Anzeige
Götterspeisen 27.Dezember 2018

Götterspeisen (13)

Seien wir ehrlich: So gut die Kreationen unserer besten Köche auch sind, bleibt das Essen doch ein sehr flüchtiges Vergnügen. Man speist, genießt und begeistert sich – und doch verblasst mit der Zeit die Erinnerung. Manchmal aber, meist völlig unerwartet, bekommt man es mit einem Gericht zu tun, das sich förmlich in jenen noch unerforschten Bereich des Gehirns einbrennt, der für die Speicherung kulinarischer Offenbarungen zuständig ist. Solche Erlebnisse sind es, wonach jeder Gastrosoph sucht: Mit unserer neuen Serie geben wir all jenen Gerichten eine Bühne, an die wir seit Monaten, manchmal gar seit Jahren immer wieder denken müssen. Jene Geniestreiche großer Köche also, bei denen man schon nach dem ersten Bissen weiss, dass man es mit einem Geschmackserlebnis für die Ewigkeit zu tun hat. 

Anzeige
|

Götterspeise 95

"Private Batch Caviar" von Joshua Skenes in San Francisco
Ohne Snacks oder Amuses geht es im Saison in Francisco direkt mit dem Menü los. Und zwar mit Vollgas: Der "Private Batch Caviar" wurde in Kelp-Blättern (eine Seetang-Art) eingelegt und gegrillt. Am Tisch wird er zusammen mit etwas Kelp auf Blattspinat angerichtet, der wiederum in Algenbutter geschwenkt wurde (Foto).  Das sieht erstmal nicht sehr aufregend aus und klingt auch nicht sehr spannend...

...aber kaum haben wir den ersten Löffel probiert, schauen wir uns fassungslos an: Es schmeckt unfassbar gut! Buttrig und würzig, mit leichtem Biss vom Kelp, Schmelz vom feinen Spinat, und über allem die leicht rauchige Jodigkeit und Cremigkeit vom Kaviar. Der schiere Wohlgeschmack, der aber nie gefällig anmutet, zieht uns fast die Schuhe aus und wir müssen beide am Tisch laut loslachen. Ohne Frage ist diese Götterspeise eines der besten Gerichte, die wir je gegessen haben und verträgt sich wunderbar mit dem Krug Grande Cuvée, den man im Saison als Aperitif reicht.

Den ausführlichen Bericht zu unserem Besuch im Saison findet Ihr hier.

Götterspeise 94

Jakobsmuschel, Garnele und Schneekrabbe von Yoshizumi Nagaya

Dieser Teller im Düsseldorfer Nagaya sieht im ersten Moment nach nicht viel aus, aber er hat es in sich! Unter einem sämig-dichten Eigelbschaum verbergen sich Jakobsmuschel, Garnele und Schneekrabbe – wow, ist das gut! Wir gehen mit Messer, Gabel und Löffel beherzt zur Sache, und schnell vermischt sich das Ganze zu einer Art Meeresfrüchteragout köstlichster Güte, mit knackiger Garnele und zarter Muschel, dazwischen die ganz spezielle, zwischen Zartheit und Biss changierende Textur des Krabbenfleischs. Alles auf den Punkt gegart und exakt gewürzt (nämlich eher dezent). Dazwischen Stücke von Cashew-Kernen für den speziellen Knack und natürlich der grandiose, alles vereinende Eigelbschaum, der wie eine Hollandaise mit der Fluffigkeit einer Sabayon ist, und wie ein Geschmacksverstärker wirkt. Trotzdem, und das ist so erstaunlich, bleibt dieses Potpourri bei jedem Bissen elegant und filigran. Ein Meisterstück.

Den ausführlichen Bericht zu unserem Besuch im Nagaya findet Ihr hier.

Götterspeise 93

Carrée vom Limousin-Lamm von Clemens Rambichler

Nach Helmut Thieltges' überraschendem Tod im Juli 2017 übernahm sein langjähriger Souschef Clemens Rambichler das Küchenzepter. Bei unserem Besuch im März 2018 begeisterte er durch ein ungemein köstliches Menü, wobei es uns besonders das Carrée vom Limousin-Lamm mit Aubergine und Pimento-Hollandaise angetan hat – es gehört zu den besten klassischen Fleischgerichten, die wir seit langer Zeit vor uns hatten. Das Fleisch, aus der Metzerei "Boucherie du Rouillon" in Orly, muss man nur anschauen, um zu wissen, wie grandios es schmeckt: zart und intensiv, mit schmelzendem Fett durchsetzt und von einer dünnen Kruste mediterran gewürzt. Aber auch der Lammjus und die samtige, zwischen rauchiger Würze und leichter Süße changierende Piemento-Hollandaise sind von begeisternder Güte. Nicht zu vergessen das Türmchen aus Aubergine und Tomate, bei dem dunkle Würzigkeit und tomatige Frische aufs Allerschönste ineinander greifen. Auch Monate später haben wir noch den Geschmack aller Komponenten auf der Zunge, würden diese Götterspeise genau jetzt gerne wieder vor uns haben.

Den ausführlichen Bericht zu unserem Besuch im Sonnora findet Ihr hier.

Götterspeise 92

Seeigel und Sauerteigbrot von Joshua Skenes 

Bei diesem Gericht handelt es sich um das wohl bekannteste "Signature Dish" im Saison in San Francisco – und Worte können nur unzureichend beschreiben, welche Glücksgefühle diese drei kleinen Bissen auslösen. Das beginnt schon mit der "Grundlage": Das exzellente Sauerteigbrot ist an manchen Stellen leicht geröstet und karamellisiert, an anderen von Sauce getränkt – dadurch kommt es zu einem steten Wechsel aus zartknusprig und üppig-weich. Dazu die ultrafrischen Seeigelzungen, die keine Spur von jener stechenden Jodigkeit haben, wie man sie bei nicht ganz taufrischen Exemplaren oft erlebt. Diese Teilchen hier haben besten Schmelz, schmecken leicht salzig nach Meer und süßlich wie Krustentiere. In Kombination mit der Getreidigkeit des Brotes ergibt sich ein Aromen- und Texturspiel allerbester Güte. Man isst es mit den Fingern, natürlich, und wir passen gut auf, dass kein tropfendes Krümelchen daneben geht. Unfassbar, was sich da in unseren Mündern abspielt. Eine Götterspeise, keine Frage.

Den ausführlichen Bericht zu unserem Besuch im Saison findet Ihr hier.

Götterspeise 91

Geeiste Beurre blanc mit Kaviar von Juan Amador, Wien

Beim jüngsten Besuch des Amadors begegnte uns der eine oder andere Klassiker aus Mannheim und Langen im Menü. Auch das folgende Gericht ist ein alter Bekannter, wobei es durch den Umzug nach Wien eine deutliche Weiterentwicklung erfuhr: Auf einer üppigen Kugel von leicht salzigem Beurre-blanc-Eis thront eine großzügige Nocke Kaviar (aus China, mit extra großer Körnung). Drumherum wabert wie Meeresbrandung ein Haselnuss-Schaum, in dem sich eine dicke Auster und knusprige Malzbrösel verstecken. Gemeinsam ergibt das eine umwerfend dekadent-köstliche Melange – jodig, nussig, süß, fett, sexy und trotzdem elegant; ein Zungenkuss mit einer Meerjungfrau (oder wahlweise einem -mann), ein unsichtbarer Sog, der uns in die Tiefen der kulinarischen Glückseligkeit zieht, bis uns schließlich sogar eine Freudenträne über die geschundene Wange kullert. Zutiefst berührend, aufwühlend, schlitchweg perfekt. Um sowas zu finden, fressen wir uns durch die Welt und setzen dabei unsere Gesundheit aufs Spiel.
Hinzu kommt die optische Schönheit des Gerichts: zeitloses Understatement, wie ein englischer Maßanzug. Keine Frage, eine unvergessliche Götterspeise, für die alleine der Besuch im 19. Wiener Bezirk lohnt. 

Den ausführlichen Bericht zu unserem letzen Besuch im Amadors findet Ihr hier.

Götterspeise 90

Amuse-Doppel in der Schwarzwaldstube

Mit glasierten jungen Rübchen mit Sternanis, Süßholz und Zimtblüte, Korianderpesto und milder Schalottenvinaigrette mit Mumbaicurry grüßt die Küche um Chef Torsten Michel erstmals vegetarisch – und holt uns damit sofort ab. Die Nuancen der unterschiedlichen Rüben sind bemerkenswert genau herausgearbeitet, die Einfassung stellt sich jederzeit in den Dienst der bescheidenen Hauptdarsteller. Das durchaus komplexe Gebilde wirkt regelrecht zart und fragil, kein Tröpfchen Öl ist zu viel, und andererseits vermisst man auch nichts. Welch ein Start in den Lunch, doch damit nicht genug...

Der zweite Vorbote auf das große Menü ist eine gebeizte Bernsteinmakrele mit Seeigelzungen und Algenspitzen, Ponzu und aufgeschäumtem Seeigelwasser und Shoyuvinaigrette. Produkte wie die Seeigelzungen und vor allem auch die Entenmuscheln findet man in unseren Gefilden immer noch relativ selten auf den Tellern. Und wenn, dann kaum in diesen grandiosen Qualitäten. Das weiß Michel und belässt darum alles sehr natürlich. Als Würze dienen lediglich Seeigelwasser, Algenspitzen und einige Spritzer Vinaigrette. Mehr wäre auch schade, denn mit jeder Gabel entfliehen wir kurz diesem tristen Herbsttag im Schwarzwald und sehen uns am Strand stehen, eine kühle Brise zieht uns um die Nase, die Gischt perlt salzig über unsere Gesichter. Wow, zwei aufeinanderfolgende Götteramuses – ein Novum in unserer Fresskarriere!

Den detaillierten Bericht zur Schwarzwaldstube findet Ihr hier.

Götterspeise 89

Pan Chino im Disfrutar in Barcelona

Ein Highlight im Disfrutar kam gleich zu Beginn des Menüs: Pan Chino mit Beluga-Kaviar. Das "chinesische Brot" ist ein luftig-leichtes Schmalzgebäck, in dessen Innern sich eine Crème mit Kaviar versteckt. Der herrlich heiße Teig hat eine delikate Kruste, darunter ist er fluffig, leicht salzig, aber auch ein klein wenig süßlich. Dazu der salzig-jodige Kaviar, gehüllt in eine säuerliche Crème, die den Gaumen umschmeichelt. Doch Worte können nur unzureichend beschreiben, wie absolut fantastisch diese Kombi schmeckt – wir müssen vor lauter Begeisterung laut am Tisch loslachen! Eine Götterspeise, nicht weniger. Und wir fragen uns, wieso es diese köstliche Petitesse nicht zum Mitnehmen gibt?

Den ausführlichen Bericht zu unserem letzen Besuch im Disfrutar findet Ihr hier.

GÖTTERSPEISE 88

Wagyu-Sauerbraten von Pierre Nippkow

Die Japaner würden den Damen und Herren in der Küche der 'Ostseelounge' wahrscheinlich alle Hälse umdrehen, aber so verrückt die Idee eines "Sauerbratens vom Wagyu" auch klingt, sie schmeckt fantastisch. Zum Edel-Schulterfleisch gesellen sich Balsamico-Jus, Orangenpolenta und pikante Rote Bete. Das große Stück des hauchzarten, nur leicht gesäuerten Fleisches ist derart köstlich, dass wir fast vergessen, uns um die Beilagen zu kümmern; die Polenta liefert dezente Zitrus-Zesten-Aromen, ist äußerst cremig und – bei einer Sättigungsbeilage selten anzutreffen – erfrischend. Die gerösteten Viertel von junger Bete komplementieren die süß-säuerliche Sauce mit etwas Erdigkeit. Machen wir’s kurz: eine wahre Götterspeise.

Den kompletten Bericht zu unserem Besuch in der Ostseelounge findet Ihr hier.

Götterspeise 87

Kaisergranat mit Sesam von Bernard Pacaud

Als Klassiker, der die Karte nie verlässt, gilt im Pariser L'Ambroisie der Kaisergranat mit Sesam, Currysauce und Spinat. Schon der Duft versetzt uns an die Küste: Wir sehen die Weite des Meeres und die Fischer, die frische Meerestiere aus dem Wasser zerren; riechen, wie dort drüben mit exotischen Gewürzen gehandelt wird. Zurück auf dem Teller verstehen wir, warum sich unzählige Gäste vor uns für dieses Gericht begeisterten. Vier Komponenten, allesamt von herausragender Qualität und perfektem Handwerk, vereinen sich zu einem exotisch angehauchten Ganzen. Das Krebsfleisch, drei Tiere in exakt gleicher Größe, changiert zwischen bissfest und schmelzig. Eine hauchdünne Schicht geflämmten Curries benetzt das Fleisch und schafft so, ganz simpel, den Bogen zum aromatisch tiefgründigen, sahnigen Saucenspiegel am Boden. Und doch steht der Geschmack der Würzmischung nie im Vordergrund, im Gegenteil, er bildet die Bühne, auf der alle anderen Protagonisten die Sau, pardon: das „Cochon“ rauslassen können. Eine herzhafte und wundervolle Harmonie – und somit eine Götterspeise.

Den kompletten Bericht zu unserem Besuch im L'Ambroisie findet Ihr hier.

Götterspeise 86

Carabinero und Gillardeau-Auster von Joachim Wissler  

Ein frühes Highlight im Vêndome-Menü ist der Carabinero mit Gillardeau-Auster, Melonensalat, gegrillter Tomatenvinaigrette und Salzzitronencrème. Der unfassbar gute Carabinero wird von den Austernstücken gewissermaßen gewürzt, was ihn noch einmal weiter nach vorne bringt – verleiht ihm "Flügel", um es mit einem Werbespruch zu sagen (als unterstützendes Element funktioniert Auster unserer bescheidenen Meinung nach sowieso am besten). Dazu gibt es einen sensationell angemachten Melonensalat, der dank der Tomatenkernvinaigrette nicht zu süß ausfällt, sondern angenehm feinherb – beinahe orientalisch mutet das an. Als Kick kommt die würzig-säuerliche Salzzitrone ins Spiel, auch sie eine eher orientalische Zutat. Im Grunde haben wir es hier mit einer fast schon puristischen Produktküche zu tun, meisterhaft austariert, grandios im Geschmack. Kurz: eine Götterspeise.

Unseren ausführlichen Bericht zum Vendôme findet Ihr hier

Götterspeisen 81-85

...findet Ihr hier.

Das könnte dich auch interessieren