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Interviews 11.März 2017

Interview mit Juan Amador

Sternefresser: Erstmal Glückwunsch zur Auszeichnung mit zwei Sternen für das Amadors in Wien.

Juan Amador: Danke.

Sf: Aber ganz offen gefragt: Ist das angesichts der ehemals 3 Sterne in Mannheim kein Rückschritt?

JA: Definitiv nicht. Schließlich waren wir aufgrund des Umzugs etwa 1 1/2 Jahren abstinent und haben hier in Wien ein für uns komplett neues Konzept aufgezogen. Wir schicken die Gerichte für zwei Restaurants, Fine Dining und Gasthaus, aus einer Küche. Somit ist es ein super Neustart und wir damit in Österreich auf Augenhöhe mit der Spitze.

Sf: "Augenhöhe mit der Spitze" ist ein gutes Stichwort. Inzwischen gibt es 4 Zweisterner in der Hauptstadt, von denen gefühlt 3 Ambitionen auf die höchsten Michelin-Weihen haben. Gibt es Deiner Meinung nach auf Sicht von 1-2 Jahren einen Dreisterner in der Stadt?

JA: Es gibt nicht nur Ambitionen, sondern vor allem ist auch die Qualität vorhanden! Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Gastronomen in Wien die Sache entspannter sehen, als es aktuell wahrgenommen wird. Der jetzt startende "Wettbewerb" in der Stadt wird uns allen sicherlich guttun und den einen oder anderen 3-Sterner hervorbringen.

Sf: Demnach ist der dritte Stern kein "Politikum"? Soll meinen: Es kann drei Macarons nur geben, wenn es auch einen nationalen Guide gibt – wie man von vielen Chefs hört?

JA: Ich denke nicht, so habe ich es auch vom deutschen Michelin-Chef Ralf Flinkenflügel gehört.

Sf: Wir auch. Gerade erhielten wir ein offizielles Statement vom Michelin: „Die Vergabe hängt natürlich keineswegs vom Vorhandensein eines Guides für das entsprechende Land ab, sondern einzig und allein von der konstant hohen Qualität und Kreativität auf dem Teller.“ Aber zurück zu Dir. Reizen Dich die drei Sterne in der neuen Stadt auch noch, oder hast Du Dich zugunsten des neuen Konzeptes mit dem Wirtshaus davon verabschiedet?

JA: Der Reiz wird immer bleiben, da wir ja unmöglich absichtlich schlechter kochen können.

Sf: Frei nach dem Motto: "Once you go three, you never come back"?

JA: Genau (lacht).

Sf: Was gilt es jetzt zu optimieren, um nochmals anzugreifen?

JA: Um eines klar zu stellen: wir befinden uns seit einem Jahr im "Angriffsmodus"! Es geht um die Optimierung von Abläufen und vor allem um Konstanz. Ich freue mich ehrlich darauf, das mit unserem Team anzugehen.

Sf: Hands down: Was war Deine Erwartungshaltung hinsichtlich der Bewertung?

JA: 2 Sterne und 1 Bib.

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Sf: Das nennt sich Volltreffer. 

JA: Absolut. Alles andere wäre angesichts des Neustarts lediglich Träumerei gewesen. Außerdem brauchen wir ja weiterhin noch ein Ziel.

Sf: Demnach fehlt das Ziel, wenn man drei Sterne hat?

JA: Definitiv nicht, dann geht es um den Klassenerhalt, was meiner Meinung nach anstrengender ist. Aber spannender ist es definitiv, sich auf den nächsten Step zu fokussieren und genau das tun wir jetzt. 

Sf: Der Bib (laut Michelin „eine frische Küche mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis“) wird oft stiefmütterlich behandelt. Wie wichtig erachtest Du diese Auszeichnung des Michelins?

JA: Gerade für das lokale Publikum hier in Wien ist er enorm wichtig, da viele Gäste die Restaurants danach aussuchen. Früher hat mich das kaum interessiert, aber durch das neue Konzept mit zwei Restaurants ist das nun wichtig.

Sf: In Deutschland – Du wirst es kennen – gibt es unter den Spitzenköchen eine lebendige Neid-Kultur. Wie ist das in Österreich?

JA: Hier ist es etwas entspannter, aber trotzdem vorhanden. Dennoch ist eine gesunde Neidkultur durchaus in Ordnung – sie treibt uns alle auch an.

"Wir können unmöglich absichtlich schlechter kochen."

–Juan Amador 

Sf: Wie wurdest Du in Wien eigentlich aufgenommen? Gibt es da Rituale wie eine Äquator-Taufe oder ähnliches?

JA: (lacht). Rituale gibt es bisher noch nicht, aber das kann ja noch werden. Da ich seit gut 10 Jahren regelmäßig in Wien bin, kenne ich fast alle Kollegen gut bis sehr gut und komme mit nahezu allen hervorragend aus. Gerade zu Reitbauers, Silvio Nickol, Christian Petz, Markus Mraz, Eselböcks und Paul Ivic besteht ein herzlicher Kontakt. Auch haben wir uns sehr über die Glückwünsche der gesamten Kollegen hier in Wien gefreut.

Sf: Verrate uns doch mal, was der Unterschied zwischen deutschen und österreichischen Gästen ist?

JA: Ich finde, dass der Österreicher grundsätzlich genussaffiner ist. Vermutlich hat das mit der Wirtshauskultur zu tun. 

Sf: Denkbar. Kulinarisch auf jeden Fall wertvoller als eine Kneipenkultur. Was eint beide Nationen im Restaurant?

JA: Gäste, die Platin zum Silberpreis erwarten, finden sich überall. Ständig steigen die Kosten für Personal, Energie etc., aber das Essen darf auf keinen Fall teurer werden. Diese Diskussion gibt es immer wieder und das ist anstrengend.

Sf: Man kann durchaus sagen, dass die letzten Jahre für Dich in Deutschland turbulent waren. Ist der Umzug nach Österreich auch eine Flucht gewesen, um nochmals neu anzufangen? Wie geht es Dir (abseits der 2-Sterne-Feierei) heute in Wien?

JA: Von einer Flucht kann keine Rede sein. Wie man weiß, ist meine Frau Wienerin  und nach 6 Jahren pendeln, dem Ende des Pachtvertrags in Mannheim, war es eigentlich eine logische Entscheidung. Außerdem haben wir es seit Jahren geplant. Jetzt fühle ich mich hier absolut wohl und angekommen – es geht wieder langsam bergauf. 

Sf: Viel Erfolg beim Aufstieg und wir sind sehr auf den nächsten Major-Cities-Guide gespannt! Danke für das Interview.

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