Restaurantkritik 26.April 2014

Hinterhof mit Perspektive

Wie unser Name verrät, hat es uns die Sternegastronomie besonders angetan. Aber auch ambitionierte Küchen, die noch keinen der begehrten Macarons ergattert haben, wecken ab und an unser Interesse. In diese Kategorie gehört das De Godevaart in Antwerpen, das vom Gault Millau mit 15 Punkten gewürdigt wird. Auf einer Reise durch die Niederlande und Belgien drängte es sich mit dem fairen Preisniveau und der Innenstadtlage als Zwischenstation nahezu auf.

Das in den ehemaligen Verkaufsräumen eines Fischgeschäfts gelegene Restaurant ist stilvoll eingerichtet. Stuck und Kronleuchter, aber auch weitere Details wie die französisch gehaltenen Begriffe an der Wand lenken von der ehemaligen Funktion des Gebäudes ab und erheben die Räume zum Restaurant. An diesem noch recht warmen Mittag sitzen wir im Innenhof, der an Sommertagen einen traumhaften Rückzugsort bietet, wie man ihn in einer Großstadt vom Format Antwerpens sicherlich häufiger findet, aber dennoch suchen muss.

Bekocht wird das pittoreske Plätzchen von dem in den Niederlanden geborenen Dave de Belder. Er hat Stellen bei Jonnie Boer in Zwolle, im El Celler de Can Roca, sowie bei Avantgardekoch Quique Dacosta absolviert und greift damit auf einen erstklassigen Erfahrungsschatz zurück. Vor allem Boer scheint ihn geprägt zu haben, ziert ein großformatiges Portrait des Meisters doch die Räume des Restaurants.

Zum Start des Lunches serviert der Service mit Schweinskopf-Terrine, Gurken und Senf bestückte Mini-Toasts. Diese bieten alles, was man sich von einem Appetizer erwartet: Sie machen Lust auf mehr und stimmen herzhaft auf das Menü ein.

Das separat gereichte Cornet mit knuspriger Roter Bete, Ziegenkäse und Zitrus ergänzt das Ganze durch eine filigrane Note. Ein wenig erinnern die Cornets aber doch an die im L’Arnsbourg servierten Rote-Bete-Waffeln von Jean-Georges Klein.

Als Vorspeise des Menüs liefert die Küche Buratta. Kombiniert mit Bresaola, Basilikum, alten Tomatensorten und neuem Olivenöl glänzt das Gericht durch Produktqualität und erfrischende Präsentation, kommt über diese Gefilde kulinarisch aber nicht hinaus. Ein schöner, sommerlicher Start.

Die im Schälchen servierte Sardine ist auf einem Knäckebrotstreifen drapiert, dazu gesellen sich kleine Avocadowürfel, Spargel, Wasabi und filetierte Orangen. Das Gericht läuft wie ein Uhrwerk: Jedes Element wird benötigt, damit es in Gänze funktioniert. Bei allem Minimalismus handelt es sich hier aber keineswegs um ein verkopftes Gericht, sondern einen sehr präzise komponierten Teller. Großartig!

Mit der Rotbarbe, Auster, Béarnaise, Gurke, Radieschen und Bärlauch folgt ein weiterer Fischgang. Den aromatisch reichhaltigen Schwerpunkt des Gerichts bildet hier die mit Sauce Béarnaise übergossene Rotbarbe. Ihr stehen knackige, aber milde Stücke von Gurke gegenüber und mit Radieschen sowie Bärlauch zwei Schärfeabstufungen, die Bewegung in die Gesamtkombination bringen. Einen zusätzlichen Akzent erhält dieser Gang durch die Auster, deren jodige Note aber nicht zu jedem Bissen passt.

Der Glattbutt mit Mandel, Petersilie, Limone, Kapern und Sardellen bildet den sizilianisch angehauchten Abschluss des Fischtrios. Dieser fällt klassisch, üppig und harmonisch aus, wobei die Kapern und Sardellen eine raffinierte Würzung beisteuern.

Die bloße Ankündigung des Hauptgangs erhöht bei unserem Morchel-Liebhaber den Speichelfluss: Huhn, Erbsen, Morcheln und Spargel. Hier werden neben verschiedenen Stücken von der Brust bis zum köstlichen Sot-l’y-laisse des Huhns auch knusprige Hautstücke aufgetischt, die beim Einsetzen einen herrlichen Duft verbreiten. Leider zeigt sich das Gericht noch nicht ganz so ausgereift, wie der Wohlgeruch erwarten ließ. Als Urheber für diesen leicht „gedämpften“ Genuss machen wir etwas trockenere Geflügelstücke sowie die aromatisch wenig intensiven Morcheln verantwortlich. Mit etwas Optimierung bei Garung und Produkten sind wir aber überzeugt, dass das Huhn so gut schmecken kann, wie es sich auf der Karte ankündigt.

Wie ein großartiger Fleischgang aussehen und schmecken kann, zeigt De Belder dann mit dem geräucherten Entrecôte, Auberginen, Miso, Artischocken und Sardellen. Ein gut abgehangenes und toll gereiftes Zwischenrippenstück, saftiger Rinderschinken und herzhaftes Miso geben hier den Ton an, die Sardellen setzen erneut einen interessanten Akzent. Ein rundum gelungenes Gericht, bei dem das Fleisch merklich im Zentrum steht.

Unsere Probleme haben wir mit dem folgenden Käsegericht mit Compostela. Bei den Beigaben, Trauben in Form von Marmelade und dem Honig spielt die Küche mit bekannten Protagonisten. Durch die Absenz jeglicher Schärfe verschiebt sich der Fokus aber auf die allzu deutliche Süße der Chutneys. Zudem irritiert die cremig-luftige Konsistenz des Käses.

Einen sommerlichen Abschluss bringt dann der Zitronenkuchen. Zitrusfrüchte, weiße Schokolade und grüner Tee sind hier gekonnt verarbeitet. Mit dem Anbrechen der goldenen Kugel erschließt sich uns der volle Geschmack des Desserts. Einmal geöffnet, entfließt ihr pures Zitrusaroma. Besonders schön ist hier, dass das Dessert keine übermäßige Süße besitzt und bei den warmen Temperaturen höchst erfrischend wirkt. Ein wunderbar leichtes und fruchtig-klares Dessert.

Das kleine Post-Dessert in Form eines Matcha-Sorbets ist ebenfalls sehr gelungen.

Die Petit Fours, Madeleines mit iranischer Zitrone, Canelé de Bordeaux, Eis-Bonbon mit Bergamotte, Nougat, Nüssen und Honig sowie Holländischer Biskuit mit Kakao, Rosinen und Rum passen durch die Bank hervorragend zu unserem Kaffee.

Durch den Mittag wurden wir bezaubernd von Eline und Katja geleitet. Die beiden jungen Damen im Service verstanden es, der entspannten Atmosphäre des lichtdurchfluteten Innenhofs auch am Tisch zu entsprechen. Die Weinbegleitung stand dabei etwas im Hintergrund, die Speisen wurden von einfacheren, aber stets passenden Weinen begleitet.

Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit noch bei den benachbarten Niederlanden liegt, zeigt sich, dass es kulinarisch auch weiter nördlich in Flandern vieles zu entdecken gibt. Hier findet sich eine junge und motivierte Generation bestens ausgebildeter Köche. Bei Dave De Belder steht eine klare Produktbezogenheit im Zentrum, die sich mit neuesten, aber behutsam eingesetzten Küchentechniken verbindet. Das resultiert in einer schnörkellosen und unverkrampften Stilistik, die auch den Umgang mit einfachen Produkten schätzt.

Die Weinbegleitung

2011 Domaine du Moulin, Sauvignon Blanc Loire, Frankreich

2012 Vinhos Niepoort, Vinho Verde, Loureiro, Portugal

2010 Lammershoek, Chenin Blanc Swartland, Südafrika

2011 Domaine des Tours, VdP de Vaucluse, Frankreich

2007 Tenute Dettori, Cannonau IGT Romagnia, Italien

2011 Domain des Cavarodes, Ratafia de Jura, Frankreich

2011 Riesling Spätlese Trittenheimer Apotheke, Eva Clüsserath, Mosel, Deutschland

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