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Götterspeisen 19.September 2017

Götterspeisen (12)

Seien wir ehrlich: So gut die Kreationen unserer besten Köche auch sind, bleibt das Essen doch ein sehr flüchtiges Vergnügen. Man speist, genießt und begeistert sich – und doch verblasst mit der Zeit die Erinnerung. Manchmal aber, meist völlig unerwartet, bekommt man es mit einem Gericht zu tun, das sich förmlich in jenen noch unerforschten Bereich des Gehirns einbrennt, der für die Speicherung kulinarischer Offenbarungen zuständig ist. Solche Erlebnisse sind es, wonach jeder Gastrosoph sucht: Mit unserer neuen Serie geben wir all jenen Gerichten eine Bühne, an die wir seit Monaten, manchmal gar seit Jahren immer wieder denken müssen. Jene Geniestreiche großer Köche also, bei denen man schon nach dem ersten Bissen weiss, dass man es mit einem Geschmackserlebnis für die Ewigkeit zu tun hat. 

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Götterspeise 85

"Hummer Thermidor" von Martin Fauster

Den Anfang im Reigen einiger Signature Dishes im Münchner Königshof macht Fausters Bretonischer Hummer Thermidor. Hierfür wird der gekochte Hummerschwanz ausgelöst und mit gedünstetem Spinat, Champignonwürfeln und Artischocke wieder in die Karkasse gefüllt – um dann mit einer Hollandaise gratiniert zu werden. Das ist unfassbar gut: zartes, aromatisches Hummerfleisch, hauchzarter Spinat, knackige Champignonwürfel und Artischocke, alles unter einer wunderbar mit Kerbel, Estragon und Basilikum gewürzten Hollandaise, die auch Röstnoten beisteuert. Jedes Detail stimmt hier perfekt. Aber das ist noch nicht alles...

Separat gibt es ein Hummertatar und ein Schälchen mit Hummerbisque – beides ebenfalls absolut köstlich und von wohliger Dekadenz. Und das ist alles nicht halb so schwer und wuchtig, wie es vielleicht klingt oder aussieht. Vielmehr zeigt Fauster auch hier wieder eine Filigranität, mit der wir bei dieser Zubereitung nicht gerechnet haben. Vollkommen beschwingt legen wir nach dieser Götterspeise das Besteck nieder und bringen. 

Den ausführlichen Bericht zu unserem Besuch im Königshof findet Ihr hier.

Götterspeise 84

Gâteau "Sonnora" von Helmut Thieltges 

Bei unserem letzten Besuch im Waldhotel Sonnora kredenzte uns Helmut Thieltges eines seiner monumentalen wie unvergesslichen Gerichte. Die kleine Torte mit Imperial-Kaviar zeigt, wie wenige Elemente eine Spitzenküche manchmal nur benötigt, um sich als solche zu offenbaren: Sie besteht aus einem dünnen, knusprigen Puffer, einem wunderbar abgeschmeckten, würzigen Tatar, Crème fraîche und wird getoppt von einer fingerdicken Schicht Kaviar höchster Qualität. Resultat ist ein klares Geschmacksbild, das das Beste von Weide, Acker und Meer vereint. Eine reiche und opulent-pathetische Inszenierung, von der wir uns gerne den restlichen "Kuchen" hätten einpacken lassen. 

Wären wir in den letzten vier Jahren klüger gewesen, hätten wir den Weg nach Dreis häufiger eingeschlagen um diese pure, kulinarische Glückseligkeit zu erleben. Und so überlassen wir Helmut Thieltges ein letztes Mal die Bühne: "Ein Spitzenrestaurant muss ein Schlaraffenland sein. Wer mehrere Hundert Kilometer für ein Essen fährt, der soll auch etwas geboten kriegen." Doch die gute Nachricht ist, dass Thieltges' Erbe von seinem ehemaligen Sous Chef Clemens Rambichler fortgeführt wird und der Gâteau somit hoffentlich weiterhin bestellt werden kann.

Den ausführlichen Bericht zu unserem letzen Besuch im Waldhotel findet Ihr hier.

Götterspeise 83

Schweinebauch à la chinoise von Jan Hartwig

Beim jüngsten Besuch im Münchner Atelier kredenzte uns Küchenchef Jan Hartwig einen veritablen China-Böller von Gericht: Schweinebauch à la chinoise mit geräucherter Hollandaise, Eiskraut, Sesam, schwarzem Radi und Umami-Bouillon. Vielerorts wurde von diesem Gericht schon geschwärmt – und es ist alles wahr: Der Schweinebauch ist so butterzart, dass er am Gaumen förmlich schmilzt. Von der exakt richtig geräucherten Hollandaise bekommt er eine samtige Unterfütterung, Radi und Eiskraut bringen krachig-knackige Textur, der kräftig geröstete Sesam unterstreicht den chinesischen Einschlag. Vor allem aber die Umani-Bouillon ist unbeschreiblich. Eine Verdichtung an Aromen, wie wir sie kaum je erlebt haben. Bei diesem Gericht können wir den Einsatz als Zwischengang gut verstehen, denn in Hauptgang-Größe wäre die Intensität bei aller Güte kaum zu schaffen. So aber ist es genau richtig und für uns vor allem eines: eine unvergessliche Götterspeise.

Den ausführlichen Bericht zu unserem letzen Besuch im Atelier findet Ihr hier.

Götterspeise 82

Zitronenthymian und Honig von Laurent Jeannin

Auf dieses Dessert im Pariser Epicure waren wir sehr gespannt: Es besteht aus einem Parfait von Honig und Zitronenthymian, obenauf Birnenwürfel, mit Zitrone und Ingwer mariniert, am Tellerrand frischer Wabenhonig. Am Tisch wird noch eine Sauce aus Honig, Zitrone und Ingwer aufgeträufelt. Das klingt nun vielleicht klebrig-süß, wird aber in der Umsetzung von Chef-Pâtisssier Laurent Jeannin zu einem Hochgenuss sondergleichen. Nichts ist zu süß, alles wirkt unglaublich präzise aufeinander abgestimmt. Das Parfait zergeht wie geeister Samt auf der Zunge, die bissfesten, marinierten Birnenwürfel bringen säuerliche Frische – und als überraschender Clou ist das Parfait mit Stücken von buttrigem Shortbread und Honigschaum gefüllt. Der Wahnsinn. Von großer Wirkung auch die Sauce, deren Ingwerwürze eine leichte Schärfe ins Spiel bringt. Und da man Honig gerne auch als "flüssiges Gold" bezeichnet, passt mit etwas gutem Willen sogar die von uns verpönte Blattgold-Deko.

Man muss sich das bei den wahnwitzigen Pâtisserie-Ambitionen in vielen Restaurants einmal vor Augen führen: Mit traditionellen Zutaten und Techniken sowie einem eher schlicht gehaltenen Aufbau gelingt einem Pâtissier hier ein Dessert, das ohne Frage zu unseren All-Time-Favorites gehört. Der rare Fall eines Götterspeisen-Desserts – und hier auch eine nachträgliche Hommage an Pâtisssier Laurent Jeannin, der am 7. Juli 2017 im Alter von nur 49 Jahren verstarb.

Den kompletten Bericht zu unserem Besuch im Epicure findet Ihr hier.

Götterspeise 81

"Makrele Marrakesch" von Nils Henkel 

Häufig erleben wir es, dass eine Götterspeise beim zweiten Verkosten nicht mehr die Begeisterung der ersten Version erreichen kann. Das hat verschiedene Gründe: Entweder wurde das Gericht dezent verändert (andere Produkte oder Proportionen) oder wir nehmen es schlichtweg anders wahr. Doch nicht so beim ersten Besuch bei Nils Henkel an seiner neuen Wirkungsstätte auf Burg Schwarzenstein. Sein Klassiker "Makrele Marrakesch mit Aubergine, Kichererbsen und Calamares" schmeckt auch drei Jahre nach der ersten Verkostung unfassbar gut und besticht durch die perfekt austarierte orientalische Würze im süffigen Sud sowie die Balance zwischen fettem Fisch, leichten Räuchernoten, fruchtig anmutender Paprika und knackigen Gurkenbällchen. Anstelle der Seegurke verwendet Henkel nun Calamares, die texturell ähnlich, aber geschmacklich spannender sind. Nicht zu vergessen natürlich die Üppigkeit der confierten Aubergine und das würzige Couscous – nach den Kartoffeln schon die zweite "Kohlenhydratkomponente", und auch hier zeigt sich, wie wichtig ein solch "bindendes" Element für die Gesamtwirkung sein kann. Das Tolle bei dieser Kreation ist und bleibt aber: Egal, wie man sich durchlöffelt – es schmeckt immer ein wenig anders und immer hochspannend. Noch immer eine lupenreine Götterspeise.

Unseren ausführlichen Bericht zur Burg Schwarzenstein findet Ihr hier

Götterspeisen 76-80

...findet Ihr hier.

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