef unsere Wünsche erhört, serviert er uns umgehend einen köstlichen, luftigen Burrattaschaum mit Schinken, Ei und Pesto zur Einstimmung. Das wirkt wie eine flüssige Überleitung vom Frühstück zum Lunch und passt hervorragend.

Es folgen weitere, sorgfältig zubereitete Petitessen. Neben einem herzhaften Büsumer Krabbensalat, der allerdings mehr wie eine Krabbenfrikadelle anmutet, finden wir eine Sphärische Olive, deren gutes Aroma die Effekthascherei der in die Jahre gekommenen Molekularküche durchaus rechtfertigt. Der Olivenmarshmallow ist etwas zu süß geraten und erinnert kaum an die Frucht des Ölbaums; der Olivenbaumkuchen mit Olivenöl-Majonnaise ist eher klassisch angelegt und gefällt uns von den Apéros am besten.

Die Variation von Mais als Amuse-Gueule könnten wir uns statt des konventionellen Popcorns auch gut im Kino vorstellen. In Fleißarbeit sehr filigran angerichtet, setzt dieses Breitbandkino geschmacklich Akzente.

Uns beeindruckt auch die komplett hausgemachte Brotauswahl. Churros und gebundenes Olivenöl sind eine schöne Abwechslung zur oft recht eindimensionalen Brotauswahl in der gehobenen Küche.

Der Matjeshering mit grünem Apfel, Rettich, Zwiebel, Pumpernickel und Schmand setzt die Detailverliebtheit fort. Die originelle und sanfte Dekonstruktion dieser klassischen „Brotzeit“ gefällt uns besonders durch die Leichtigkeit und Frische. Dabei bleibt sie sehr schmackhaft und driftet nicht ins Verkopfte ab. Durchaus moderne Akzente setzen die Pumpernickel-Crème und das hervorragende Apfeleis.

Es folgt ein alter Bekannter: Die roh marinierte Gänseleber mit Roter Bete, Himbeere, Sauerklee und Schafsjoghurt haben wir in dieser Zusammenstellung schon des Öfteren auf den Tellern der Republik erlebt. Wenngleich die Kombination handwerklich und optisch sehr ordentlich gearbeitet ist, stört uns hier die Betonung der Süße der farbigen Rübe. Die deutliche Dessert-Tendenz des Gerichtes wird auch durch die Fruchtsäure der Himbeeren nicht gerettet – ganz im Gegenteil, sie verstärkt sich. Darüber hinaus ist die Textur der Gänseleber für unseren Geschmack einen Tick zu cremig.

Mit dem Eintopf vom Ochsenschwanz – eine Essenz mit jungem Gemüse, Eigelb und Kartoffel – reißt die Küche das Ruder herum. Auf einer Art Kartoffelpüree ist das knackige Gemüse mit Eigelbwürfeln und Schmorfleischstücken angerichtet. Die am Tisch angegossene Essenz überzeugt mit Tiefe und transparentem Wohlgeschmack. Als große Suppen-Freunde müssen wir unsere Forderung nach Flüssignahrung zu diesem Zeitpunkt um Eintöpfe erweitern!

Der französisch inspirierten Küche, die das Olivo für sich proklamiert, können wir definitiv die nachfolgende Bouillabaisse zuordnen. Burkhardt hat diesen Klassiker deutlich entschlackt, der kräftige, aber nicht zu salzige Fond ist klar und nicht sämig püriert. Diese Feinheit gefällt uns gut, unterstreicht es doch die eingesetzten Produkte und lässt uns auf Aromen-Schnitzeljagd gehen: Moscardini, Tintenfisch, Pétoncle, Safran-Aioli, Kaper, Tomate und Meeresalge.

Beim Rücken vom Salzwiesenlamm mit Karotten, Ingwer, Orange und Mole ist das Fleisch, was Optik und Zartheit betrifft, perfekt gegart. Hier liegt allerdings auch die Crux: Mit ein paar Röstaromen, sogar auf Kosten der Konsistenz, gewönne der Fleischgeschmack. Besser geraten die Beilagen, wenngleich wir aufgrund unseres frühpubertären Alete-Traumas keine großen Freunde von Karotten sind – hier lassen wir sie uns jedoch gerne auftischen! Sie entwickeln im Zusammenspiel mit den Geleewürfeln aus Ingwer und Ananas und der leichten Pfefferkruste auf dem Fleisch ihren Reiz. Und Mole – in diesem Fall eine Gewürzmischung des Magiers Ingo Holland aus Klingenberg –, das wissen wir aus eigener Küchenerfahrung, kann auch einer noch so guten Jus den letzten und entscheidenden Kick verpassen.

Was für den vorherigen Fleischgang galt, trifft auch auf die Perlhuhnbrust mit Pilzen, Wildkräutern, Petersilie und Nussbutter zu. Der Geschmack und auch das Mundgefühl beim Kauen leiden unter der übertrieben Zartheit. So hat der Fleischgeschmack Probleme, sich durchzusetzen gegen die sehr gelungene Begleitung, die uns beim Essen spontan an herrliche Waldaromen denken lässt.

Beim Käsegang ist eine pur belassene Scheibe Fourme d´Ambert mit Ananas, Sellerie, Pata Negra und Trauben-Senfeis belegt. Das klingt zunächst willkürlich oder auch banal. Ohne weiteres lassen sich aber immer wieder geschmacklich sinnvolle und interessante Kombinationen zusammenstellen. So macht dieser ausgezeichnete Käsegang bis zum letzten Bissen Spaß!

Es ist, was es ist – ein Schokoladendessert. Das ist bei Araguani-Schokolade mit Blaubeere, Karamell und Haselnuss auch gut so. Dieser Gang überzeugt uns mit moderner Küchentechnik, aber besonders durch seine Leichtigkeit und die feine Säure der Blaubeere, die der grundsätzlichen Süße des Tellers Paroli bieten kann.

Nico Burkhardt (links) hat Wort gehalten. Wir erlebten eine moderne Küche, in der Texturgeber und aktuelle Techniken genutzt, aber sinnvoll verwendet werden. Bei aller Kleinteiligkeit und optisch ansprechenden Tellern bleibt der 31-Jährige stets nah am Produkt und vor allem am Geschmack. Die Fokussierung auf unbedingte Zartheit bei den Fleischgängen können wir nicht nachvollziehen –(mehr) Röstaromen würden dem Wohlgeschmack der Hauptgänge definitiv helfen. Was in dieser Richtung möglich ist, haben uns einige andere Gänge eindrucksvoll gezeigt.

Bei Maître Pascal Foechterlé (2.v.l.) mit seiner professionellen, aber verbindlichen Art und seinem umsichtigen Serviceteam fühlten wir uns zu jedem Zeitpunkt gut aufgehoben. Dazu trägt sicherlich auch die gelungene Weinbegleitung mit interessanten Entdeckungen wie dem südafrikanischen Merlot „Glenelly“ bei.

FAZIT

Wenn wir einmal von kleineren Problemen bei den Fleischgängen absehen, verlassen wir das Olivo glücklich. Nico Burkhardts Küche hat uns mit französisch-mediterraner Leichtigkeit, einer gewissen Verspieltheit und teils originellen Ideen überzeugt. .

Eure Meinung?

Essen am Stuttgarter Hauptbahnhof. Wer ist Eure Wahl?

 

WEINE

N.V., Rosé Majeur Brut, Ayla, Champagne

2012 Sauvignon Blanc Uhlbacher Götzenberg, Currle, Württemberg

2011 Traminer S, Staatsweingut Weinsberg, Württemberg

2011 Bourgogne Blanc, Domaine Bachelet Monnot, Bourgogne

2009 Merlot "The Glass Collection", Glenelly, South Africa

2010 Chateau de Saint Cosme, Cotes du Rhone

1996, 14 ans d'élevage en barrique, La Rectorie, Rivesaltes

N.V., XP Likörwein, Staasweingut Weinsberg, Württemberg

 

Fressfreunde

Kulinarisches Interview

"Immer wieder ein Genuss! Nico und Pascal werden noch von sich hören lassen..."

David Schnapp

"Im Frühjahr 2013 war ich sehr beeindruckt, was Nico Burkhardt sozusagen im Alleingang aus der Küche geschickt hat. Nicht alles unverwechselbar vielleicht, aber gut gekocht und unterhaltsam präsentiert."

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