Tanks  5.Mai 2015

COOKTANK NO. 9 – DIE GERICHTE aus dem Schwarzwald

Für die neunte Auflage unseres CookTanks ging es in die legendäre Schwarzwaldstube in Baiersbronn, wo im Februar Kochkunst auf Kritik und Wissenschaft traf. Unter der Schirmherrschaft von Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt versammelten wir acht der spannendsten Nachwuchstalente der Küchenelite aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz. Prof. Thomas Vilgis vom Max Planck-Institut, der die Koch- und Denkfabrik seit der den ersten Stunde begleitet, sorgte für die wissenschaftliche Unterfütterung des Ideen- und Gedankenaustausches zu Fragen der Kulinarik.

Als großes Oberthema des Tages stand "Nose to Tail" auf der Agenda, wobei die möglichst vollständige Verarbeitung eines Tieres von Kopf bis Pfote bzw. Flosse angestrebt wird.

GERICHT VON Harald Wohlfahrt

Gastgeber Harald Wohlfahrt und sein Souschef Torsten Michel haben es sich nicht nehmen lassen, den CookTank im eigenen Restaurant mit einem passenden Amuse zu eröffnen. Mit Blick auf das Root to Flower-Motto – der vegetabilen Variante des „Nose-to-tail“ – servierte das Schwarzwaldstuben-Team Kürbis in seiner ganzen Vielfalt. Bereits das Anrichten des farbenfrohen Einstiegs beeindruckt hinter den Kulissen durch die Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Wenngleich der appetitanregende Auftakt, insbesondere im Vergleich mit den noch kommenden Gerichten, eher ein zurückhaltender und leiser ist, zeigt der Grand Chef, was seine Küche oftmals ausmacht: Feine Aromen, ein schönes Süße-Säure-Spiel und ein harmonischer Geschmack. Das kühle, nussig-cremige Kürbiskerneis trifft dabei auf die durchaus deutliche Süße des geschmorten Kompotts. Die Kürbissuppe hingegen schafft Kontrast durch Ingwer-Schärfe sowie ein Kürbis-Apfel-Espuma, das Frucht und pointierte Säurespitzen ins Spiel bringt. Für die Textur setzt der Meisterkoch ganz klassisch auf geröstete Kürbiskerne und einen Chip.

GERICHT VON Syrco Bakker

Wie enorm kreativ und aufwändig ein eher gewöhnlicher Speisefisch zubereitet werden kann, macht der Beitrag von Syrco Bakker deutlich. Der niederländische CookTank-Kandidat aus dem Pure C im Küstenort Cadzand hat einen 5-Kilo-Kabeljau für seine Kostproben gewählt und den ganzen Fisch von Kopf bis Flosse verarbeitet. Bereits die Präsentation sichert dem Sergio Herman-Schüler volle Aufmerksamkeit: Angerichtet wird auf fünf unterschiedlichen Löffeln. So serviert er einen Teil des Kopfes als intensiven Presskopf, dem Apfel, Chicorée und Senf die Schwere nehmen, und verleiht einer recht klassisch gehaltenen Brandade von der Schwanzflosse durch Estragon einen grün-herben Kick. Ein grandioses Dim Sum mit Nordseekrabben von der lokalen Fischerei im seeländischen Breskens und geräuchertem Jasmintee ist ein intensiver Höhepunkt. Die in Olivenöl pochierten Loins schmecken auch pur und werden sehr natürlich nur von weißen Bohnen und Palmkohl cremig-nussig begleitet. Ihre Würze erhalten sie durch selbst hergestellten Bottarga.

Beim Tatar von Kabeljau und Auster wird der jodige Meereseindruck eines Essens an den Dünen durch typische Zutaten der holländischen Dünenlandschaft mit salzigen Kräutern und Algen verstärkt sowie von fruchtiger Säure ergänzt. Bakker gewinnt selbst der getrockneten Fischhaut noch einen Nutzen ab und rollt kurzerhand eine Beschreibung der verwendeten Teile und ihrer jeweiligen Zubereitung darin ein. In Summe ist diese Rundumverwertung des Meerestiers gleichsam spielerisch wie hochmodern – allem voran aber einfach wunderbar tief im Geschmack! Und bei aller Komplexität bleibt der 5-Löffel-Gang verständlich und glänzt mit guter Eatability. Zusätzlich hat der Niederländer Dünengras aus seiner Heimat im Gepäck, das sich zum Räuchern, zur Herstellung von Schinken oder zum Bierbrauen verwenden lässt. Die Kollegen und wir sind enorm beeindruckt.

Gericht von Robin Pietsch

Dass der deutsche Osten mehr und mehr aus seinem kulinarischen Dornröschenschlaf erwacht, zeigt das Gericht von Robin Pietsch. Vom Bauernhof seines Vertrauens in seiner Heimat Sachsen-Anhalt hat der Wildcard-Gewinner Zicklein mit nach Baiersbronn gebracht. Die Begleitung von Herz, Niere, Zunge, Leber und dem Filet im Spitzkohlmantel legt Pietsch leicht mediterran an: Ofentomate, geschmorte Aubergine und Paprika fassen den dezenten Ziegengeschmack passend ein. Für Abwechslung sorgen Chips aus Tomate und schwarzem Sesam mit Barbecue-Gewürz. Selbstverständlich entstand die feine Jus aus den Abschnitten und Knochen vom Zerlegen. Der aus dem Teilnehmer-Kreis geäußerte Einwand, dass man für die Gästeversorgung aufgrund der kleinen Organe gleich mehrere Herzen bräuchte, entgegnet der 25-jährige mit einem Verweis auf die bisher kaum genutzte Produkt – meist landet das Herz nicht auf dem Teller, sondern als Ausschussware im Tierfutter. Das könnten Gänge wie dieser ändern und hätte unsere volle Zustimmung. „Unter die Haut“ – so der Titel des Gerichtes – ginge es uns darüber hinaus, wenn sich im kulinarisch wenig verwöhnten Bundesland mehr Köche mit solchem Eifer der Geschmacksverbesserung widmeten.

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