Restaurantkritik 12.Oktober 2015

Tischlein wechsel Dich

"Neues aus dem Uhlenbusch" war, die Älteren unter Euch werden sich noch erinnern, eine Kinderserie, die von 1977 bis 1982 im ZDF lief. Daran dachte auch die in Drehortnähe bei Braunschweig aufgewachsene Lena Hädelt, als sie im Jahre 2012 in Düsseldorf ihr nettes, beinahe bohemienhaft eingerichtetes Café eröffnete und es kurzerhand nach dieser prägenden Serie "Kaffee Uhlenbusch – Stullen und so" nannte. Als "Neues aus dem Uhlenbusch" lässt sich seit März 2013 auch eine Konzepterweiterung bezeichnen: Abends wird das Café zum Restaurant U. Von dieser Doppelnutzung profitiert Bastian Falkenroth, der Lebensgefährte der jungen Unternehmerin, so dass der Schritt in die Selbständigkeit für ihn gewiss etwas einfacher war.

Bastian Falkenroth (rechts) kann auf durchaus beeindruckende Stationen in seiner Vita zurückblicken: Nach einer Kochausbildung in Düsseldorf im Berens am Kai ging es über das Kölner Le Moissonnier zu Thomas Bühner, bei dem er erst im La Table in Dortmund und dann im Osnabrücker La Vie kochte. Nach zwei Jahren als Küchenchef in der K&K Kochbar in Hamburg bildete sich Falkenroth in Los Angeles zum Sushi-Koch fort. Nach seiner Rückkehr war er für eineinhalb Jahre Souschef von Nils Henkel in Lerbach und anschließend Küchenchef bei Patrick's Seafood No. 1 in Düsseldorf.

Wir starten mit einem frisch-unspektakulären ersten Gruß, der direkt auf unseren mit heißen Tüchern gereinigten Händen angerichtet wird und aus Rauch-Aal, Apfel und Crème fraîche besteht. Ein Lachs-Tatar, das mit leichten Essignoten und einem mit Rauchöl gebackenem Kataifi-Teig erfrischend punktet, wird dann beruhigender Weise konventionell auf Porzellan serviert. Ein weiteres Tatar, dieses Mal vom Champignon mit Parmesan, Pinienkernen und Focaccia, ist der vegetarische, erdig-kräuterige Menüauftakt. Für die perfekte Saucenspur bei der Gelbflossenmakrele, Gurke, Apfelgelee und Crème fraîche richtet DJ Basti auf einem Turntable (allerdings keinem 1210er) an und überzeugt mit einem frisch-cremigen Gericht, das Tobiko-Kaviar und Brotkrumen gelungen ergänzen.

Bei 45 rpm angerichtet: Gelbflossenmakrele Gurke, Apfelgelee und Crème fraîche

Champignon-Tatar mit Parmesan, Pinienkernen und Focaccia

Lachs-Tatar mit Rauchöl und gebackenem Kataifi-Teig

Südost-asiatisch inspiriert geht es dann mit gebeiztem Rinderfilet mit Tom-Ka-Gai im japanischen Viertel weiter, wobei der Küche besonders durch die Verwendung von Kokoswasser statt Kokosmilch ein subtiles und originelles Ergebnis gelingt. Ganz und gar famos ist danach der Wildreis mit Kapuzinerkresse und geröstetem Reissud. Das Gericht ist eine Demonstration dessen, was vegane Küche bieten kann, wenn sie losgelöst vom Festhalten an gewohnten Geschmacksbildern zubereitet wird. Hätte beim Oktopus mit Schweinebauch und Bohnenkraut der knusprige Bauch nicht etwas zu viel Salz abbekommen, wäre dieser Gang mit Bohnenkraut-Sud und Bohnen-Püree ein vollendeter Crowd-Pleaser. Bei der US-Rinderhüfte mit Ochsenschwanz und gegrillter Pastinake bleiben die Fleischscheiben aromatisch etwas blass und sind nicht besonders zart; für einen positiven Gesamteindruck sorgen aber der Schmoranteil und die Beilagen aus Graupen, Schmorzwiebel, Pastinakenchips und der rheinischen, fein-säuerlichen Gemüsespezialität Stielmus.

Wildreis mit Kapuzinerkresse und geröstetem Reissud

Oktopus mit Schweinebauch und Bohnenkraut

US-Rinderhüfte mit Ochsenschwanz und gegrillter Pastinake

Das erste Dessert, die Braunschweiger Mumme mit Apfel-Estragon und weißer Schokolode, schätzen wir auf den ersten Bissen als fruchtig-süßes Leichtgewicht ein, denn erst das Eis aus der stark malzigen, bierartigen Spezerei aus Braunschweig gibt Substanz und Originalität. Der Herbstgarten mit Pflaume, Kumquat, Schokolade und Nüssen (ohne Bild) gerät eher herb denn süß und erfüllt unsere Ansprüche an ein zeitgemäßes Dessert: frisch, fruchtig und texturell ansprechend.

Casual Fine Dining in Düsseldorf? Das ist durchaus möglich. Im U erlebten wir in entspannter Atmosphäre eine Küche, die spielerisch und seriös zugleich ist. Darunter versteht man hier eben nicht das Servieren halbgarer Ideen und das Wiederholen einer bürgerlichen Küche aus dem bekannten und beliebten Kanon von Wiener Schnitzel und Besser-Burgern mit einer Überdosis Coolness. Munter und mutig kocht die Küche einen modernen Stil, der uns mit einem durchaus individuellen Geschmack gefällt – da verzeihen wir auch ein paar kleinere Ungenauigkeiten.

Richtig Mühe gibt man sich im U mit der Weinbegleitung und ihrem unvergorenem Gegenpart. Wenngleich Letztere zwar teilweise Reminiszenzen an Sommelier Peter H. Müller aus dem leider geschlossenen Lerbach weckt, überrascht und überzeugt uns diese Leistung auf diesem Niveau durchaus. Sicherlich ein Distinktionsmerkmal für das Restaurant.

FAZIT

Lecker und locker abseits des kulinarischen Mainstreams: Das U ist eine Bereicherung der kulinarischen Szene Düsseldorfs.

Wein

NV Rosé brut, Gratiot Delugny, Champagne, Marne

2013 Theodora Welschriesling Grüner Veltliner, Gut Oggau, Burgenland

Belsazar Dry, Fentimans Tonic Water, Gurkeneiswürfel

2013 Dreibart, Muskateller trocken, Weingut Oliver Zeter, Pfalz

2012 Gau Odernheimer Spätburgunder, Weingut Becker-Landgraf, Rheinhessen

2012 Chardonnay trocken Filet, Weingut Metzger, Pfalz

2013 Trigone by Le Soula, Syrah, Gerald Stanley und Gerard Gauby, Côtes Catalanes

2011 Saint Patrick Beerenauslese, Karl Heinz Johner, Baden

2013 Riesling 303 Spätlese, Weingut Spreitzer, Rheingau

Alkoholfrei

Hausgemachter Holunderblütensirup, Minze, Thomas Henry Ginger Ale

Bacchus Traubensaft, Weingut Zwölberich, Baden

Fentimans Tonic, Gurkeneiswürfel

Kokoswasser, Zitronengras, Thomas Henry Bitter Lemon

Gerösteter Reistee, kalt serviert

Apfelquitte, Van Nahmen

2013 Dornfelder trocken Traubensaft, Van Nahmen

Estragon-Ingwer, Wostok, Berlin

Schai-Schorle: Chai-Sirup Torani kalt aufgegossen mit Vösslauer prickelnd

Hinweis

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Details zum Umgang mit Pressekonditionen findet Ihr hier.

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