Kochbücher 10.Dezember 2015

Serviert – Roland Trettl

Wenn jemand ein Buch veröffentlicht, in dem er Interna ausplaudert, also Ross und Reiter nennt, sorgt das immer für Unruhe. Das war bei Andy Warhols Tagebüchern, Toni Schumachers Anpfiff, Dieter Bohlens Autobiographie und Bettina Wulfs Plaudereien aus Schloss Bellevue so. Ähnlich wird der Fall auch bei Roland Trettls "Serviert. Die Wahrheit über die besten Köche der Welt. Ein Insider berichtet" liegen. Jeder, der hofft oder befürchtet, in diesem Buch vorzukommen und sein Fett wegzukriegen, wird als erstes das Namensverzeichnis aufschlagen. Zumindest wir haben das so gemacht. Seite 124, hier werden die Sternefresser abgehandelt...

Roland Trettl ist uns das erste Mal im Jahre 2000 auf des Deutschen Lieblingsinsel Mallorca im Ca's Puers begegnet. Zu der Zeit war der gebürtige Südtiroler ein junger, gerade mit Michelinstern ausgezeichneter Koch, der unter dem Patronat von Eckart Witzigmann in einem Stadthaus mit wunderschönem Garten und Blick auf die Orangenhaine von Sóller kochte. Das ist lange her, aber in Erinnerung blieb, dass nahezu jedes Gericht eine saure Note von Essig hatte. Wie auch anderes aus seiner Kochbiographie und seine Marotten gibt Trettl seinen Essig-Spleen retrospektiv zu und schüttelt selbst den Kopf darüber.

Die Zusammenarbeit mit Jahrhundertkoch Witzigmann ist eine Konstante in Roland Trettls Berufsleben. Erst kochte er mit Witzigmann als Lehrmeister in der Aubergine und im Tantris, dann unter dessen Patronat auf Mallorca und von 2003 bis 2013 im Restaurant Ikarus im Hangar-7 in Salzburg. Bei den Schilderungen zu seinem Berufsleben und seinem Verhalten schont Trettl sich nicht und stellt auch seine negativen Seiten durchaus pointiert heraus.

Der Hangar-7 befindet sich auf dem Gelände des Salzburger Flughafens und entstand als eine Idee des österreichischen Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz: eine Art Luffahrtaustellung mit Gastronomie. Und es sollte nicht irgendein Restaurant werden, sondern man wollte jeden Monat einen bekannten internationalen Gastkoch präsentieren. Zu dem Konzept gehörte, dass Roland Trettl den Gastkoch in dessen Restaurant besuchte. Hier wurden dann die Details geklärt, von der Menüfolge über Rezepte bis hin zu Einkaufslisten und Bezugsquellen. Unter der Leitung Trettls wurde dann einen Monat das Menü des Gastkochs nachgekocht, oft auch penibelst von den Gastköchen oder ihrem Adlatus kontrolliert.

Aus diesem Zeitraum stammt ein Großteil der Geschichten in Trettls Buch, der von Autor Christian Seiler unterstützt wurde. Sie berichten begeistert, aber auch kritisch über Landesküchen und die Chefs aus diesen Ländern. Traditionen, Techniken, Produkte und Passion. Eine Herausforderung für ihn in Österreich waren oft die Produkte, die nicht immer eins zu eins verfügbar waren. Kurzum, der Bozener hat vermutlich mehr Kochpersönlichkeiten, Küchenstile und Kochtechniken kennengelernt als der durchschnittliche Spitzenkoch und eine Vielzahl von Bezugsquellen auch für ungewöhnliche Zutaten aufgetan. Das prägt, und es war sicherlich nicht immer einfach, dabei das durchaus ausgeprägte eigene Ego zurückzuhalten.

Trettl wäscht bei den Beschreibungen seiner Konkurrenten keine allzu schmutzige Wäsche, sondern agiert eher im Schongang. Klar, es gab die Arroganten, die Blender, die Zweifelnden und die Perfektionisten – aber der Autor bleibt fair und sachlich. Hier wird niemand böse in die Pfanne gehauen. Das heißt aber nicht, dass es eine öde, langweilige Lektüre ist. Denn Trettl lässt sich über zwei Spezies Gast besonders aus: Gastrokritiker und Blogger sowie Ideen klauende Spitzenköche. Einem (mutmaßlich deutschen 3-Sterne-) Koch hat er irgendwann Hausverbot erteilt, weil dieser sich im Hangar-7 nicht nur regelmäßig inspirieren ließ, sondern Gerichte nach seinen Besuchen in seinem grenznahen Restaurant an einem idyllischen See unverhohlen kopiert als Plagiat auf den Tisch kamen (und kommen). Trettl thematisiert nicht nur seine jahrelang ausgetragene Privat-Fehde mit Karl Hohenlohe, dem Herausgeber der österreichischen Ausgabe des Gault Millau, er hat auch eine Meinung zu uns: Statt "digitaler Wichser" sind wir in seiner Einschätzung nach "gescheite Burschen" – puh, noch einmal Glück gehabt :)

Ein spannender Teil des Buches sind die Thesen, die Trettl aufstellt. Hier hat vieles Hand und Fuß, und wir könnten uns seinen Vorschlägen und Einwürfen großteils anschließen. In "Sorbets vor dem Hauptgang" beschreibt er die Unsinnigkeit dieses kühlen Intermezzos. Schön auch "Warum Gemüse nicht tourniert und Fleisch nicht geometrisch geschnitten werden muss". Unsere volle Zustimmung erhält auch "Lasst das Streetfood in Asien". Und endlich setzt sich mal jemand differenziert für Fernsehköche ein und honoriert die nicht zu unterschätzende Leistung eines Jamie Oliver und auch Tim Mälzers. Dafür bekommen Sommeliers einen leichten Nackenschlag, und ganze Fuhrparks von Küchengerätschaften eh.

In der Vielzahl der Themen, die hierbei angerissen werden, kommen naturgemäß Teilaspekte manchmal etwas zu kurz. Wir wollen nicht verschweigen, dass wir nicht mit allem einverstanden sind, was Trettl raushaut, und manchem auch keine allzu große Relevanz beimessen. So werden seine Vorschläge zu No-Shows durch einen Ticket-Verkauf in Deutschland nicht fruchten – es gibt eben kein Alinea, das sich so ein System aufgrund ungebremster Nachfrage erlauben kann. Und an einer Stelle wird es beim Thema Affenhirn in China gar arg krude: "(...) Aber ich denke mir dann, dass dieses Tier vielleicht in seinem früheren Leben ein Kinderschänder war oder ein Massenmörder und diesen Tod sogar verdient hat. Vielleicht war der Affe ja einmal der Hitler."

Fazit

Insgesamt lautet unsere Zusammenfassung: Es ist ein unterhaltsames Werk geworden, das wir in einem Rutsch verschlangen, und an einigen Stellen konnten wir herzhaft lachen. Ein tolles Geschenk für alle Foodies, Köche und Gastrointeressierte! 

Serviert. Die Wahrheit über die besten Köche der Welt
Roland Trettl und Christian Seiler

Gebundene Ausgabe, 208 Seiten
Verlag: ZS Verlag GmbH
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3898834933
Preis: 22,90
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