Interviews 28.November 2015

24 Stunden mit Souschef Torsten Michel

"Wer kocht eigentlich, wenn Sie nicht im Restaurant sind, Monsieur Bocuse?"
"Derselbe der kocht, wenn ich da bin: mein Souschef." 

Dieses vielsagende Zitat der französischen Kochlegende zeigt die zentrale Rolle des Stellvertreters in der Küche. Emsig, stets zuverlässig und manchmal auch mit deutlichen Worten, muss der Souschefs dafür sorgen, dass die Mannschaft funktioniert, der Service reibungslos läuft – während der Küchenchef meist allein im Rampenlicht steht.

Uns hat der Arbeitstag von einem dieser Köche aus der zweiten Reihe interessiert. Torsten Michel ließ uns hinter die Kulissen der Baiersbronner Schwarzwaldstube blicken und wir durften den 37-Jährigen (fast) 24 Stunden durch den Tag begleiten...

9 Uhr // Der Tag beginnt

Wann bist Du heute aufgestanden? 
Mein Wecker klingelt um 7.30 – egal, ob ich arbeiten muss oder frei habe.

Was ist die Droge deiner Wahl, um morgens fit zu werden? 
Seitdem ich meine Frau kenne, frühstücken wir morgens zusammen. Das ist perfekt. Vor dieser Zeit habe ich mir immer den Wecker auf die letzte Sekunde gestellt – da gab es nicht mal einen Kaffee zu Hause, bevor ich morgens in die Küche gegangen bin.

Seit wann bist Du Souschef in der Schwarzwaldstube und wo warst Du vorher? 
Seit Mai 2007. Zuvor war ich 3,5 Jahre in der Bülow Residenz in Dresden bei Ralf Kutzner und Stefan Herrmann. Seit Januar 2004 bin ich in der Schwarzwaldstube.

Wie kamst Du dazu, Dich gerade hier zu bewerben?
Irgendwann kommt man als Koch zwangsläufig mit Harald Wohlfahrt und der Traube Tonbach in Berührung. Dann hat mir jemand sein Kochbuch geschenkt. Da musste ich es einfach machen, wobei ich eigentlich nur 2 Jahre bleiben wollte – jetzt sind es 11.

10 Uhr // Warenkontrolle 

Wie laufen bei Euch die Bestellungen und der Einkauf ab?
Bestellungen werden postenintern durchgeführt und dann gibt es einen Zettel, wo alles zusammengetragen wird. Ich organisiere dann den Einkauf und rufe die Lieferanten an, rede mit dem Versand, kläre die Kalibrierung – ob das alles so verfügbar ist, wie wir es brauchen. Gegebenenfalls macht der Lieferant Gegenvorschläge, wenn die Qualität oder Menge nicht stimmt. Wenn er sagt, die Rotbarben würde ich dir lieber nicht schicken, dann nehme ich lieber einen anderen Fisch.

Was meinst Du mit Kalibrierung?
Wolfsbarsch zum Beispiel zu 3kg – also die Größe. 

Versucht ihr regional einzukaufen oder ist es für Eure Küche nicht entscheidend, wo die Produkte herkommen?
Nein, natürlich achten wir darauf, auch wenn wir kein rein regionales Konzept haben. Wenn zum Beispiel Wild Saison hat, nehmen wir das von hiesigen Förstern, allerdings reicht das nicht immer, um den Bedarf zu decken. Sonst haben wir noch einen Lieferanten aus Österreich, der von dortigen Jägern kauft. Und regional ist bei den besten Produkten oftmals schwierig: Der Spargel kommt aus Bruchsal, aber bretonischen Hummer müssen wir nun mal im Atlantik fangen lassen.

Welche Produkte setzt Ihr am meisten ein?
Ich würde sagen, dass es sich die Waage bei Fisch, Fleisch und Gemüse hält. Wir haben neulich mal ausgerechnet, dass es jeweils ca. 1 Tonne im Jahr ist.

Ihr habt gerade ein Trüffelgericht auf der Karte – wie viele Tonnen kauft Ihr davon?
So viel ist es dann doch nicht (lacht). In der Trüffelzeit kaufen wir zwischen 1 und 1,5kg die Woche und bei weißem Trüffel sind es 300-500g. 

Habt ihr grundsätzliche Budgetlimits beim Einkauf?
Kaum noch. Wir haben Spielraum, aber man muss immer den Anspruch haben, wirtschaftlich zu arbeiten.

Gibt es Produkte, die sehr schwer verfügbar sind, ihr sie aber gerne öfter einsetzen würdet?
Nein, wir haben nie wirklich das Problem, dass wir irgendetwas nicht bekommen. Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan und gute Lieferanten denken da längst mit.

12 Uhr // Herr Wohlfahrt, die Schwarzwaldstube hat als eines der wenigen Spitzenrestaurants sowohl Lunch als auch Dinner. Ist das überhaupt noch machbar?
Nein, eigentlich unmöglich. Wir haben 6 ½ Stunden Servicezeit am Tag und sollen nur 8 ½ Stunden arbeiten dürfen. Wir müssten also in 2 Stunden das gesamte Mise-en-place für 6 ½ Stunden Servicezeit kompensieren. Wie soll das gehen?

Torsten, heute habt Ihr 24 Gäste zum Lunch. Wie ist so die "Küchenstärke" – wie viele Leute braucht ihr?
Naja, bei 24 Gästen könnten wir auf 2 verzichten, aber auch nur theoretisch. Mittags machen wir bewusst nicht mehr als 26, das wäre nicht zu schaffen, weil wir abends meist voll sind und 35 schicken. Also sind in der Regel alle (9 plus Pâtisserie) da, jeder Posten muss besetzt sein und braucht volle Konzentration.

Und welchen Posten kochst Du am liebsten?
Alle. Wenn man seinen Beruf liebt, dann hat man an einer Vorspeise genauso viel Freude, wie an Fisch oder Fleisch. Man ist jeden Tag wieder neu inspiriert.

Hast du ein Lieblingsgericht?
Vielleicht eine Kartoffel mit Kaviar obenauf. Frisch geräuchertes Forellenfilet vom heißen Stein mit Meerrettichschaum und frisch gebackenes Brot. Man muss sich als Koch für alles begeistern können.

Auf welches Produkt kannst du komplett verzichten?
Sind wir ehrlich, wenn du Dich als Koch gegen alles verschließt, hast Du irgendwann das Nachsehen. Probieren und dann auswerten. Wenn ein Koch eine gute Idee hat, warum soll ich das abwürgen. Es hat eigentlich alles seine Berechtigung – es gibt nichts, was ich an sich verteufeln würde.

13 Uhr // Mittagservice

Jetzt zum Service merkt man die Konzentration und es ist ziemlich still. Wie wichtig ist Disziplin in der Küche?
Disziplin ist wichtig, aber man sollte sie nicht einfordern müssen. Die meisten sind von sich aus diszipliniert, wenn sie hier arbeiten. Das einzige, wo man eingreifen muss, ist, wenn es zu laut wird.

Wirst Du denn ab und zu laut und sorgst für Disziplin, weil man von Harald Wohlfahrt keine lauten Töne hört?
Nein, nicht prinzipiell. Zu Beginn meiner "Amtszeit" schon, als ich selbst noch nervös war. Aber mit der Zeit habe ich mich vom Chef leiten lassen. Gut ist, wenn man im Vorfeld schon regulierend eingreift, damit sich die Situation nicht zuspitzt. Das hat sich in den letzten Jahren bei mir schon sehr verbessert, musste ich aber auch lernen (schmunzelt). Man muss sich eben die Ratschläge anhören und das Ganze verarbeiten. Dann kommt man auch menschlich weiter. Jeder einzelne, der herkommt bringt einen dazu und ich habe keine Lust mehr, ständig bellen zu müssen. Deshalb versuche ich das vorher zu regeln. Und das macht dann sogar Spaß, da ich ja auch will, dass es rund läuft.

14 Uhr // Herr Wohlfahrt, Ihre Brigade ist jetzt busy mit den ersten Hauptgängen. Zeit mal über Torsten Michel zu sprechen. Wann war Ihnen klar, dass genau er Ihr Souschef werden wird?
Das hat er sich erarbeitet. Er hat Führungseigenschaften bewiesen und ist mit seinen Aufgaben gewachsen. Man kann Mitarbeiter heranziehen, wachsen lassen und irgendwann holt man die aus der Brigade, die alle Posten durchlaufen haben. Die wissen dann, wie die Uhren ticken. Sie beherrschen den Einkauf, die Warenannahme, die Lagerhaltung, die Grundproduktion etc. Für mich ist so jemand viel wertvoller, als jemand neues von außen. Man wird immer versuchen, den zweiten Mann aus der eigenen Reihe aufzubauen und so war es auch mit Torsten Michel. Als der Bedarf da war, wusste ich, er ist bereit und wird das gut machen.

Und wie schnell stellen Sie fest, ob jemand das Zeug zum Souschef hat?
Das kann ich nicht sagen, zumal sich die Frage ja lange nicht mehr gestellt hat, da ich einen qualifizierten Mann an meiner Seite habe. Sonst muss ich gucken, an wen glaube ich? Wer hat das Potenzial für alle Aufgaben? Aber die Fäden ganz aus der Hand geben, das darf man nie. Aber in Summe hab ich wohl ein gutes Händchen dafür, die richtige Leute aufzubauen. Viele kochen heute selbst ihre Sterne, manche wie Klaus Erfort, Kevin Fehling oder Thomas Bühner sogar drei. 

Hat Torsten Michel sich als Souschef denn verändert?
Ja, wäre auch schlimm, wenn er sich nicht verändert hätte. Er ist reifer geworden, er ist älter geworden und er ist weiter gewachsen. Heute ist er derjenige, der mir den Rücken frei hält – auch wenn das gesamte Team dafür nicht weniger wichtig ist. Er ist mein Brückenschlag zu jedem Einzelnen. 

Sie dudsen sich aber nicht?
Nein, das habe ich mit Souschefs nie gemacht. Es sagt sich bei Stress leichter "du Arschloch", als "Sie Arschloch"...

Hand aufs Herz: Wo sehen Sie seine größten Stärke und Schwächen?
Er hat viele Stärken, sonst wäre er nicht hier. Seit 12 Jahren war er nicht einen Tag krank – seine Zuverlässigkeit schätze ich sehr. Allerdings war er früher sehr impulsiv, sehr emotional. Das musste er erst noch in den Griff bekommen.

Hat er das Zeug ihr Nachfolger zu werden – sagen wir in 15 Jahren?
Wie alt bin ich in 15 Jahren, 75? Ich hoffe, dass das früher geschieht!

15 Uhr // Torsten, willst Du denn den Job von Harald Wohlfahrt überhaupt haben, wenn er das Zepter in der Schwarzwaldstube abgibt?
Ja klar, sonst würde ich ja meinen, es nicht richtig zu machen! Aber eher als rein theoretische Frage betrachtet. Klar, das wäre eine Herausforderung für jeden Koch. Obwohl man sich im Klaren sein muss, was das für eine riesige Verantwortung ist, wie groß ein solches Erbe ist. Da mache ich mir nichts vor.

Aber demnach strebst Du schon auch eigene Sterne als Küchenchef an?
Absolut, selbstverständlich. Ich habe meine Pläne. Aber ich denke, es kommt immer alles zu seiner Zeit und man muss auch beharrlich sein. Natürlich kannst du gucken, dass du mit 25 nach vorne kommst, den eigenen  Laden schmeißt. Ich habe mich für den anderen Weg entschieden, weil ich glaube, dass es für mich der richtige ist. Meine Zeit wird kommen, aber ich muss nichts übers Knie brechen.

Als Du Souschef unter Wohlfahrt wurdest, muss Dir aber klar gewesen sein, dass das einige Zeit dauern würde – es sei denn, du verlässt die Schwarzwaldstube. War das abschreckend?
Ich wollte eigentlich zu Ducasse nach Paris. Da meinte der Chef, er könnte mir eine Alternative anbieten und bei ihm jeden Posten durchkochen. Ich sollte ihm vertrauen, dann würde ich die gleiche Entwicklung nehmen, als wenn ich als Deutscher nach Paris gegangen wäre. Ich habe ihm vertraut, habe einige Praktika gemacht und ich bin mir sicher, dass ich die gleiche oder sogar eine positivere Entwicklung genommen habe.

Wo warst Du denn zum Praktikum?
Ich war 2010 vier Wochen im Noma in Kopenhagen, dann einen Monat bei Jean-Georges Klein in Baerenthal und ebenso lang im Fat Duck bei Heston Blumenthal. Dort hat mich die Perfektion schon nachhaltig beeindruckt. Dennoch hat es mich persönlich auch beruhigt, weil ich wusste, dass ich nicht mehr die Schulbank drücken muss....

16 Uhr // Hast Du eine eigene Küchenphilosophie?
Das Produkt ist das A und O. Da geht jedes gleichberechtigt an den Start und wir müssen das dann zum Klingen bringen. Immer wieder aufs Neue. Die Hauptmaxime ist: es muss schmecken!

Wenn du ab morgen Dein eigenes Restaurant hättest, würdest Du die Stilistik der Schwarzwaldstube weiterfahren?
Ja, dieses pointierte Abschmecken und das Setzen von Akzenten würde ich als sehr wichtig erachten.

Wie siehst du Deine Perspektiven auf ein eigenes Restaurant?
Ich mache keine halben Sachen. Es müsste perfekt sein. Ich wäre dafür mit 30 nicht reif genug gewesen. Ich mache das lieber geduldig und in Ruhe, ich muss mich nicht in den Vordergrund drängen. Das Potenzial des Teams will ich hier noch genießen. Irgendwann kommt der Zeitpunkt und dann bin ich gewappnet – dann muss ich mich nicht mehr mit administrativen Dingen abmühen und die Leute kämen gerne zu mir zum Arbeiten. Dann wäre es perfekt und die Zeit gekommen.

17 Uhr // Das Team macht gerade "Zimmerstunde" dh. es gibt eine Pause zwischen den Diensten. Wie wichtig ist das?
Mit der strengeren Regulierung müssen wir ja zwei Stunden Pause machen, ob wir wollen oder nicht. Ich sage den Jungs halt, für 2 Stunden müsst ihr raus. Hab da selbst immer Wert darauf gelegt. Zuhause unter die Dusche, frische Klamotten, Füße kurz hochlegen, Nachrichten schauen etc. dann bist du einfach klarer im Kopf wenn du wieder in den Betrieb kommst. Ich habe fast 5 Jahre hier im Personalhaus der Traube Tonbach gewohnt und da war das optimal. Sonst bilden sich halt Fahrgemeinschaften. Mittlerweile kann ich von zuhause in die Traube laufen. Besser geht's nicht. 

18 Uhr // Thema Administration – wie viele Stunden verbringst Du am Tag damit?
Allergene und Inhaltsstoffe sind das kleinste Problem. Wir haben da eine Systematik, das ist ein Arbeitsaufwand von ungefähr 20 Minuten, man weiß ja, was drin ist. Wir müssen außerdem Arbeitszeiten erfassen, Dienstpläne machen, Logistik etc. Das dauert länger.

18.30 Uhr // Gleich beginnt Euer Abendservice. Wie viele Gerichte habt Ihr auf der aktuellen Karte?
24 Gerichte à la Carte, dazu zwei Degustationsmenüs und ein vegetarisches, wobei wir die Karte bereits reduziert haben.

Und wie oft wechselt Ihr die Menüs?
Eigentlich immer alle 3 Wochen. Nach 14 Tagen machen wir einen Probelauf, indem wir von einer Woche auf die andere die Menüs ändern. 

Wann kocht ihr die neuen Gerichte?
Es gibt Handouts mit Menüskizze für die übernächste Woche. Dann können sich die Leute Gedanken machen und es gibt genügend Vorlauf. In der Woche davor gehen wir dann ins Detail. Während die Menüs laufen, hat man schon Freiraum, um Dinge "auszuprobieren". Aber eigentlich gibt es da wenig. Wir erfinden ja nicht das Rad neu.

19 Uhr // Abendservice
Musst Du in der Küche auch mal durchgreifen?
Falls nötig, direkt wenn es losgeht. Nur kurze, klare Ansagen. Das ist dann weder böse noch reglementierend, sondern eine Hilfestellung. Allerdings sind wir ein ruhiger, harmonischer Haufen, jeder achtet auf Perfektion. Mir ist es lieber, wenn die Leute zu mir kommen und mich im Vorfeld fragen, bevor Fehler entstehen. Das muss eigentlich der Weg sein, wie ich finde. Und manchmal muss man die Mannschaft einfach laufen lassen, sich ein bisschen mehr zurücknehmen, damit sie Selbstvertrauen bekommen.

Was sind die stressigsten Situationen?
Wenn das Restaurant voll ist, wie jetzt, wird es natürlich irgendwann angespannter. Wenn gleich die Amuses raus sind und auf der Fischseite die ersten 2 Gänge abgerufen werden, muss es zügig gehen, für alle. Dann startet das eigentliche Menü, aber das ist der ganz normale Stress. Da hilft Routine und Ruhe bewahren. Aber das, was eigentlich für den größten Stress sorgt, ist, wenn Lieferungen nicht vollständig sind und das gegebenenfalls nicht aufgefallen ist bzw. mir nicht oder zu spät mitgeteilt wurde. Dann wird es schon mal hektisch.

Und wie sehen disziplinarische Maßnahmen aus?
Also sowas wie Strafdienste gibt es nicht (lacht). Wir haben hier einen feinen Schlag junger Männer und ich muss nicht sagen: "Du putzt mir noch die 15kg Zwiebeln zurecht!". Sondern eher: "hier nochmals drüber wischen". Bei Harald Wohlfahrt reicht ein simples "Konzentration!" und jeder spurt.

21 Uhr // Ihr arbeitet viel mit Anrichteringen, wie ich sehe. Ist es euch schon mal passiert, dass einer auf dem Teller geblieben ist?
Ja, das ist schon mal passiert, aber das ist schon sehr lange her. Dem Service ist es kurz vorm Tisch aufgefallen und kam wieder zurück in die Küche. Wenn sie extrem cool gewesen wären, hätten sie den Ring einfach am Tisch runtergenommen und so getan, als sollte das so (lacht). Aber die Jungs sind halt auch Profis und keine einfachen Foodrunner.

Wie geht ihr mit Gästefeedback um? Auch mit Negativem?
Natürlich hatten wir schon die Situation, dass ein Teller zurückgekommen ist. Keiner ist fehlerfrei. Dann probieren wir das Gericht, denn klar geht es uns immer darum, den Gast zufrieden zu stellen. Da muss man sich gegebenenfalls auch eingestehen, dass der Gast leider recht hat. Aber selbst wenn nicht, es also etwas Subjektives sein muss – wir diskutieren nicht und gehen mit Kritik offen und konstruktiv um.

22 Uhr // Wo sind Anknüpfungspunkte zu Sommelier Stéphane Gass und Pâtissier Pierre Lingelser? 
Das passiert in der täglichen Interaktion. Wir pflegen ein sehr freundschaftliches, kollegiales Verhältnis zueinander. Mir ist bspw. das Urteil von Pierre immer sehr wichtig. Er ist dann auch so, das wenn wir die Probe kochen und er den Wein probiert, rudert er auch gerne zurück und sagt: "Da habe ich noch was, das besser passt."

Bringst du Dich auch in die Patisserie ein, wenn du mit Pierre Lingelser arbeitest?
Pierre ist eine Koryphäe, aber wir probieren das und wir arbeiten da schon zusammen. Es ist auch wichtig, dass wir einen Teil zu dem beitragen, was er macht. 

Und zu Stéphane Gass – bist du ein Weinfreund oder ist das eher professionelles Interesse?
Ich komme ja eigentlich aus einer Biertrinker-Gegend bei uns in Sachsen. Das steckt mir in den Kinderschuhen und ich weiß nicht, ob sich das mal ändert. Hier in der Schwarzwaldstube musste ich mich dann dem Thema Wein widmen. Die Gerichte müssen auf den Wein abgestimmt werden und mittlerweile trinke ich auch gerne mal ein Glas davon.

23 Uhr // Herr Wohlfahrt, ein viel diskutiertes Thema in der Branche ist der Nachwuchs. Hat sich die Qualität der Bewerbungen in den letzten 20 Jahren geändert und reichen die Vorhandenen, um den Bedarf zu decken? 
Nein, die Qualität hält sich so die Balance. Es gibt die Bewerber, mit einem sehr guten Ausbildungsprofil und andere, die man ein bisschen mehr in die Spur bringen muss. Das kommt immer auf die Position an, die man besetzen möchte. Bei einem Jungkoch, der aus der Lehre kommt und Commis werden soll, ist das Anforderungsprofil natürlich ein anderes, als an Personen, die bereits mehrere Stationen hinter sich haben. Die s sind definitiv weniger geworden, was verschiedene Gründe hat. Nicht nur weil es, wie alle sagen, immer weniger Interessierte gibt. Die Welt ist da auch größer und nahbarer geworden. Als Bewerber hat man heute viel mehr Auswahl, wenn man in eine gute Küche will. 

Torsten, gibt es denn Aufnahmerituale in der Schwarzwaldstube?
Nein, wir sind froh, wenn jeder im Team gut ankommt. Die Jungs haben bestimmt am Wochenende ihre Rituale, aber da bin ich raus.

Wie lange brauchst Du, um einschätzen zu können, ob jemand das Zeug hat, hier zu arbeiten?
Ich sag mal so, jeder, der eine Bewerbung zum Chef schickt, will hier arbeiten. Meist sind wir uns dann schon ziemlich sicher, denn in der Regel sind die Leute schon soweit ausgebildet. Andererseits sind unsere Chef de Partie teils 22, 23, das ist das Durchschnittsalter bei uns, wenn Du Harald Wohlfahrt und mich rausnimmst. Deren fehlende Berufserfahrung müssen wir noch kompensieren. Da musst du den Fisch nochmals zeigen, die Sauce noch mal probieren, dies und jenes machen – woher sollen sie es haben, mit 22? Die Jungs sind jünger, also musst du eine andere Sprache sprechen und ihnen Feinschliff geben, aber auch etwas Zeit geben, zu zeigen, was in ihnen steckt. Aber jeder ist unterschiedlich. Manche brauchen länger, manche sind schnell im Team angekommen. Hauptsache, sie kommen an und bringen Leistung.

23.30 Uhr // Dein Tag ist fast geschafft. Wie kommst du nach einem harten Abendservice, wenn’s richtig geknallt hat, am besten runter?
Also momentan brauche ich nicht viel, um runter zu kommen, weil die Jungs echt gut in der Spur sind und alles gut funktioniert. Das stabilisiert. Wir profitieren von der persönlichen Stärke jedes Einzelnen. Ich rede in der Regel dann auch zuhause nicht mehr über die Arbeit.

Womit schaffst Du Dir einen Ausgleich zur Arbeit in der Küche?
Bevor ich angefangen habe, mein Haus zu bauen, bin ich viel Fahrrad gefahren. Aber wenn ich ehrlich bin, reißt mich das Haus komplett raus. Ich habe keine Zeit mehr. Dafür habe ich jetzt andere schöne Aufgaben vor mir.

00.30 Uhr // Schichtende

Träumst du eigentlich vom Service in der Schwarzwaldstube?
Nein, ich habe mir das abgewöhnt (lacht) Der Tag ist vorbei, man muss das analysieren, aber dann ist gut. Wenn man Ärger oder Alltägliches mit nach Hause nimmt und sich dann noch darüber den Kopf zerbricht, dann belastet man sich selbst. Natürlich mache ich mir mal über das Eine oder Andere Gedanken, aber das dann eher beiläufig.

Wenn du nicht von der Schwarzwaldstube träumst, woran denkst du dann wenn du einschläfst?
An den Nachwuchs. Aber einschlafen geht bei mir innerhalb von Sekunden. Man könnte auch die Wohnung nebenbei leer räumen, ich schlafe verdammt tief.

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