Götterspeisen 29.Dezember 2014

Götterspeisen-Menü 2014

Auf der Suche nach außergewöhnlichen kulinarischen Erlebnissen, probieren wir eine Vielzahl an Gerichten. Umso bedeutender werden dabei jene Kreationen, die sich nachhaltig ins Gedächtnis brennen: Hier die besten Gänge des Jahres 2014 in unserem Götterspeisen-Menü!

Apéro: Joachim Wissler und Denis Jahn, Vendôme (Bergisch-Gladbach)

Eine Klassiker-Variation ist das Gänseleberkaramell mit Piemonteser Haselnuss. Nach dem optischen Vorbild der bekannten Süßigkeit vereint Joachim Wissler die Zutaten zu einem feinwürzigen Hochgenuss zwischen schmelziger Leber und knackiger Nuss. Hier zeigt sich, welche durchaus wichtige Rolle auch der Präsentation in Form einer perfekt gearbeiteten und von Souschef Denis Jahn entworfenen Metallplatte zukommt. In seiner vermeintlichen Simplizität geht dieses „Toffifee“ eindeutig in unsere Götterspeisen des Jahres ein.

Amuse: Martin Klein, Ikarus (Salzburg)

Es sieht aus wie ein Burger, es riecht wie ein Burger ‒ doch schmeckt dann soviel besser und konzentrierter als das, was die meisten der allerorts aus dem Boden sprießenden Burger-Läden auf die Teller bringen. Beim Kalbstatar-Burger ist das rohe, angemachte Fleisch würziger als manch gebratener Patty und liegt auf einer Art Macaron-Hälfte, die Textur gibt. Den lange währenden Geschmackseindruck unterstützt besonders der Senfessig. Als Deckel dient ein Miniatur-Bun, der seinen letzten Kick durch Perlen von gerösteten Sesamöl erhält. 

Vorspeise: Andree Köthe und Yves Ollech, Essigbrätlein (Nürnberg)

Leichtigkeit und scheinbarer Purismus kehren mit dem Saibling „geräuchert“ zurück. Dankenswerterweise füllt die Küche jeden Teller gleich mit drei Stücken des köstlichen Fisches, auf dem eingelegte grüne Wacholderbeeren drapiert werden. Darunter befinden sich Streifen grüner Wacholdercrème und Sahne mit Wacholderasche und Tomatensaft. Das wirkt eingänglich und ist unkompliziert zu essen, eröffnet aber auch die Möglichkeit, vom reinen Wohlgeschmack des ersten Stücks bis zum dritten Fischsegment immer mehr Details wahrzunehmen. So wird man gern zum Wiederholungstäter: Scheinbar Widersprüchliches wie die Crème aus getrockneter Roter Bete, Grapefruit und Tomatenkernen wird kombiniert und überrascht uns durch Harmonie, Tiefe und einen tollen Spannungsbogen. Eine Götterspeise, die uns auch in der Rubrik „Ein Teller mit...“ begeistert!

Erstes Zwischengericht: Sebastian Frank, Horvarth (Berlin)

Die Birne im Minzsud mit Topinambur, Knochenmark, Rindsgrammeln und frittiertem Blattkohl ist sicherlich ein polarisierendes Gericht, bei dem wir uns klar auf die Seite „kleines kulinarisches Meisterwerk“ schlagen. Im Zentrum steht das cremige Kochenmark, das begleitet von regelrechten „Mhmm“-Arien auf der Zunge zergeht. Angefeuert durch die Beigaben, die wie Elemente eines Uhrwerks ineinander greifen und den Gaumen als höchst delikate Union fruchtiger (Birne), erdiger (Topinambur) und würziger (Blattkohl) Eindrücke bespielen. Eine Götterspeise durch und durch.

Suppe: Benjamin Maerz, Rose (Bietigheim)

Mit der Hochzeitssuppe 2014 wird es in der schwäbischen Kreisstadt sehr persönlich, denn Benjamin Maerz hat diesen Gang anlässlich seiner eignen Vermählung komponiert. Und das merkt man: Beim Verkosten können wir mit jedem Löffel erschmecken, wie viel Hingabe in dieses Gericht eingegangen ist. Nahezu unbeschreiblich ist das gelungene Zusammenspiel, wenn sich Sous-vide gegarte Entenleber, Entenconfit, bissfester Rettich und die herzhafte Consomé zu einem vollmundigen Genuss verbinden – gekrönt von einem unsagbar guten Enten-Dim Sum. Es schmeckt so gut, ist derart süffig und von aromatisch langem Nachhall, dass einer von uns in der Nacht tatsächlich davon träumte. 

Weiteres Zwischengericht: Esben Holmboe Bang, Maaemo (Oslo)

Das eigentliche Menü startet in Oslo mit gegrillter Jakobsmuschel, geräucherter Butter und fermentiertem Selleriesaft, serviert mit in Salz gegartem Sellerie und karamellisiertem Sellerie. Machen wir es kurz: Diese Kreation ist eine Götterspeise. Die Muschel von sensationeller Knackigkeit und intensivem Geschmack, der von Butter und Selleriesaft wunderbar nach vorne gebracht wird. Dazu weiche, süßlich-würzige und unbeschreiblich köstliche Selleriewürfel sowie bissfeste, ganz leicht karamellisierte Scheiben von der Knolle. So simpel, so genial.

Gemüsegang: Daniel Humm, Eleven Madison Park (New York City)

Angesichts des großartigen Service im "EMP" will sich die Küche scheinbar nicht in den Hintergrund drängen lassen und schickt einen echten Showstopper: Der Anblick der prall gefüllten, glänzenden Schweinsblase lässt uns das Wasser im Munde zusammenlaufen, denken wir doch unweigerlich sofort an eine unserer Lieblingsspezialitäten der klassischen Küche – die Poularde in Halbtrauer mit ihrem luxuriösen Trüffelgewand. Immerhin, mit dem Trüffel lagen wir richtig, aber aus der fetten Poularde ist hier eine klitzekleine Sellerieknolle in der Schweinsblase geworden. Die aber hat es in sich! Eine nahezu fleischige Textur, deren Wirkung durch das intensive Umami der Sellerie und den konzentrierten Trüffelfond vertieft wird. Und über allem die Vermählung der wunderbar flüchtigen Intensität der beiden Knollen – ein Parfum, dass uns zu schnüffelnden Trüffelschweinen werden lässt. Sollte jemand noch Zweifel an kulinarischen Höhepunkten ohne Fleisch und Fisch haben, hier werden sie hinfortgeblasen. 

Fischgang: Paul Stradner, Brenners Park-Restaurant (Baden-Baden) 

Die Begeisterung für das glasig gegarte Filet vom weißen Heilbutt mit Paprikapüree, Artischocken und Pinienkern-Sud fällt enorm aus. Der festfleischige, höchst delikate Fisch bekommt durch die Röstnoten zusätzliche Aromenkraft und durch das Paprikapüree eine angenehme Würze. Die Sensation ist aber der Pinienkernsud: durch die sämige Bindung wunderbar vollmundig, durch die deutliche Bräunung der Kerne kräftig, aber dennoch sehr elegant; die winzigen Gemüseelemente sorgen für Frische. In Verbindung mit dem Heilbutt wird daraus eine lupenreine Götterspeise.

Erster Hauptgang: Benjamin Peifer, Urgestein (Neustadt)

Urlamm – Streetfood, serviert wie in Japan, Korea, Singapur und Thailand schickt Benjamin Peifer eine Götterspeise ersten Ranges. Dabei ist es nicht allein die geschmackliche Qualität des Gerichts, die uns begeistert, sondern ebenso die Abkehr von der auch in der Spitzengastronomie nicht unüblichen Gleichung "Hauptgang ist gleich Fleisch mit Beilage und Soße".

Stattdessen nimmt uns Peifer mit auf eine Reise durch Asien und serviert nicht weniger als 4 Gerichte vom Lamm, in denen man genüsslich schwelgen kann. Großartig die deftigen Dim Sum mit Lammbries (ohne Bild) und einer perfekten Balance aus Schärfe, Süße und Säure von Yuzu und Togarashi-Pfeffer (Japan)! Traumhaft das gehackte Lammfleisch mit Fischsoße, verfeinert mit Gemüse, Kräutern, Chili (Thailand). Himmlisch die butterzarten Rippchen mit Erdnusscrème und Limette (Singapur). Und göttlich dieses Schmorfleisch vom Lammnacken mit scharfem Kimchi, knackiger Edamame und intensiver Lammbouillon (Korea).

Zweiter Hauptgang: Tim Raue und Christian Singer, Tim Raue (Berlin)

Der Hauptgang in Berlin pendelt optisch und geschmacklich zwischen zwei Polen. Auf der einen Seite haben wir die butterzart geschmorte, überaus köstliche Kalbsbacke, gebettet in einer zum Niederknien guten Jalapeño-Jus und getoppt von einem Dim Sum vom Kalbskopf, für dessen deftige Füllung wir erneut auf die geschundenen Knie fallen möchten. Und als wäre das nicht schon gut genug, haben wir auf der anderen Seite noch die futuristisch wirkende Rolle aus Staudensellerie und Jalapeño (ohne Bild), die mit ihrer Knackigkeit und der belebenden Mischung aus Schärfe und Säure den perfekten Konterpart zur Umami-Seligkeit des Haupttellers bildet und für jenes wohlige Stöhnen bei Tisch sorgt, das vom Genuss einer Götterspeise kündet.

Pré-Dessert: Christian Hümbs, Haerlin (Hamburg)

Das Thema Gurke wird vom Hamburger Neuzugang Christian Hümbs aufgegriffen und als Salat mal anders angekündigt. Der Spitzenpâtissier bestätigt mit dieser Kombination von Kopfsalat, weißer Schokolade, Gurke und Passionsfrucht mal wieder seine Ausnahmestellung. Der Salat ist dabei der Einstieg in die vegetabil-frischen Desserts mit Gemüse, die bei allen Überlegungen stets einfach essbar und verständlich bleiben und trotzdem gewohnte Geschmacksbilder einreißen. Die leicht herben, "grün" schmeckenden Noten des Kopfsalats stehen im Vordergrund, werden von der Gurke um knackige Frische erweitert und mit der perfekt dosierten Säure der Passionsfrucht nochmals gehoben. Die karamellisierte weiße Schokolade sorgt mit ihrem Schmelz für das Maß Cremigkeit, das es hier braucht, um dem filigranen Wechselspiel der überwiegend wässrigen Aromen die nötige Länge am Gaumen zu geben. Und: Sie steuert den Hauch Süße bei, der dieses Gericht so besonders köstlich macht.

Dessert 1: Christian Le Squer, Le Cinq (Paris)

Nach einem fulminanten Menü im Pariser Le Cinq folgt ein Dessert von genialer Simplizität: Geeiste Milch mit Hefe besticht bereits durch seine ungemein "reine" Farbpalette und die wild-elegante, beinahe architektonisch anmutende Präsentation. Der Geschmack steht dem in nichts nach: Auf einem Boden aus Meringue mit Raspeln von weißer Schokolade und Mandeln sitzen eine Milchcreme sowie Milcheis, beides sanft, aber schmeckbar mit Hefe aromatisiert. Der Effekt ist sensationell – die süße Frische der Milch bekommt durch die Hefe eine enorm süffige Vollmundigkeit; der Boden steuert festere Substanz und durch Mandel und Schokolade weitere Aromen bei. Das "Pergament" (aus Isomalt) erzeugt mit seiner "Splittrigkeit" einen spannenden Texturkontrast. Sämtliche Komponenten greifen aromatisch und texturell ineinander und ergeben ein absolut stimmiges, großartig schmeckendes Gesamtbild.

Dessert 2: Benjamin Kunert, Villa Rothschild (Königstein)

Tagetesblüteneis, Tee, Aprikosenkompott, Paprika und Safran ragt im Taunus als eines von drei ausgezeichneten Desserts heraus: Die fruchtig-süße und leicht scharfe Kombination nimmt uns gefangen. Die Paprika fügt sich derart passend und schlüssig mit der Aprikose ins Dessert ein, dass wir die Frage nach der Notwendigkeit von Gemüse im Dessert eindeutig bejahen müssen. Ein wenig Knusper, ein paar grüne Noten sowie ein perfektes Eis mit zitronigem Geschmack dazu – und schon denken wir auch am kühlen Jahresende gerne und oft an dieses exzellente sommerliche Dessert zurück.

Petit Fours: Gert de Mangeleer, Hertog Jan (Belgien)

Das Potpourri an köstlichen süßen Kleinigkeiten im neuen Hertog Jan bei Brügge in Belgien waren 2014 sogar noch stimmiger und abwechslungsreicher als 2013 und bildeten einen adäquaten Abschluss eines grandiosen Menüs.

Weinbegleitung: Essigbrätlein

In unserer vinophilen Neugier wählen wir nahezu immer die Wein- oder auch mal die Saftbegleitung. Nicht immer lässt uns die alkoholische Variante uneingeschränkt zufrieden zurück, so dass wir uns gelegentlich durchaus eine Flasche zum Durchtrinken wünschten. Darüber hinaus kommen selbst hartgeso(tt/ff)ene Sternefresser mengenmäßig mitunter an ihre Kapazitätsgrenzen. Zudem wissen wir, wie schwierig die Abstimmung von Wein und Speisen ist – besonders, wenn wir die Auswahl,die der Flaschenvorat im Keller dem Sommelier bietet und nicht zuletzt die Erwartungshaltung des Gastes mit einbeziehen. Sommelier Ivan Jakir gebührt unser Respekt angesichts der Sensibilität, die er mit seiner Selektion zu den wahrlich nicht einfach zu begleitenden Gerichte beweist. Großartige und/oder namhafte Solisten, die dem Essen nicht die Schau stehlen, sondern weitere Nuancen hinzufügen, stehen neben überraschenden Preziosen wie dem Wein aus seinem Heimatland Kroatien. 

Alkoholfreie Getränkebegleitung: Gourmetrestaurant Lerbach

Sommelier Peter H. Müller, ein Spätberufener, überzeugt mit einer angenehm eigenwilligen, dabei durchweg stimmigen "unvergorenen" Getränkebegleitung. Zu jedem Zeitpunkt merkten wir ihm die Leidenschaft bei der Herstellung bzw. der Selektion der alkoholfreien und somit autofahrerfreundlichen Getränke an. 

Cocktails zum Menü: The Jane (Antwerpen)

In Antwerpen lohnt sich der Blick in die Cocktailkarte aus der Upper Room Bar von Paul Morel. Seine Kreationen haben uns schon im Pure C restlos begeistert und auch hier waren sogar die anti-alkoholischen Essensbegleiter wie der am Tisch geflämmte Drink aus roter Bete, grünem Apfel und Zedernholz eindrucksvoll.

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