Interviews 22.Mai 2014

EIN TELLER IM ESSIGBRÄTLEIN

Das Essigbrätlein ist ein wenig wie der Igel aus der Fabel: Jedes mal, wenn der Hase denkt, er hätte das Rennen gewonnen, ruft der Igel: »ich bin schon da«! Ob es Regionalität oder Gemüseküche ist, was in den letzten Jahren als Trend aufkam, war in Nürnberg geübte Praxis. Nur machten Yves Ollech und Andree Köthe nicht soviel Aufhebens darum.

INTERVIEW MIT YVES OLLECH UND ANDREE KÖTHE

Saibling geräuchert – Yves Ollech, wollen Sie uns erst einmal erklären, was genau wir auf dem Teller finden?

Yves Ollech: Ganz unten ist grüner Wacholder, den haben wir im Pacojet zu einer feinen Paste verarbeitet. Dann kommt eine Creme von getrockneter Ro- ter Bete in kleinen Tupfen auf den Teller. Daneben haben wir gewürzte Tomaten- kerne und Grapefruitstücke, die sind mit einem Grapefruit-Chutney gewürzt. Auf dieses Gemüsedreierlei kommt eine Scheibe Saibling, den wir ganz kurz über Wacholderholz angeräuchert haben. Der Fisch befindet sich zwei Minuten in dem Rauch und wird danach noch einmal mit grünem Wacholder gewürzt. Zum Schluss wird eine Sauce angegossen, aus abgetropftem Tomatensaft mit etwas Sahne und mit einer Asche aus Wacholderzweigen abgeschmeckt.

Wo bekommen Sie so ausgefallene Produkte her wie den grünen Wacholder?

Yves Ollech: Hier in der Umgebung gibt es viele Wacholderbüsche und wir gehen oft wandern. Sich von der Natur inspirieren zu lassen, ist ein Weg, der am Anfang sehr schmal ist, aber irgendwann kommt man durch eine Tür und plötzlich ist eine große Vielfalt da. Man fängt an, alles zu probieren, nimmt dann auch mal was in den Mund, was nicht gut schmeckt. Der Wacholder hat ja einen ganz besonderen Wachstumszyklus, der streckt sich über zwei, drei Jahre hin, also man kann an einem Busch gleichzeitig dunkle und grüne Beeren haben. Und man fängt irgendwann an, die unreifen Früchte zu probieren und merkt, dass die genauso interessant schmecken wie der ausgereifte Wacholder. Auch der reife Wacholder, frisch vom Strauch, ist ein ganz anderes Produkt, als die Beeren, die Sie im Laden kaufen können. Das kann man überhaupt nicht vergleichen, der frische Wacholder schmeckt richtig fruchtig. Und der grüne eher ein bisschen unreif, aber er hat ein wunderbares Aroma. Deshalb verarbeiten wir ihn auch zweimal, einmal als leicht gesüßte Paste untendrunter, die das Ganze trägt, und obendrauf als Würze für den Saibling. Das sind natürlich Produkte, die man sich auch zusammensuchen muss. Das trägt einem keiner ins Haus. Es ist zwar zeitaufwendig, aber eigentlich auch eine sehr schöne Symbiose, wenn man seine Naturliebe mit dem Beruf verbinden kann.

Andree Köthe: Etliche Sachen sammeln wir selber, obwohl sich das zeitlich oft schwierig gestaltet. Außerdem arbeiten wir viel mit Menschen zusammen, die gern in der Natur unterwegs sind und das mit ihrer Sammelleidenschaft verbin- den. Mittlerweile haben wir ein schönes Netzwerk. Es kommen auch einige Ideen von diesen Leuten. Da sind oft schöne Anregungen dabei.

Symbiose ist ein sehr gutes Stichwort. Sie sind weit und breit die einzige Doppelspitze in der deutschen Küche. Und das auch schon seit vielen Jahren. Wie haben Sie zueinander gefunden und wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit?

Andree Köthe: Wir arbeiten jetzt seit 1997 zusammen. Ein halbes, dreiviertel Jahr nachdem Yves bei uns angefangen hat, hat sich herauskristallisiert, dass er mehr als nur eine Ergänzung ist. Wir haben damals bald gemeinsam ein Kochbuch geschrieben – Die Kunst des Würzens. Da haben wir innerhalb eines halben Jahres 101 Gerichte gemeinsam ausgearbeitet, und bei den Diskussionen haben wir unheimlich viele Gedanken ausgetauscht, und das verbindet natürlich. Jedes Baby, das wir geschmacklich zusammen entdecken, gibt uns Zusammenhalt.

Yves Ollech: Ich muss dazu sagen: Wir stellen uns halt gemeinsam dar. Ich glaube, dass in vielen anderen Betrieben auch nicht nur die eine Person, die im Rampenlicht steht, die allein kreative ist. Kochen ist doch ein Teamsport. Man ist nicht jeden Tag gleich kreativ, und es fällt auch nicht jedem immer etwas ein, aber dafür hat der andere vielleicht eine gute Idee und man kann darauf aufbauen. Eine ehemalige Mitarbeiterin hat einmal was Schönes gesagt: Wenn wir beide uns über ein Gericht unterhalten, ist das ein bisschen so, als würden zwei Leute Karten spielen – einer legt etwas hin und der andere reagiert darauf. So bauen sich zum Teil auch Gerichte auf. Beim Saiblingsgericht war das so, die Ausgangsbasis war die Rote-Bete-Creme, dann kam die Idee, etwas Rauchiges dazuzumachen, und so hat jeder etwas beigetragen.

Das komplette Interview lest Ihr in der aktuellen Effilee, in der auch weitere Inhalte von den Sternefressern zu finden sind. Bestellen könnt Ihr das Heft hier.

Das Interview führte Vijay Sapre und die Fotos für diese Serie hat Andrea Thode gemacht. 

Das Rezept

Saibling geräuchert (für 4 Personen)

Grapefruit-Chutney

2 Grapefruits
1 kleine Zwiebel
Gelierzucker (2:1)
1 kleines Stück Ingwer
1 Chili 

1. Von den Grapefruits die Schale ohne weiße Haut herunterschneiden und in feine Streifen schneiden. Die Streifen mit kaltem Wasser im Topf zum Kochen brin­gen, auf ein Sieb geben und den Vorgang noch zweimal wiederholen.
2. Die Grapefruits filetieren, den Saft auffangen und zu den Filets geben. Die Zwiebel schälen und in feine Streifen schneiden. Die Grapefruits mit Saft und Zwiebel abwiegen und im Verhältnis 2 Teile Frucht und 1 Teil Gelierzucker vermischen. Gelierzucker, Frucht, Ingwer und Chili zusammen 2 Minuten kochen, auf ein Sieb geben und die Flüssigkeit nach Geliergrad einkochen. Nach dem Einkochen wieder alles zusammengeben und in ein Glas mit Deckel füllen. 

Saibling 

220 g Saiblingsfilet (Mittelstück) 
Wacholderzweige mit grünen Beeren 
100 g rote Bete 
1 Grapefruit (Florida) 
1 EL Grapefruit-Chutney 
12 Datteltomaten 
1⁄2 kleine rote Zwiebel 
Sahne 
Olivenöl 
Chiliöl 
Salz, Pfeffer und Zucker 

1. Die grünen Wacholderbeeren abzup­fen, klein schneiden und mit Olivenöl marinieren. 
2. 20g Zucker mit 100ml Wasser auf­kochen und abkühlen lassen. Von den Wacholderzweigen 60g Nadeln abzupfen, mit dem Zuckerwasser im Pacojeteinsatz gefrieren und mehrfach pacossieren, bis die Wacholderpaste fein gemahlen ist. 
3. Einen Wacholderzweig in Alufolie packen und im Backofen bei 200 Grad ca. 80 Minuten schwarz werden lassen. Die schwarzen Nadeln von den Zweigen zupfen und in einer Mühle fein mahlen. 
4. Die rote Bete waschen, in dünne Scheiben hobeln, bei 65 Grad 48 Stunden trocknen und in einer Mühle fein mahlen. 
5. 6 Tomaten halbieren und die Tomaten­kerne herausschneiden. Die Tomaten­kerne separat aufbewahren. Die übrigen Tomaten mit den Tomatenabschnitten pürieren und in ein Tuch hängen, das ab­tropfende Tomatenwasser auffangen. Das Tomatenwasser mit der gleichen Menge Sahne vermischen, mit Wacholderasche, Salz, Zucker und etwas Chili abschme­cken. Die Grapefruit filetieren, aus den Filets 12 Ecken zuschneiden. 
6. Den Saibling in 12 Scheiben schneiden und auf ein Lochblech nebeneinander­ legen. in einem tiefen Blech (in das das Lochblech reinpasst) kleine Wacholder­zweige anzünden, nach kurzem Brennen ausblasen, das Lochblech mit dem Fisch einsetzen und gut mit Alufolie abdecken. 
7. Den Fisch 2–3 minuten räuchern und mit Salz, Zucker und Pfeffer würzen. 
8. 130ml Sahne erwärmen, etwas Rote­ Bete­-Pulver einrühren, bis eine Creme entsteht. Die rote Zwiebel in feine Streifen schneiden, mit Salz und Zucker marinieren. 
9. Die Grapefruitecken mit etwas Grape­fruit­-Chutney abschmecken, die Tomaten­kerne mit Salz und Zucker würzen. 

Anrichten 

1. Die Teller mit der Wacholdercreme bestreichen, darauf die Rote­ Bete­-Creme, rote Zwiebeln, Grapefruit, Tomatenkerne und Saibling anrichten. 
2. Von den grünen Wacholderbeeren etwas auf den Saibling geben und zum Schluss etwas Wacholderaschesahne angießen.

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