Kolumne 14.März 2015

Der richtige Sitzplatz

Wie Ihr es vermeidet, ein langweiliges Dinner zu verbringen

Ist man zu einem Essen in größerer Runde geladen, sei es geschäftlich oder privat, so spielt der eigene Sitzplatz am Tisch eine durchaus bedeutende Rolle. Der amerikanische Designer Alex Cornell hat sich damit intensiver beschäftigt und festgestellt, dass es bei freier Platzwahl im Schnitt 45 Sekunden dauert, bis sich die Sitzordnung ergibt. Eine vermeintlich unbedeutende Situation im sozialen Leben – doch eine mit weitreichenden Auswirkungen für den weiteren Verlauf des Dinners. Die Frage dabei ist: Wie vermeide ich es, einen schier endlosen Abend neben einem profilneurotischen Hipster, einem selbstdarstellenden Hobbymimen oder dem mitteilungsbedürftigen Foodblogger verbringen zu müssen? Die Wahl sollte natürlich immer möglichst unvoreingenommen und planlos-lässig wirken, was allerdings einiger Vorbereitung und Erfahrung bedarf. Timing ist dabei alles – 45 Sekunden entscheiden darüber, wie angenehm die nächsten Stunden werden. Sobald die ersten Personen ihre Plätze einnehmen, ist die Auswahl bereits eingeschränkt. Die Gäste sitzen scheinbar zufällig, doch wenn Du nicht schnell oder vorausschauend genug entscheidest, wirst Du unweigerlich am langweiligsten Ende des Tisches landen.

Hier die häufigsten Tischkonstellationen und Dinnersituationen, die Euch auf alles Kommende vorbereiten...

4 Personen am runden Tisch

Dies ist das ideale Setup, da Du auf jedem Sitzplatz auf der sicheren Seite bist bzw. dem sicheren Platz sitzt. Unabhängig davon, wie interessant Deine Begleiter sind, kannst Du bei der Platzwahl nicht viel falsch machen, da Du die Kommunikation zu allen Anwesenden forcieren bzw. eine subtile Auswahl treffen kannst. Wichtiger Hinweis: Mit steigendem Durchmesser des Tisches steigt auch die Bedeutung eines sympathischen direkten Tischnachbarn. Daher im Vorfeld unbedingt das Restaurant hinsichtlich der Tischgröße kontaktieren.

Schwierigkeit: einfach

4 Personen am quadratischen Tisch

Diese Konfiguration ist im Gegensatz zu zwei Stühlen auf jeder Seite weniger problembehaftet, da sie grundsätzlich dem runden 4er-Tisch gleicht. Zu vermeiden ist lediglich das allzu starke Vertiefen eines rein diagonalen Eckgesprächs mit nur einem Nachbarn. Zum einen, weil die Konversation damit unweigerlich in zwei Fraktionen bricht und Du die Chance vergibst, auch in den anderen interessante Gesprächspartner zu finden. Vor allem aber, weil 3 Stunden überproportionale Aufmerksamkeit dazu reichen, um in die persönlichen Abgründe seines Gegenüber vorzudringen und sich der anfangs so nette "Typ aus der Verwaltung" als komplex-beladener Kassenwart eines Schrebergartenvereins offenbart...

Schwierigkeit: leicht erhöht

6 Personen am rechteckigen Tisch

Hierbei ist entscheidend, wie hoch der Lärmpegel im Restaurant ist. Dieser determiniert die Wichtigkeit, einen Mittelplatz zu erwischen. Am besten lasst Ihr Euch im Vorfeld notariell beglaubigte Untersuchungen aus dem Speiselokal schicken – sollten diese im Mittel über 65 Dezibel liegen, empfiehlt sich bereits eine Reservierung des Sitzplatzes mittels Handtuch am Morgen, da diese Lautstärke keine sinnvolle diagonale Konversation mehr zulässt und somit multiples Gequatsche erforderlich macht. Ein ruhiger Gastraum hingegen ermöglicht in der Regel auch ein gemeinsames Tischgespräch, wodurch die direkten Nachbarn an Wichtigkeit verlieren.

Schwierigkeit: erhöht

8 Personen am rechteckigen Tisch

Um einen der vier begehrten Innenplätze zu bekommen, musst Du geschickt vorgehen. Du darfst unter keinen Umständen der erste sein, der den Sitzplatz wählt, da Dir dies wohlmöglich als Unhöflichkeit ausgelegt wird. Zudem verpflichtest Du Dich damit quasi auch bis zum bitteren Ende zu bleiben, damit keine Lücke am Tisch klafft. Auch als einer der vier Letzten verlierst Du, da die äußeren Plätze undankbar sind und Du Dich nicht komplett auf Dein Glück hinsichtlich der Sympathie Deiner direkten Nachbarn verlassen solltest. Timing ist bei dieser Konstellation also alles!

Schwierigkeit: hoch

7 Personen an rechteckigen Tisch

In diesem Szenario kannst Du schnell die Arschkarte ziehen. Es mag zunächst so scheinen, dass Du fast überall gut sitzt – dem ist aber nicht so. Stets läufst Du Gefahr, neben, nahe oder am einsamen Ende des Tisches zu sitzen und somit eine begrenzte Anzahl an Gesprächspartnern für eine zeitlich ausufernde Mahlzeit zu haben. Hier gibt es nur eine perfekte Wahl.

Schwierigkeit: sehr hoch

2 Tische jeder Größe

Verabschiede Dich umgehend von der Illusion eines schönen Abends! (You’re fucked). Egal, wann Du Deine Sitzwahl triffst und welche Strategie Du anwendest, Du wirst dies zu früh tun. Stets wird Dich das Gefühl beschleichen, dass die Gäste am Nachbartisch wesentlich interessanter seien und der Tisch damit bereits an sich die falsche Wahl ist. Das baut enormen Druck auf, dem Du im Zweifel nicht gewachsen bist. Manchmal ist es am besten, in aller Ruhe die Toilette aufzusuchen oder eine Zigarette am gastlichen Außenheizpilz zu rauchen, während sich die Gruppe an den Tischen verteilt. Etwaige Sitzkatastrophen unterliegen somit dem Zufall und nicht Deiner eigenen Fehleinschätzung.

Schwierigkeit: absurd

Danke an Alex Cornell für die englische Vorlage!

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